First Train to NürnbergFirst Train to Nürnberg

Wer in Spielerkreisen den Namen "Martin Wallace" hört, versteht womöglich nur "Bahnhof", hat sich der Autor doch durch das Eisenbahnspiel Age of Steam (2002) und seine diversen Ableger einen Namen gemacht. Der Argentum-Verlag hat nun mit First Train to Nürnberg eine überarbeitete Neuauflage von Last Train to Wensleydale vorgelegt, das Wallace bereits im Jahr 2009 in limitierter Anzahl veröffentlichte.

"First Train to Nürnberg" ist eine Variation über ein typisches Wallace-Thema: Die Spieler bauen als kleine Unternehmer Bahnstrecken, um darüber Waren und Passagiere möglichst gewinnbringend zu transportieren. Unterstützt werden sie dabei von Investoren, deren Mittel klug eingesetzt werden müssen, um auf möglichst vielen Feldern des boomenden Bahngeschäfts Einfluss ausüben zu können. Wenn die Strecken nicht mehr lukrativ sind, werden sie kurzerhand an eine der beiden großen Gesellschaften (Rot und Grün) abgestoßen. So hält man die Ausgaben für Züge und Streckenwartung gering und kann zügig neue Gebiete und Gewinnmöglichkeiten erschließen.

EisenbahntableauFür ihre Bau- und Transportgeschäfte können die Spieler zwischen zwei Spielplänen auswählen. Neben dem im Vergleich zu 2009 nur geringfügig modifizierten "Wensleydale"-Plan bietet "First Train" auch einen mit dem Gebiet um Nürnberg und Fürth, wo bekanntlich 1835 die erste deutsche Eisenbahnstrecke eröffnet wurde. Hügel, Ebenen, Täler oder Flüsse bestimmen Verlauf und Kosten des Streckenbaus, durch den über die Grenzen der einzelnen Landparzellen hinweg attraktive Verbindungen mit möglichst vielen reisewilligen Passagieren oder einer guten Auswahl an Waren (Stein und Käse in "Wensleydale", Bier und Post in "Nürnberg") entstehen sollen. Zu beachten sind die unterschiedlich farbigen Reisenden: grüne Passagiere wollen in grüne Stationen, rote in rote Stationen transportiert werden.

Investitionssteine symbolisieren die finanziellen Mittel, die die Akteure einsetzen können. Die Steine müssen u. a. zu Beginn für den Erwerb von Einflusspunkten verwendet werden, um die reihum geboten wird. Diese Punkte erlauben den Einfluss auf die rote oder grüne Gesellschaft, auf die Betriebsmittel (um auf dem Gebrauchtmarkt günstig gebrauchte Züge zu erwerben) oder auf die Regierung (entscheidet u. a. über die Reihenfolge beim Streckenbau und hilft bei der Abfertigung von widerspenstigen Bürgern, die ihr Land nicht hergeben wollen).

AnzeigetableauFür den Streckenbau sind ebenfalls Investitionssteine notwendig. Gegebenenfalls müssen Einflusspunkte der Regierung oder einer der großen Unternehmen aufgewendet werden. Im Anschluss daran erwerben die Spieler die für den Transport von Waren und Passagieren unabdingbaren Züge. Wer die meisten Betriebsmittelpunkte hat, beginnt. Zur Auswahl stehen Züge in drei Kategorien, die jeweils einen bis drei dieser Punkte kosten. Die teuren Züge bieten in der Regel mehr Platz und geben in der Variante für 2-3 Spieler gar mehr Siegpunkte für Passagiere (der Kategorie entsprechend). Für den Transport von Waren erhält man jeweils einen Siegpunkt, für Passagiere in der Standardversion (3-4 Spieler) ebenso. Die transportierten Güter und Passagiere legt man vor sich ab. Darüber hinaus erhalten die Spieler für jeden Stein/jedes Bierfass zwei Geldeinheiten, für den Rest jeweils eine. Von diesem Gewinn muss für jedes eigene Streckenteil auf dem Spielbrett eine Geldeinheit abgezogen werden. Man kann maximal 13 Einheiten im Minus und maximal fünf im Plus haben. Die Position der Spieler auf der Gewinn- und Verlustanzeige entscheidet über die Spielerreihenfolge der nächsten Runde, vor der wenn möglich eigene Streckenteile an eine der größeren Gesellschaften abgestoßen werden sollten.

Nach vier bzw. (in der Variante für 2-3 Spieler) fünf Runden addieren die Spieler zu ihren im Laufe des Spiels angesammelten Punkten je zwei Punkte für ein vollständiges Set aus grünem und rotem Passagier sowie je einem Stein/Bier- und Käse/Post-Klötzchen. Der Stand auf der Gewinn- und Verlust-Anzeige wird darüber hinaus als Plus oder Minus auf der Siegpunktleiste abgetragen. Abgezogen werden außerdem noch auf dem Brett verbliebene Streckenteile des Spielers.

Spielplan mit Nürnberg und Umgebung

First Train to Nürnberg ist ein lupenreines strategisches Eisenbahnspiel - und zugleich seine Parodie. Fast schon genüsslich weist die detailreiche Regel immer wieder darauf hin, dass die Spieler eigentlich nur kleinere Fische sind, die im Eisenbahngeschäft schnellen Profit suchen. Wir müssen daher nicht nur Transportmittel aus zweiter Hand erwerben, sondern in "Hit-and-Run"-Manier schnell abstauben, um dann bevorstehende Verluste an die Großen abzuwälzen. Das ist ein Dilemma vor allem in der Nürnberg-Fürth-Variante, da hier Sondersiegpunkte für diejenigen winken, die sich mit eigenen Streckenteilen an der Verbindung zwischen den beiden Städten beteiligen. Wer hier zielstrebig und viel baut, darf auf einen beträchtlichen Bonus hoffen, muss jedoch Acht geben, dass ihm die Kosten für die Strecke nicht über den Kopf wachsen.

Reizvoll ist vor allem die Varianz der Ausgangsaufstellung. Die Güter und Passagiere werden vor jedem Spiel in einem aufwändigen Procedere auf dem Brett verteilt. Neben dieser stets anders gearteten Auslage stellen die beiden Spielpläne unterschiedliche Anforderungen: Während bei "Wensleydale" die lukrativsten Waren-Happen im Zentrum liegen und auf der jeweils anderen Seite die Passagiere warten, ist der neue "Nürnberg"-Plan ausgelegt für verschiedene Ausrichtungen. Diese Offenheit paart sich mit einer etwas einfacheren Topologie, die die Strecken kostengünstiger macht. Das ist allein schon erforderlich wegen der Bonuspunkte für die Verbindung zwischen Fürth und Nürnberg. Mit "First Train" wird das Originalspiel erstmals auch für zwei Personen spielbar. Der Mangel an Wettstreit um gute Anschlüsse auf dem Brett wird kompensiert durch den Kampf um die besten Züge, die bis zu drei Siegpunkte pro Passagier einbringen.

Vergleich der SpielpläneEine Bewertung von "First Train to Nürnberg" muss differenziert ausfallen. Eisenbahnspiel- und Wallace-Fans dürfen bedenkenlos zugreifen, da sie hier gut bedient werden. Auch wer aufwändige Verwaltung und strategische Tiefe nicht scheut, kann mit dem Spiel glücklich werden. Doch muss ich auch gestehen, dass nicht alle meine Mitspieler für weitere Partien zu gewinnen waren, was u. a. daran liegt, dass das an einigen Stellen ein wenig überdeterminierte Regelwerk (z. B. die unterschiedlichen Tauschkurse für Investitionssteine und Einflussmarker) und der Aufwand abschrecken. In diesem Fall ist eine Probepartie dringend angeraten.

Wer bereits die Erstauflage sein Eigen nennt, sollte eine Neuanschaffung nur dann erwägen, falls er sehnlichst neue Spielvarianten für "Last Train to Wensleydale" wünscht. Zwar ist das Design nun gefälliger und einladender, doch sind hier ebenfalls Abstriche zu machen (z. B. ist das Hantieren mit den Markern auf dem engen Anzeigentableau nicht nur für Grobmotoriker recht anspruchsvoll). Auch wenn das Spielbrett nur geringfügig kleiner als das von 2009 ausfällt, fehlte einigen Mitspielern die notwendige Übersicht. Die Zweier- und die "Nürnberg"-Varianten funktionieren gut, doch erreichen sie nicht ganz den Spannungsgrad des Originals, das ganz wesentlich von der Konkurrenz zwischen drei oder vier Spielern lebt. Für alle, die das Original "Last Train to Wensleydale" gerne besitzen wollten und doch verpasst haben, sind die Zugaben jedoch mehr als willkommen. Daher bin ich dem Argentum-Verlag dankbar, dass sie dieses Spiel wieder verfügbar gemacht haben, damit sich nicht nur ein kleiner Kreis von Spielern als abgehalfterte Geschäftemacher im Windschatten der Großen fühlen darf. (thb)

Steckbrief
First Train to Nürnberg
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Martin Wallace Argentum 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre 45 - 120 Minuten Dennis Lohausen