Gloria Mundi

"O quam cito transit gloria mundi!" Schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit, nach Tempus kann ich meine Rezension mit einem lateinischen Spruch einleiten. "Oh wie schnell vergeht die Herrlichkeit der Welt!", werden sich die Römer auch um 410 n. Chr. Gedacht haben, als die Westgoten unter Führung von Alarich Rom einnehmen, ja sogar den ganzen Stiefel unter ihre Herrschaft bringen konnten und es fast bis Afrika geschafft hätten. Das hier zu besprechende Spiel setzt etwas früher an. Die Westgoten stehen erst in Norditalien und die römischen Staatsmänner, wir Spieler, versuchen durch die geschickte Verwaltung von Landgütern, Städten und Legionen dem Fluchtziel Afrika näher zu kommen.

AusbaukarteGloria Mundi ist ein Spiel von Rio Grande Games im Vertrieb von Abacus. Etwas erstaunt war ich über die beiden Autoren des Spiels, James Ernest & Mike Selinker, die ich bisher nicht unbedingt als Autoren für taktische Familienspiele angesehen habe. Schließlich ist James Ernest Mister Cheapass und wer deren Spiele kennt, Kill Doctor Lucky, Give Me The Brain oder Button Men, um nur einige zu nennen, weiß was ich meine. Ähnliches gilt für Mike Selinker.

SpielsituationWie dem auch sei. Jeder der bis zu sechs Staatsmänner befindet sich zu Beginn in Rom und startet mit einem Landgut, einer Stadt und einer Legion (jeweils als Karte) vor sowie den zugehörigen 'Rohstoffen' hinter seinem Sichtschirm. Von den drei Basiskartensorten hat jeder, abhängig von der Mitspielerzahl, von den Landgütern allerdings leicht mehr. Wenn eine solche ausliegende Karte aktiviert wird (s.u.) bringt sie dem Staatsmann den zugehörigen Rohstoff.

Das Spielgeschehen spaltet sich in vier Phasen auf, die in jedem Zug eines Spielers durchlaufen werden. Zunächst wird eine neue Ausbaukarte aufgedeckt und auf die teuerste der sechs Positionen gelegt, wobei sie die anderen zum Billigeren hin verschiebt bzw. auf den Ablagestapel wandern lässt. Die Ausbaukarten tragen eine ganze Menge an Informationen. Zum einen, die Rohstoffkosten, die beim Erwerb zu zahlen sind, wozu auf der teuersten Position noch fünf beliebige Rohstoffe extra hinzukommen. Das ist ganz schön viel, also lieber warten bis sie im Preis fällt und erst später kaufen, ja wenn sie zu dem Zeitpunkt überhaupt noch verfügbar ist. Des weiteren die Information auf welche Basiskarte sie gelegt werden kann. Schön wenn man eine wertvolle Karte günstig kaufen kann, schade nur, dass man keine freie Basiskarte zur Verfügung hat. Zum dritten die besondere Fähigkeit, die jede Karte mit sich bringt, und die statt der Basiskarte bei einer Aktivierung genutzt werden kann (nicht muss). Fähigkeiten können sein, mehr oder andere Rohstoffe und/oder Siegpunkte zu produzieren, etwas tauschen zu können, oder aufgrund einer Voraussetzung etwas zu bekommen. Es gibt da die unterschiedlichsten Karten und für ein besseres Spielverständnis sollte man sich die (privat erstellte) Übersicht der Fähigkeiten von der Abacus Seite herunterladen. Und schließlich zeigen die Ausbaukarten noch wie viele Siegpunkte mit dem Erwerb der Karte verbunden sind. Manchmal wird eine Karte nur wegen dieser Eigenschaft erworben. Siegpunkte übrigens werden in Fluchtschritten Richtung Afrika umgesetzt.

In der zweiten Phase legt dann der aktuell agierende Spieler eine neue Basiskarte aus. Damit aktiviert er gleichzeitig alle Karten dieses Typs - auch die bei den Mitspielern. Eine Überlegung muss also dabei immer sein, was die Aktivierung bei den anderen bewirkt. Bringt sie mir nur einen Rohstoff, einem anderen aber zwei Siegpunkte, na ja.
Eine zweite Überlegung muss auch bereits die nächste Phase betreffen, dem Erwerb einer Ausbaukarte. Wird eventuell noch ein bestimmter Rohstoff benötigt oder eine entsprechende Basiskarte, dann muss jetzt die richtige Karte her. Ja, wenn das nicht schon genug wäre, die Überlegung muss sogar noch für die übernächste, die vierte Phase herhalten, wenn der Gote, dargestellt durch eine niedliche Plastikfigur, die mich an einen kleinen Teufel erinnert, agiert. Diese Phase ist das Salz in der Suppe von Gloria Mundi. Vor sich auf seinem Weg nach Rom sieht der Gote immer einen oder manchmal mehr der Kartentypen, die er zerstören wird. Dies kann der aktuelle Spieler allerdings verhindern, wenn er dem Goten einen Tribut in Form der entsprechenden Rohstoffe zahlt. Der Kelch wäre vorüber gegangen. Aber irgendwann läuft der Gote doch los und zerstört alles, wofür bisher Tribut gezahlt wurde. Dann muss jeder beginnend beim aktuellen Spieler reihum (also eventuell auch mehrmals) eine der verlangten Basiskarten abgeben. Schön wenn nur noch Legionen abgebaut werden müssen und man keine hat, der linke Nachbar ist dann dran. Noch schöner, wenn auf der Basiskarte eine attraktive Ausbaukarte liegt, die ist dann auch weg. Man soll also nicht erwarten mit seinen Ausbaukarten ein Imperium aufbauen zu können, ganz schnell wird man wieder auf seine drei, vielleicht vier oder fünf Karten reduziert. Auf jeden Fall ist es immer gut flexibel reagieren zu können und freie Basiskarten zum Abgeben zur Verfügung zu haben. Mit dem Goten sind natürlich auch schöne Ärgerzüge möglich. Wenn er als Nächstes ein Landgut zerstören würde, man selbst keines hat und dann im Zug auch keines auslegt (in Phase 2) lässt man den Goten (natürlich) laufen. Schließlich zerstört er nur beim lieben Konkurrenten etwas.

BasiskarteGloria Mundi hat mir bei der ersten Partie ausnehmend gut gefallen. Es sind immer eine Menge Überlegungen anzustellen und Entscheidungen zu treffen und die einzige Glückskomponente ist das Aufdecken der Ausbaukarten. Ein solches Spiel ist mein Fall. Meine Euphorie hat dann allerdings in der zweiten Partie, der ich als Beobachter beiwohnte, einen Dämpfer erlitten. Dort konnte ein Spieler eine Bastion mit Landgütern errichten, wobei man wissen muss, dass bei den Ausbaukarten zu Landgütern viele Siegpunktbedingungen dabei sind. Ein anderer hingegen wurde durch den Goten ziemlich gerupft, noch nicht mal böswillig, sondern weil es sich gerade so ergab. Dies zeigt, dass die Mitspieler einer Partie einen in etwa gleichen Erfahrungsschatz vorweisen sollten und über die oben angesprochene Übersicht verfügen sollten.
Nachdem ich den Schock der zweiten Partie überwunden habe, sehe ich Gloria Mundi nun wieder im positiven Licht. Jede Partie verläuft aufgrund des unterschiedlichen Ausbaukartenstapels anders, das ist schön. Natürlich können sich dabei einmal Ausbaukombinationen ergeben, die ungeheuer stark erscheinen, aber mit ein bisschen Timing und der Hilfe des Goten lässt sich das reparieren. Dabei hat man auf seinen direkten Nachbarn den größten Einfluss, der rechte aber auch natürlich auf einen selbst. Da heißt es wachsam sein und die Situation genau beobachten.

Vier Endbedingungen (Gote erreicht Rom, Römer erreicht Afrika, Basiskarten bzw. Ausbaukarten sind aufgebraucht) gibt es im Spiel und alle treffen ziemlich gleichzeitig ein. Das zeigt mir, dass Gloria Mundi fein austariert und gut getestet wurde. Und das merkt man dem Spiel auch an. Es funktioniert sowohl zu zweit als auch zu sechst, wobei zu zweit allerdings der Spielspaß geringer ist, weil das Ärgerelement Gote nicht so zum Tragen kommt. Damit ist Gloria Mundi für die verschiedensten Spielerunden geeignet. Abacus ordnet Gloria Mundi unter der Kategorie Familienspiele ein. Das allerdings würde ich nun nicht so sehen wollen. Dagegen sprechen die vielen strategischen Überlegungen, die anzustellen sind und auch die Spieldauer von 90 bis 120 Minuten. Zudem kann man Gloria Mundi nicht so einfach losspielen, insbesondere die ersten Partien erfordern öfter die Konsultation der Regel. Wenn man sich aber auf Gloria Mundi einlässt, wird man mit einem der besseren Spiele des letzten Herbstes belohnt.
Hatte ich übrigens schon erwähnt, dass der Karton mal wieder viel zu groß geraten ist? (mw)

Steckbrief
Gloria Mundi
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
James Ernest, Mike Selinker Abacusspiele 2 - 6 Spieler ab 10 Jahre 90 - 120 Minuten Franz Vohwinkel