CavumCavum

Das Grübeln beginnt bereits beim Titel des Spiels: heißt es nun "Cávum" oder "Cavúm" (sprich: kawúmm)? Für die zweite Variante spricht der Blick auf die Schachtel mit einem verdrießlich dreinblickenden Bergmann, der es beim Edelsteinabbau mithilfe von Dynamit auch einmal ordentlich krachen lässt. Für die erste Variante spricht mein Lateinlexikon. Dort steht unter dem Stichwort "cávum, -i n." die Bedeutung "Höhlung, Loch" - das passt zu einem Spiel über den Abbau und Verkauf von Edelsteinen.

Doch von dem wirtschaftlichen Aspekt abgesehen ist die historisch eher unbestimmte thematische Einfassung des Spiels aus dem niederländischen QWG-Verlag eher zweitrangig. Die grafische Gestaltung von Mike Doyle ist (mit Ausnahme des Covers) dementsprechend zurückhaltend und funktional. Zurück zum Spiel selbst: Die Spieler sind Minenbesitzer, die in einem Berg nach Edelsteinen graben lassen, Edelsteinadern entdecken und nach erfolgreichem Schürfen ihre Schätze verkaufen oder die Nachfrage nach bestimmten Schmuckstücken ("Aufträge") befriedigen. Sie versuchen, die Stollen möglichst geschickt durch den Berg zu treiben, um nicht nur die selbst gefundenen Edelsteinvorkommen abzuschöpfen, sondern auch die Edelsteinadern der Konkurrenten. In den angrenzenden Städten errichten sie zudem Handelsdependancen, um auch hier ihren Reichtum zu vermehren. Und genau darum geht es in diesem Spiel: Wer mit den Edelsteinen und seinen Niederlassungen in den Städten das meiste Geld verdient hat (notiert auf der Punkteleiste), gewinnt das Spiel.

Spielplan Eine Partie "Cavum" geht über drei Runden. Zu Beginn jeder Runde wird die Spielerreihenfolge in Form einer Versteigerung ermittelt. Der jeweilige Gewinner der Auktion kann sich eine der ausliegenden Reihenfolgekarten aussuchen und nimmt außerdem das darauf abgebildete Dynamitplättchen in seinen Vorrat. Schließlich können sich die Spieler beginnend mit dem neuen Startspieler so lange reihum einen der fünf ausliegenden Aufträge nehmen, bis alle ihren Bedarf gedeckt haben. Um diese Aufträge erfüllen und die darauf verzeichneten max. 28 Einkommenspunkte für sich einstreichen zu können, müssen bestimmte Kombinationen der im Laufe des Spiels geschürften Edelsteine abgegeben werden. Sollten einzelne Aufträge am Spielende nicht erfüllt worden sein, gibt es vergleichsweise harmlose Abzüge von zwei bis fünf Punkten.

Kommt ein Spieler an die Reihe, kann er bis zu vier seiner insgesamt zwölf Aktionen verwenden, je nachdem, wie schnell oder wie vorsichtig er auf dem Spielplan agieren möchte. Die Art der Aktionen (nicht ihre Reihenfolge) ist mit wenigen Ausnahmen vorgegeben. Die Spieler können wählen, ob sie mithilfe von Wegeplättchen unterschiedlicher Wertigkeit (Höhlenteile mit zwei, drei, vier oder sechs Stollenausgängen) und ggf. mit Dynamit das Minensystem auf dem Spielplan ausbauen, das Wegenetz durch Überbau verändern, Stationen im Berg oder in den Städten am Spielfeldrand errichten oder eine Edelsteinader entdecken. Mit zwei Kaufoptionen als Joker haben sie die Gelegenheit, zwei variable Aktionen mithilfe von Spielplättchen aus einem Kaufpool zu erwerben und auszuführen oder sie für 3 Einkommens-punkte einzutauschen. Abschlussaktion ist für jeden Spieler stets das Schürfen, bei dem er jeweils einen Edelstein von den Adern nimmt, die zwischen seinen Stationen auf einem von anderen Farben ununterbrochenen Weg liegen. Bei der anschließenden Stadtwertung verdient jede Station, die eine Verbindung zu einer anderen Station der gleichen Farbe im Berg aufweist, eine bestimmte Summe, die sich aus den freien Plätzen in dieser Stadt errechnet. An diesem Punkt werden schließlich die zuvor ausgelegten Dynamitplättchen gezündet, die unter und neben sich ungeschützte Wege-Teile (ohne Station oder Edelsteinader) wegsprengen. Sollten dabei weitere Dynamitplättchen offengelegt werden, kann es sogar zu Kettenreaktionen kommen. Die so entstandenen Lücken können das Spiel in der nächsten Runde in ganz neue Richtungen lenken. Schließlich ist die Zeit für das lukrative Geschäft gekommen: die Minenbesitzer haben die Wahl, ihre Edelsteine am Markt anzubieten oder die gewählten Aufträge zu erfüllen. Für welche Option sie sich entscheiden, ist abhängig von der Marktlage (je mehr Edelsteine im Berg liegen, desto höher ist der mögliche Gewinn, der erzielt werden kann), den möglichen Angeboten der Konkurrenten sowie der Dringlichkeit, die angenommenen Aufträge vor dem Spielende zu erfüllen. Die Aufträge gewinnen im Laufe des Spiels zunehmend an Bedeutung, kommen doch pro Runde jeweils fünf neue ins Spiel, während in vorhergehenden Durchgängen nicht abgerufene Aufträge mit zwei Bonuspunkten aufgewertet werden und weiterhin erhältlich sind. Nachdem in der dritten und letzten Runde die letzten Dynamitplättchen aktiviert und die Wertungen durchgeführt worden sind, schließen sich eine letzte Stadtwertung der Stationen, die nun noch eine Verbindung zu einer Bergmine aufweisen, und ein Schlussverkauf an, bei dem zuerst die auf der Punkteleiste hinten Liegenden ihre restlichen Steine verkaufen können.

Auftrag "Cavum" wird von Wolfgang Kramer zu Recht als ein komplexes Spiel ohne Glückskomponente bezeichnet. Jede Aktion will gut überlegt sein, die Züge der Mitspieler müssen sorgfältig beobachtet werden. Denn "Cavum" verzeiht kaum Fehler. Bereits beim Ersteigern der Rangfolge ist Vorsicht geboten: Wer in der ersten Runde Startspieler ist, sollte sich davor hüten, den anderen Minenbesitzern eine Steilvorlage zu bieten. Schnell ist er dann nämlich bei einem Drei- oder Vier-Personen-Spiel von den ersten Edelsteinadern abgeschnitten. In späteren Runden kann es dahingegen der Königsweg sein, als Startspieler stets die maximal erlaubte Zahl von Aktionen zu spielen, um als Erster die u. U. nur noch spärlichen Edelsteinvorkommen abbauen zu können. Hier hat dann vor allem derjenige die Nase vorn, der sich geschickt an möglichst viele Edelsteinadern herangegraben hat. Beim Absatz der Schmucksteine muss schließlich abgewogen werden, ob der Verkauf am Markt oder die Auftragserfüllung lukrativer ist. Angesichts der Bonuspunkte für Aufträge aus früheren Runden und der niedrigen Abzüge ist das Wagnis nicht allzu hoch. Es gilt nämlich: Wer die meisten Schmucksteine ergattert hat, besitzt die besten Chancen, seine Güter zum besten Preis umzusetzen. Die Dy-namitplättchen, die am Ende jeder Runde zünden, erweisen sich nur bedingt als destruktives Element. Zwar werden sie gerne eingesetzt, um gegnerische Stationen in Städten von den Bergstationen abzuschneiden und somit ihre Wertung am Rundenende zu verhindern, doch sind sie genauso wichtig, um im eigenen Wegenetz zumindest kurzfristig Verbindungen herzustellen und auf diese Weise an die begehrten Edelminerale zu gelangen.

Ausschnitt Das neue Spiel des Teams Kramer/Kiesling ist ohne Zweifel ein Fall für Vielspieler, die ein lupenreines Strategiespiel mit taktischen Elementen und ohne Glücksanteile suchen. Handwerklich ist "Cavum" ohne Fehl und Tadel. Die einzelnen Spielmechanismen greifen sauber ineinander und lassen sich dementsprechend strategisch nutzen. Zudem sind Ausstattung und Spielregel kaum zu beanstanden (minimale Regelunklarheiten werden durch die FAQ auf Kramers Website beseitigt). Mit dieser handwerklichen Sauberkeit geht jedoch ein gewisses Maß an Nüchternheit einher. Die thematische und grafische Gestaltung ist kaum dazu angetan, die Atmosphäre des Edelsteinbergbaus zu vermitteln. Darüber hinaus bietet "Cavum" eine zweifellos gediegene Neukombination von zumeist bereits bekannten Mechanismen (z. B. Aufträge erfüllen, Strecken bauen, Freilegen bzw. Schürfen), die nicht zuletzt aus anderen Spielen der beiden Erfolgsautoren bekannt sind. Fast möchte man sagen, dass der Titel mit seiner Reminiszenz an eine tote Sprache auch ein Hinweis ist auf diese zwar liebenswürdige, aber angesichts der Entwicklung des Spielemarkts durchaus überraschende ‚Altertümlichkeit' der Spielmechanik. Schwerer als dies wiegt jedoch, dass das Spiel einen sehr hohen Grübelfaktor aufweist und nicht nur zu längeren Wartezeiten führt, wenn die berüchtigten Zugoptimierer mit am Tisch sitzen. Vor allem dann, wenn ein Spieler seine zwölf Aktionen schnellstmöglich gespielt hat, ist er u. U. für einen längeren Zeitraum dazu verdammt, den anderen bei ihren Zügen bloß zusehen zu dürfen. Besonders das Vier-Personen-Spiel leidet unter diesem Umstand und ist daher kaum als Idealbesetzung für "Cavum" zu empfehlen. Am besten spielt es sich im direkten Wettbewerb zu zweit, weil die Interaktion als spannungsförderndes Element noch deutlicher hervortritt und eventuelle Wartezeiten naturgemäß abgekürzt werden.

Insgesamt bleibt somit festzuhalten: "Cavum" ist ein eher durchwachsenes Spiel, dessen spröder Charme nicht in jeder Besetzung und Spielrunde ankommt. Verglichen mit anderen Spielen des Jahrgangs 2008 bietet es letztendlich nicht genug, um sich einen Platz in der Top-Klasse der Strategiespiele erobern zu können. Es ist bezeichnend, dass die meisten Spieler nur schwer dazu zu bewegen waren, es ein zweites oder drittes Mal auszuprobieren, weil es genug reizvollere und innovativere Alternativen gibt. (thb)

Steckbrief
Cavum
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Wolfgang Kramer, Michael Kiesling Quined Games 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre ca. 120 Minuten Mike Doyle