FieslingFiesling

Hatte ich mir bei einer letzten Rezension ein längeres, komplexes Freakspiel, Florenza, vorgenommen, so mache ich dieses Mal fast eine Wende um 180 Grad. Gegenstand meiner Betrachtungen ist ein kurzes, familientaugliches Partyspiel, Nein Partyspiel trifft es nicht so ganz, eher Charakterisierungs- und Einschätz- bzw. Erkennungsspiel. Die Rede ist von Fiesling (Untertitel: Eine Frage des Charakters), erschienen bei Huch! & friends, in Größe und Aufmachung der Packung der bekannten 'Ausgerechnet …'-Serie angepasst. Um es gleich vorweg zu erwähnen. Warum der Verlag für den Titel einen nicht nur in meinen Augen negativ besetzten Begriff verwendet und das auch noch durch den Untertitel verstärkt, ist mir unverständlich.Wenn ich mir eine Mutter im Geschäft vorstelle, ein Spiel für die Familie suchend, und sie liest diesen Titel, dann bezweifele ich, dass sie sich zum Kauf entschließen wird.

AufbauWie dem auch sei, wenden wir dem Spiel zu. Ziel bei Fiesling ist es, mit sechs Eigenschaftskarten eine der am Spiel beteiligten Personen so zu beschreiben, dass die restlichen Spieler die gesuchte Person erraten. Wer also einerseits präzise charakterisieren kann und andererseits die Eigenschaften seiner Mitspieler genau kennt …. Schön wäre es, aber ganz so einfach ist es nicht. Jedem der drei bis acht(!) Spieler wird eine Farbe und damit auch eine Nummer zugeordnet. Reihum spielen immer zwei Sitznachbarn zusammen. Ihnen wird ein Farb-/Nummernchip zugelost, diese Person gilt es zu beschreiben. Das passiert mit einer blind gezogenen Eigenschaftskarte, die vom Ziehenden einer der fünf Stufen 'Trifft überhaupt nicht zu' bis 'Trifft voll zu' zugeordnet wird. Der Partner kann dann die Einstufung nochmals verändern, was aber nicht oft passieren wird, da er damit einverstanden ist oder es auch nicht besser weiß. Nach einer zweiten Karte mit umgekehrtem Vorgehen dürfen die Mitspieler einen ersten Tipp auf die charakterisierte Person abgeben. Wäre er am Ende richtig, würde er drei Punkte bringen. Nach weiteren zwei Karten kann der Tipp geändert werden, bringt dann aber nur noch zwei Punkte. Schließlich nach sechs Karten bei Änderung nur noch einen. Sechs Beschreibungskarten sind das Maximum.

KartenHört sich einfach an, ist es aber nicht. Für die Beschreibenden nicht, denn obwohl man seinen Mitspieler schon länger, vermeintlich gut kennt zu sagen, mit welchem Grad er jähzornig, eifersüchtig oder ein Hypochonder ist. Für den Ratenden nicht, denn die ausliegenden Beschreibungen könnten auf mehrere zutreffen oder denjenigen, den man ins Auge gefasst hat, würde man selbst bei einer Eigenschaft ganz anders einstufen (s.o.). In einer Achterrunde, aber nicht nur, kam dann auch öfter der Spruch ' Gebt mir einen Würfel, ich weiß nichts'. Bei acht Personen ist es echt schwer, drei hingegen wäre zu einfach. Daher sieht die Regel vor, dass zur Beschreibung mindestens sechs Personen möglich sein müssen. Fehlen die realen Personen, müssen entsprechend viele Namen von Verwandten, Freunden oder Prominenten aufgeschreiben und einer Farbe/Nummer zugeordnet werden. Kennt man die dann so genau?

MaterialFiesling ist aus den oben beschrieben Gründen ein 'fieses' Spiel, denn immer wieder stellt sich die Frage der korrekten Einordnung/Einschätzung. Gerne würde man statt Stufe 1 oder 2 die Karte genau dazwischen legen. Oder sie auf Stufe 3 in die Mitte legen, auch weil man den zu Charakterisierenden nicht verletzen will, nicht fies sein will. Aber so eine schwammige Aussage hilft nicht weiter. Denn die Beschreibenden erhalten nur die für sie vorgesehenen drei Punkte, wenn mindestens die Hälfte der anderen richtig liegt. Das passiert oft genug nicht. Beim Auflösen nach den sechs Eigenschaftskarten kommt es dann nicht selten zu überraschten Reaktionen. Die Person soll das sein, hätte ich nie so gesehen.

Fiesling sollte man nur in einer Runde spielen, bei der sich die Mitspielenden sehr gut kennen. Anderenfalls wird das Spiel schnell beliebig und damit uninteressant. Wer schon einen Würfel zu Hilfe ruft, hat innerlich bereits abgeschaltet. Fiesling sehe ich daher ganz klar im Familienkreis platziert, aber ein gewisses Alter sollten die Mitspieler schon haben. Oder weiß jede Zehnjährige, was ein Schöngeist ist oder was romantisch auszeichnet? Auf jeden Fall sollte man Fiesling nicht zu ernst nehmen, auf beiden Seiten. Eine Charakterisierung kann schief gehen, na und? Eine humorvolle Bemerkung und der Nächste ist dran. Man will sich doch nicht den schönen Urlaubstag mit dem Sonnenuntergang im Hintergrund vermiesen lassen. (mw)

Steckbrief
Fiesling
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Claude Weber Huch & Friends 3 - 8 Spieler ab 10 Jahre ca. 30 Minuten Victor Boden