Zeit. "Tempus fugit", sagt der alte Lateiner. "Die Zeit flieht", oder wie heute öfter übersetzt wird. "Die Zeit fliegt". Und tatsächlich, Essen war doch erst vor drei Wochen und jetzt steht die Spielwarenmesse schon wieder vor der Tür. Auch in dem hier zu besprechenden Spiel fliegt die Zeit, von den ersten Anfängen der Schrift bis zur Welt umspannenden, modernen Luftfahrt in etwa 120 Minuten. Die Rede ist von, bezeichnenderweise, Tempus, einem schon etwas älteren Spiel von Warfrog Martin Wallace, das im Herbst letzten Jahres bei Pro Ludo herausgekommen ist.
Die gesamte Entwicklung der Menschheit spielt sich auf einer je nach Teilnehmerzahl unterschiedlich großen Insel ab, die zu Beginn erst einmal aus (Sechseck)Landschaftsplättchen, auf denen sich sieben Landschaftsgebiete befinden, beliebig zusammengestellt werden muss. Wir haben dann Acker, Wald, Gras, Hügel und viel Gebirge, das eigentlich zu nichts nutze ist außer zu blockieren. Jede der zehn zu spielenden Epochen, nach diesen zehn Runden ist eine Partie beendet, ist mit einem Landschaftstyp verbandelt, aber dazu später mehr.
Die Epochen sind durch fünf Eigenschaften charakterisiert. Eine, maximal zwei davon verbessern sich immer beim Fortschritt von einer Epoche zur anderen. Die Merkmale sind wie viele Bevölkerungssteine übereinander stehen dürfen (Stapellimit) , wie viele neue Bevölkerungssteine es gibt (Nachwuchs) , wie viele sich wie weit bewegen können (Bewegung), ob man der Seefahrt kundig ist, sich also von einem Küstenfeld (nicht Binnenseefeld) zu einem beliebigen anderen bewegen kann, wie viele Einflusskarten man ziehen und auf der Hand halten darf und schließlich die Anzahl der Aktionen die man zur Verfügung hat. Drei der möglichen Aktionen sind schon oben angedeutet, Nachwuchs, Bewegung, Einflusskarten dazu kommen noch der Kampf und Städtebau. Diese fünf Aktionsmöglichkeiten sind also die dominierende Basis des Spiels, aber sie werden durch die aus mehreren Gründen nicht unwichtigen Einflusskarten modifiziert. So ergibt "Gesundheitswesen" einen Nachwuchs mehr, "Befestigung" einen um zwei erhöhten Verteidigungswert oder "Kanalisation" ein höheres Stapellimit.
Alle Karten haben eine Hintergrundfarbe in einem der Landschaftstypen (außer Gebirge, das wie gesagt zu nichts nutze ist) und damit ergaben sich weitere Einsatzmöglichkeiten. Als Stärkepunkt im Kampf oder als Fortschrittspunkt, wenn es darum geht, die nächste Epoche zu erreichen. Im Kampf wie auch beim Fortschritt werden die Karten verdeckt gelegt, so dass sich damit ein kleines Bluff-Element in das Spiel eingeschlichen hat. Jede Epoche ist ja mit einem der Landschaftstypen unterlegt und die nächste Epoche erreichen die, die in Summe die meisten Bevölkerungssteine auf dem Epochenlandschaftstyp, Karten mit dem Epochenlandschaftstyp sowie Städte haben. Hier hat der Autor ein mir sehr gut gefallenes Element eingebaut. Bleibt man in anderen, ähnlich aufgebauten Spielen, vielleicht sogar über mehrere Runden, in einer Epoche hängen, kann das hier nicht passieren. Denn zu Beginn der Fortschrittsermittlung werden die Zurückgebliebenen auf die aktuelle Epochenstufe geschoben, sodass jeder aus dieser Sicht die gleiche Chance auf das Weiterkommen hat.
Zu Beginn einer Partie gilt es, über Nachwuchs bzw. Bewegung das Volk zu vergrößern und ein Territorium abzustecken sowie schon mal die eine oder andere Einflusskarte an Land zu ziehen. Kampf und Städtebau spielen keine Rolle. Spätestens wenn keine der auf 16 limitierten, runden, flachen Bevölkerungssteine mehr im Vorrat sind, wird Städtebau attraktiv, um durch den Austausch der Steine gegen eine Stadtplättchen wieder Volk zur Verfügung zu haben. Städte müssen immer zwei Felder auseinander liegen, was die Bildung von Metropolen auf engstem Raum verhindert und einen zwingt in die Breite zu gehen. Dann wird eventuell der Kampf interessant, aber für die mehr kriegerisch veranlagten Leser sei gesagt, dass damit das Spiel nicht zu bestreiten und vor allen Dingen nicht zu gewinnen ist, da der Verteidiger durch die Einflusskarten etwas besser gestellt wird.
Nicht bei jeder Fortschrittsermittlung kann man erfolgreich sein, dazu ist die Umgruppierung der Völker zu kostspielig. Man sollte sich auf einige Epochen gezielt konzentrieren, Z.B. auf den Wechsel von Handel zur Seefahrt. Der bringt nicht nur eine Aktion mehr, sondern auch das Recht die Meere zu besegeln, ideal also, um bisher ungenutzte Gebiete zu besiedeln und ein nicht zur unterschätzenden Vorteil in dieser Runde. Am Ende nämlich zählt jedes gehaltene Gebiet einen Punkt, jede Stadt ihren Wert in umgewandelten Bevölkerungssteinen und das Erreichen der letzten Epoche (Luftfahrt) zusätzlich drei Punkte.
Bevor ich zu einer abschließenden spielerischen Bewertung komme, möchte ich ein paar handwerkliche Mängel erwähnen. Spielsteine sind in dunkelblauviolett und schwarz vorhanden und daher bei Kunstlicht nur schwer zu unterscheiden. Die Städteplättchen von rot und violett unterscheiden sich auch kaum. Die Bevölkerungssteine sind einfache runde Scheiben, die übereinander gestapelt werden. Wie oft haben wir umgekippte Stapel wieder aufbauen müssen. Die Landschaftsteile sind kleiner als die Markierungen auf dem Spielplan, so dass man immer meint etwas zurecht rücken zu müssen, was aber nie gelingt. Und schließlich sind die beiliegenden Spielhilfen so unübersichtlich und zudem auch noch falsch, dass man sich aus dem Internet bessere herunterladen sollte. Spart man wirklich durch die Produktion in China so viel, dass man durch solche Unzulänglichkeiten die Akzeptanz des Spiels riskieren kann?
Die handwerklichen Mängel ließen sich ja noch verschmerzen, wenn das spielerische Potenzial sie voll kompensieren könnte. Tempus ist beileibe kein schlechtes Spiel, aber dazu reicht es in meinen Augen nicht. Bei der ersten und zweiten Partie macht Tempus durchaus einen gelungenen Eindruck, schließlich will man die taktischen Möglichkeiten, die in dem Spiel stecken, ausloten. In weiteren Partien merkt man dann, dass Tempus besonders zum Schluss zäh wird. Das liegt zum einen daran, dass jeder fünf oder sechs Aktionen zur Verfügung hat, das dauert. Und zum anderen sind fast schon alle Spielplanfelder belegt. Man kann nicht mehr so viel tun, das motiviert nicht gerade. Zumal dann meist schon abzusehen ist, wer gewinnen wird. Auch hat man dann erkannt, dass von den fünf Aktionen doch hauptsächlich nur drei zum Einsatz kommen. Das ist für ein abwechslungsreiches Spiel etwas wenig.
Am Besten eignet sich Tempus für eine Partie zu viert. Bei drei Mitspielern ergibt sich das bekannte Problem, eine Fünferpartie dauert länger und ist wie angedeutet eher zäh. Wer also Entwicklungsspiele liebt und eine geeignete Runde zusammen bekommt, wird mit Tempus wohl seine Freude haben. Allen Anderen kann ich das Spiel nicht uneingeschränkt empfehlen. Schade, ich hätte gerne ein positiveres Urteil abgegeben, nachdem ich solange hoffungsfroh auf das Spiel gewartet habe. (mw)
Steckbrief Tempus |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Martin Wallace | Pro Ludo | 3 - 5 Spieler | ab 12 Jahre | 90 - 120 Minuten | Eckhard Freytag, Ron Magin, Ingo Anlauff |