Wallenstein

Im Frühjahr 2001 erschien bei Queen Games "Im Zeichen des Kreuzes", das spielerisch wahrlich keine Offenbarung war, aber einen besonderen Gimmick präsentierte. Einen Würfelturm, der durch zwei eingezogene, verschiedenartig gestaltete, löchrige Ebenen nicht notwendigerweise alle oben eingeworfenen Holzwürfel auch unten wieder erscheinen ließ, dafür aber eventuell andere, ursprünglich darin befindliche wieder freigab. Dieser Würfelturm feiert nun in dem mir vorliegenden "Wallenstein" von, sollte ich sagen Queen Hausautor, Dirk Henn seine Auferstehung. Wohl, aber nicht nur, auch deshalb, weil der Verlag Rechte an dieser Art von Würfeltürmen besitzt. Um es gleich vorweg zu nehmen, "Wallenstein" ist ein gutes Spiel, zu dem der Würfelturm mit seinem fast beherrschbaren Glücksmoment zur Entscheidung von Kämpfen hervorragend passt. Angreifende bzw. verteidigende Armeen (Holzwürfel) werden in den Turm geworfen, entsprechend den herausfallenden Armeen kann der Sieger festgestellt werden.

Der TurmDer über 70cm x 50cm große Spielplan, die Schachtel kann man übrigens wegen des Turms als durchaus voluminös bezeichnen, zeigt das mittlere Europa zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges eingeteilt in fünf Regionen (Brandenburg, Sachsen, Österreich, Bayern und die Kurpfalz) mit jeweils neun Gebieten (Fürstentümer, Bistümer etc.) In den Gebieten liegen ein bis drei Städte zum Bau von Gebäuden und es kann Getreide (unterschiedlich zwei bis maximal fünf Einheiten) bzw. Gold (drei bis maximal sieben Einheiten) von der Bevölkerung gepresst werden. Dass ihr dies nicht sonderlich passt, ist verständlich. Es kommt zu Unruhen, dies wird durch einen Unruhemarker angezeigt. Ab dem zweiten Unruhemarker kommt es sogar zu Revolten, d.h. mit Mistgabeln bewaffnete Bauernarmeen (pro Unruhemarker eine) erheben sich gegen die Besatzer. Diese sind zwar in der Regel stärker, können aber doch empfindlich dezimiert werden, da wie bei allen ausgetragenen Kämpfen die Verluste des Siegers genauso hoch sind wie die des Unterlegenen, der alle aus dem Würfelturm herausgefallenen Armeen verliert.

Die drei bis fünf Mitstreiter repräsentieren berühmte Kriegsherren des unseligen Kriegs 1618 wie Albrecht Wenzel Eusebius von Wallenstein oder Gustav II Adolf König von Schweden. Sie erhalten eine sogenannte Planungstafel, auf der neben den oben erwähnten Eigenschaften der Gebiete hauptsächlich die zehn Aktionen dargestellt sind, die in den besetzten Gebieten möglich sind. Bevor ich darauf aber näher eingehe, ein Wort zum Ablauf und der Punktwertung, die letztendlich den Gewinner bestimmt.Ich denke, dass die Bedeutung der Aktionen dann klarer wird. Gestritten wird über zwei Jahre, ganz am Ende jedes Jahres gibt es eine Wertung. Während eines Jahres finden im Frühjahr, Sommer und Herbst drei Aktionsrunden (s.u.) statt, während im Winter nur die Versorgungslage überprüft wird. Dazu muss für jedes besetzte Gebiet ein Getreide nachgewiesen werden. Ist genug Getreide vorhanden, gibt es keine Probleme. Anderenfalls erhebt sich je nach Umfang des Mangels in unterschiedlich vielen Gebieten die Bevölkerung mit einer Revolte.

SpielsituationBei der anschließenden Wertung erhält man dann für jedes besetzte Land und für jedes darin befindliche Gebäude einen Punkt. Zusätzlich gibt es pro Region (!) für die Mehrheit an Schlössern, Kirchen bzw. Handelshäusern einen Bonus von drei, zwei, bzw. einem Punkt, bei Gleichheit vermindert um einen Punkt. Ärgerlich, wenn aufgrund von Getreidemangel durch eine Revolte ein Vier-Punkte-Gebiet verlorengeht und zudem vielleicht auch noch eine oder mehrere Gebäudemehrheiten. Hier will ich gleich das große Manko bei "Wallenstein" erwähnen. Dem Spiel fehlt eindeutig eine Punktzählleiste bzw. ein Punkttableau. Damit wäre es sehr viel einfacher die Bonuspunkte aus den Gebäudemehrheiten nachzuhalten. Sonst müssen Strichleisten oder Ähnliches geführt werden. Wer ein 'Carcassonne' sein eigen nennt, sollte das dort beigelegte Tableau verwenden.

Nun aber zu den Aktionen im Einzelnen, die immer in einem bestimmten, besetzten Gebiet stattfinden. Dies wird dadurch erreicht, dass die Gebietskarte auf die entsprechende Aktion platziert wird.

  • Für drei, zwei bzw. ein Gold (wird repräsentiert durch Holzwürfel in Form einer Schatzkiste) ein Schloss, eine Kirche bzw. ein Handelshaus bauen, mit den Bedingungen pro Stadt nur ein Gebäude und pro Gebiet nie zwei gleiche.
  • Für drei, zwei bzw. ein Gold fünf, drei bzw. eine neue Armee ausheben, wobei im letzten Fall noch zusätzlich beliebig viele Armeen in ein benachbartes, eigenes Gebiet verschoben werden können.
  • Geld bzw. Getreide pressen und dabei eine Unruhe provozieren. Geld wird für die obigen Aktionen benötigt, Getreide wie beschrieben im Winter.
  • Zwei Bewegungen/Kämpfe durchführen. Dabei können vom Ausgangsland beliebig viele Armeen in ein (!) benachbartes Gebiet verschoben werden. Ist dies ein eigenes, hat nur eine Umstrukturierung der Armeen stattgefunden. Anderenfalls kommt es zum Kampf, wobei ein unbesetztes Gebiet immer von einer Bauernarmee verteidigt wird. Eine Niederlage quittiert die Bevölkerung dann zwar mit einer Unruhe, allerdings kämpfen sie bei weiteren Angriffen auf ihr Gebiet dennoch auf Seiten des Besatzers, d.h. aus dem Turm fallende Bauernarmeen zählen zu denen des Verteidigers und werden zudem zuerst (!) vernichtet. Ab zwei Unruhemarkern ist allerdings das Fass zum Überlaufen gebracht und die Bauernarmeen verhalten sich passiv neutral.

WallensteinBei einem Angriff sollte man immer auch den Würfelturm im Gedächtnis haben. Zum einen können sich darin eigene wie gegnerische Armeen befinden (weiß man noch ungefähr wie viele?), zum anderen, werden alle (auch eigentlich unbeteiligte) Armeen aus der Schale am Fuße des Turm mit eingeworfen. Auch da können noch etliche eigene oder gegnerische liegen.

In welcher Reihenfolge aber werden nun die Aktionen abgehandelt? Dazu hat sich der Autor ein pfiffiges System ausgedacht. Zu jeder Aktionsrunde wird ein Satz Aktionskarten gemischt und auf dem Spielplan ausgelegt. Dabei sind allerdings nur die ersten fünf Aktionen sichtbar, die anderen bleiben zunächst verdeckt. Ausgehend von diesen Informationen muss man dann die Aktionen verdeckt für alle seine Gebiete gleichzeitig planen. Da man zumindest zu Beginn des Spiels nicht über zehn Gebiete verfügt, erhält man noch fünf Blankogebietskarten, mit denen man für die Gegner blinden Aktionismus vortäuschen kann. Die Planung der Aktionen ist Hauptspielelement von "Wallenstein". Schnell stellt man fest, dass man in einem Land keine zwei Aktionen durchführen kann, da ja die Gebietskarte zu einer Aktion auf die Planungstafel gelegt werden muss. Und dabei würde man doch gerne Geld aus einem Gebiet pressen und auch noch eine Kirche bauen wollen oder als Überraschungseffekt zunächst ein Land aufrüsten und dann von dort angreifen. So etwas ginge nur, wenn man z.B. zunächst mit den ersten Bewegungskarten Truppen heranführt, so man sie denn hat, und dann mit der zweiten angreift.

Auch die Reihenfolge der Aktion beeinflusst die Planung. Gab es z.B. im Sommer gleich zu Beginn Gold, das man großzügig ausgegeben hat, ist es nun im Herbst unter den ersten fünf Aktionen nicht sichtbar. Kommt es vielleicht erst als neunte Aktion? Soll man dann darauf spekulieren, das die eigentlich dringend notwendige, aber verdeckte große Aufrüstaktion erst danach kommt, oder sein noch knappes Gold doch lieber gleich in ein (sichtbares) Schloss investieren? Leicht fällt es in der Regel, die Gebiete zum Pressen von Gold und Getreide zu bestimmen. Aber aufgepasst! Steht in der Nachbarschaft ein starker Aggressor und kommt eine Bewegung zuerst, kann das Gebiet zum Pressen zum Zeitpunkt der Aktion bereits in andere Hände übergegangen sein. Und eine Runde ohne Gold oder Getreide kann bitter werden. Dann doch lieber auf den einen oder anderen Golddukaten verzichten, auch wenn er anderswo gut zu gebrauchen wäre.

Noch nicht erwähnt wurden bisher die Ereigniskarten, von denen zu jeder Jahreszeit eine aufgedeckt wird. In den Aktionsrunden ist ihre Auswirkung eher gering, wenn sie überhaupt zutrifft. Aber im Winter kann eine Ereigniskarte fürchterlich zuschlagen. Dann gibt die daraufstehende Zahl (mit einem Durchschnitt von ca. 3,3 und einem Maximum von 7) an, wieviel Getreide im Laufe des Jahres verrottet ist bzw. von Mäusen gefressen wurde. Sah gerade noch alles in Ordnung aus, kann es im nächsten Moment bereits zu der einen oder anderen Revolte eventuell mit dem Verlust von Gebieten kommen.

Kanona"Wallenstein" ist ein stimmiges Spiel, alle Komponenten greifen gut ineinander. Z.B. meinte ein Mitspieler in einer Partie, auf die ausreichende Versorgung mit Getreide verzichten zu können. Aber er hat diesen Versuch schnell aufgegeben. Es gilt, wirklich alle Spielelemente im Auge zu behalten und das macht für mich einen Teil des Reizes aus. Es nützt nichts, nur in Gebäude zu investieren und seine Armeen zu vernachlässigen. Dann werden die lieben Mitspieler sich gerne auf die 'dicken' Gebiete stürzen. Und sich beim Bauen zurückzuhalten und nur auf solche Gelegenheiten zu warten, kann genauso schief gehen. Zudem schwächt ein Angriff immer auch die eigenen Reihen. Eines sollte man aber auf jeden Fall unterlassen, nach den ersten Jahr mit beträchtlichem Vorsprung zu führen. Dann haben alle anderen ihr Angriffsziel für das zweite Jahr gefunden und noch zu gewinnen wird sehr, sehr schwer, wenn auch nicht unmöglich. Denn alle Partien verlaufen spannend, bis zur zweiten Wertung ist meist der Gewinner nicht absehbar.

In allen meinen Spielrunden ist "Wallenstein" gut angekommen. Dabei machte es keinen Unterschied, ob zu dritt oder zu fünft gespielt wurde. Auch von der Zeitdauer nicht, denn sowohl die Planungsphase als auch die Durchführung der Aktionen laufen weitgehend parallel. Einzig die Abwicklung der Kämpfe folgt in Spielerreihenfolge, die zu jeder Runde zufällig neu bestimmt wird. Aber auch bei den Kämpfen kommt keine Langeweile auf, denn der Würfelturm und die Spannung, welchen Ausgang das Kampfgeschehen nehmen wird, zieht alle in seinen Bann.

Die Regel zu "Wallenstein" ist klar strukturiert und mit vielen Anmerkungen, Beispielen und der Erwähnung von Sonderfällen durchsetzt. Sie wird durch ein von Barbara Weber verfasstes, historisches Beiheft ergänzt, in dem kurz und prägnant die im Spiel repräsentierten Kriegsherren vorgestellt und ein Abriss des Dreißigjährigen Kriegs dargestellt wird. Das ist bemerkenswert und positiv zu bewerten, wie überhaupt das Spiel bis auf das fehlende Punkttableau positiv zu bewerten ist. Alles in Allem kann ich "Wallenstein" einer Spielrunde, die nichts gegen ein Spiel mit einer Spieldauer von zwei Stunden einzuwenden hat, wärmstens empfehlen. (mw)

Steckbrief
Wallenstein
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Dirk Henn Queen Games 3 - 5 Spieler ab 12 Jahre 120 - 150 Minuten Christof Tisch, Jörg Asselborn