NipponNippon

Wohin sind wir nicht schon alles mit dem Verlag What's Your Game? gereist! Wir waren u. a. unterwegs mit Vasco da Gama, haben Vinhos in Portugal angebaut und dem Kaiser von China bei der Einigung der streitenden Reiche (ZhanGuo) geholfen. Markenzeichen des Verlags sind abstrakte Strategiespiele, die in einigermaßen schöner Verpackung dargereicht werden, aber kaum leichte Unterhaltung versprechen. Nun gelangen wir dank Nippon nach Japan in die sog. Meiji-Zeit. Der Blick auf Cover, Spielbrett und Materialien ernüchtert ein wenig: Das alles ist nicht unbedingt hässlich, aber wirklich schön ist es auch nicht. Aber es zählen ja nicht nur optische Reize.

ExportaufträgeNun braucht also der als aufgeklärt geltende Tenno Meiji unsere Hilfe, denn Japan steckt fast noch im Mittelalter, als der Westen am Ende des 19. Jahrhunderts längst das Zeitalter der Industrialisierung eingeläutet hat. Die Stunde der sog. "Firmenkonglomerate" schlägt, um das Land auf den Pfad der wirtschaftlichen Modernisierung zu führen. Die Spieler leiten die Geschicke dieser "Zaibatsu", bauen immer leistungsfähigere Fabriken, produzieren Güter für den Export und den Bedarf in den Regionen. Belohnt werden sie für industriellen Einfluss in den einzelnen Landesteilen und für ihre Leistungen auf den vielfältigen Gebieten des Fortschritts.

FabrikenGesteuert wird das Ganze über einen interessanten Aktionsmechanismus. Arbeiter in sechs Farben werden zufällig fünf Bereichen zugeordnet, die in der Regel zwei Aktionsmöglichkeiten bieten. Reihum nehmen sich die Spieler einen Arbeiter und führen die damit verbundene Aktion aus. Alternativ können sie "konsolidieren", d. h. Kohle fördern und sich mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstatten. Die fallen besonders dann hoch aus, wenn die Spieler zuvor möglichst wenig unterschiedlich farbige Arbeiter genommen haben, da für jede Farbe 3000 Yen Abzug vom Einkommen hingenommen werden muss. Geld wird benötigt, um den Bergbau zu optimieren, technologisches Wissen anzusammeln und damit den Bau moderner Fabriken zu ermöglichen. Zusätzlich steigern Maschinen deren Produktivität und können durch Eisenbahnen und Schiffe Ertrag und Einfluss erhöht werden. Neben der Produktion von regionaltypischen Waren wie Seide oder Bento (= Nahrungsmittel) werden zunehmend Luxusartikel wie Uhren oder Glühlampen wichtig. Damit lassen sich durch Export kurzfristig Gewinne erzielen, doch entscheidend sind die Lieferungen an die sechs Städte im Land, weil sie den Einfluss des Spielers in einer Region erhöhen, der dann in den drei Mehrheitenwertungen zum Tragen kommt. Dabei gilt es, nicht nur die Konkurrenten zu übertrumpfen, sondern auch die Mitbewerber aus Übersee.

Während man so im Laufe einer Partie Siegpunkte sammelt, kommt es am Ende des Spiels noch einmal zu einer großen Schlusswertung, deren genaue Zusammensetzung man selbst durch geschickte Planung zuvor bestimmt hat. Denn der Kaiser belohnt beim Konsolidieren die Spieler, die zu diesem Zeitpunkt mehr als drei Arbeiter eingesetzt haben, nicht nur mit Geld, Kohle oder technologischem Wissen, sondern auch mit Multiplikatorplättchen im Wert von zwei bis fünf, die auf dann noch freie Erfolgsfelder auf dem eigenen Spielertableau platziert werden. So wird über die Höhe der Siegpunktausbeute in neun unterschiedlichen Bereichen wie Schiffbau, Eisenbahn, Fabriken oder Technologieniveau entschieden.

Spielplan

Nippon-Partien weisen einen linearen Verlauf auf und gewinnen von Runde zu Runde an Fahrt. Zunächst ist es sinnvoll, die Voraussetzungen für die eigene Entwicklung zu schaffen, also für ausreichend Kohlenachschub und genügend Geld zu sorgen. Fehlendes technologisches Know-How kann dahingegen durch sog. Blaupausen (Plättchen im Wert von 1-2) kompensiert werden, die hier und dort abgestaubt werden können. Da die erste Mehrheitenwertung bereits nach der zweiten von insgesamt fünf Vollrunden stattfindet, ist es ratsam, früh Fabriken zu bauen (in der Regel sind dies zunächst solche des günstigen ersten Levels, für die man noch nicht so viel Wissen und Kohle benötigt), um zumindest ein wenig Einfluss in ein bis zwei Regionen geltend machen zu können. Doch spätestens nach der ersten Wertung werden moderne Industrie und zusätzliche Maschinenkraft wichtiger, da sie bei gleichem Produktionsaufwand weitaus mehr Ertrag bringen. Die Städte haben unterschiedlichen Bedarf an Waren. Deshalb sollte man die Art der Fabrik nicht nur nach ihren Boni (sie bringen zumeist Vergünstigungen/Verbesserungen für einzelne Aktionen oder erlauben das Nehmen kostenfreier Schiffs- und anderer Plättchen), sondern auch danach auswählen, ob sich durch die Aktion "Heimischer Markt" möglichst viele der bis zu drei erlaubten Waren in eine Region liefern lassen.

Geld und EinflussInteraktion spielt dann im letzten Drittel einer Partie eine wichtige Rolle, da es mehr und mehr möglich wird, die Konkurrenten durch höhere Einflussplättchen zu verdrängen, wenn man denn im begrenzten persönlichen Vorrat noch die entsprechenden zur Verfügung hat. Grundsätzlich sind die Spieler darauf bedacht, ihr Budget an Geld und Kohle möglichst restlos aufzubrauchen, da man bei der Konsolidierung zunächst alles abgeben muss, bevor man seine regulären Einkünfte erhält. Erfahrene Nippon-Spieler nutzen effektiv die Möglichkeit, durch das Aufbrauchen des Arbeitervorrats die Zwischenwertungen zu dem für sie günstigen Zeitpunkt auszulösen. Reizvoll ist zudem, dass man seine Spielziele mithilfe der Multiplikatorenplättchen zu einem gewissen Grad selbst definieren kann. Die Herausforderung besteht dann freilich darin, vorausschauend zu planen und diese Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Zu dritt oder viert ist es eine wahre Freude, Japan aufblühen zu sehen. Zu zweit ist es leichter, Arbeiter in wenigen Farben zu sammeln, doch wegen der beschränkten Möglichkeiten, Einflussplättchen einzusetzen, kann es hier passieren, dass ein Spieler früh die lukrativsten Plätze ergattert und so bis zum Spielende kaum noch einzuholen ist.

FahrzeugeTrotz dieser kleinen Einschränkung und trotz der etwas blassen Optik sollte deutlich geworden sein, dass Nippon als spannendes Strategiespiel voll punkten kann. Der Verlag What's Your Game? setzt damit konsequent seinen Weg fort, anspruchsvolle Spiele zu veröffentlichen, die durch Eleganz und Spielreiz bestechen. Ähnlich wie Mombasa (eggertspiele) weist Nippon mit seinem innovativen Arbeiter- und Konsolidierungsmechanismus ein Alleinstellungsmerkmal auf, das das Spiel aus dem Einerlei des Mainstreams herausragen lässt.(thb)

Steckbrief
Nippon
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Paulo Soledade, Nuno Bizarro Sentieiro What's your Game 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre 60 - 120 Minuten Mariano Iannelli