Eine Anthologie oder Blütenlese (griechisch von anthología, "Sammeln von Blumen") ist eine Sammlung ausgewählter Texte verschiedener Autoren oder eine themenbezogene Zusammenstellung aus literarischen, musikalischen oder grafischen Werken. Eine Sonderform der Anthologie ist das Lesebuch. Der Begriff hat sich im 18. Jahrhundert allgemein für Sammlungen von Lyrik, Aphorismen, Erzählungen etc. durchgesetzt. Soweit Wikipedia. Jetzt also eine erste Brettspiel-Anthologie, Stonehenge. Etwas ganz Besonderes? Fünf hochkarätige Spieleautoren haben sich zusammengetan, um mit identischem Ausgangsmaterial fünf verschiedenartige Spielideen umzusetzen. Eine Anthologie? Ich kenn' das eher unter dem Begriff einer Spielekollektion, um nicht den in eine anderen Richtung deutenden Begriff einer Spielesammlung zu verwenden. Na ja, man lernt halt nie aus.
Mike Selinker, führender Kopf bei Titanic Games, hatte die Idee zu dieser Kollektion. Ein Oberthema mit Stonehenge war auch schnell gefunden, denn um diese 4000 Jahre alte Kultstätte ranken sich nach wie vor Geheimnisse, da seine Funktion immer noch nicht eindeutig bestimmt werden konnte. Stonehenge könnte ein Observatorium gewesen sein, ein Opferplatz der Druiden, ein Richtplatz, ein Tempel, ein Marktflecken. Einige verschrobene Theorien sprechen auch von einer Rennstrecke für Pferdewagen oder einem Landeplatz für Ufos. Genug mögliche Hintergründe also, um sich die verschiedenartigsten Spiele auszudenken.
Als Volker Hesselmann von diesem Spielprinzip erfuhr, war er sofort begeistert und hat das Spiel für seinen Krefelder Verlag Spielzeit! an Land gezogen. Somit hat er die Anthologie den deutschen Spielern zugänglich gemacht.
Natürlich kann ich die fünf Spiele nicht in der gewohnten Tiefe besprechen, das würde den Rahmen sprengen. Ich werde aber auf jedes kurz eingehen. Gemeinsam ist allen das Material, das flache Spielbrett, sechs wirklich hübsch anzusehende Spielfiguren, 65 mystische Zahlenkarten, Stäbe, Siedlerstraßen nicht unähnlich, kleine Zylinder und als Highlight bzw. Gimmick fünf Trilithen (Dreisteine, d.h. zwei Tragsteine mit einen Deckenstein), dem inneren Steinring in Stonehenge nachempfunden. Gimmick deswegen, weil sie in keinem der fünf Spiele wirklich gebraucht werden, ja sogar teilweise hinderlich sind, weil sie die Sicht auf das Spielbrett oder den Spielablauf behindern. Die Stäbe und Scheiben werden je nach Spiel anders eingesetzt, mal sind es Blockaden, dann Schwerter, Energiekristalle bzw. Ritter, Lehrlinge, Druiden oder einfach nur Auktionsgegenstände.
Alle Teile sind aus Plastik. Wenn ich persönlich auch Holz vorziehe, so muss ich sagen, hier passt es. Ein Trilith, mit seinen riesigen Steinquadern aus Holz, das geht nicht. Da ist schon graues, kaltes Plastik angesagt. Die Karten dürften für meinen Geschmack etwas größer sein, denn halbe Größe gegenüber normalem Kartenmaß ist doch etwas unhandlich.
Nun aber zu den einzelnen Spielen und ihren Autoren.
"Alles muss raus!" von James Ernest, Mister Cheapass, ist ein Auktionsspiel, bei dem die Steine von Stonehenge gewinnbringend an den Mann bzw. die Frau gebracht werden. 30 farbige Steine werden in beliebiger, aber festgelegter Reihenfolge versteigert. Jeder ersteigerte Stein und jeder gleichfarbige, schon in Besitz befindliche bringen je einen Punkt. Besonderer Clou ist, dass der Gewinner eine Versteigerung im Gegensatz zu den anderen keine Karten nachziehen darf. Obwohl gleichfarbige Karten kombiniert werden können, ist die eine oder andere hohe Karte nicht unwichtig.
Richard Garfield (Magic, Robo Rally, Der große Dalmuti) hat das Bluffkartenspiel "Die Magie von Stonehenge" beigesteuert. Jeder legt verdeckt eine Karte, der Besitzer der höchsten darf auf dem Feld, das der Kartenzahl entspricht, einen Druidenlehrling platzieren. Wer auch versucht hat, den Stich zu gewinnen und nicht geblufft hat, aber nicht zum Zuge gekommen ist, muss einen seiner bereits platzierten Lehrlinge um den Kartenwert zurückziehen. Zieht er dabei über die Eins zurück, kommt er wieder zum Vorrat. Wer zuerst zweimal sechs Lehrlinge unterbringen konnte gewinnt.
Noch ein Richard, Richard Borg nämlich, Autor von z. B. Bluff, Wyatt Earp, Blitz und Donner oder Battlelore, hat das so titulierte Kriegsspiel "Arthurs Geisterritter" eingebracht. Eigentlich ist es eher ein Mehrheiten- denn ein Kriegsspiel, gilt es doch mit Hilfe der Karten, Mehrheiten von Rittern an den Trilithen zu bekommen. Jeweils bevor es zu einer der insgesamt vier Wertungen kommt findet noch eine Kampfesrunde statt, bei der die Mehrheiten noch einmal durcheinander gewirbelt werden können.
"Der Hohepriester" von Bruno Faidutti (u.a. Ohne Furcht und Adel, Diamant, Das Geheimnis der Abtei), einziger Europäer unter den Autoren, kommt gänzlich ohne Glückskomponente aus. In zyklisch angeordneten, unterschiedlich großen Wahlbezirken, deren Grenzen aber noch verschoben werden können, sollen durch Platzieren von Kandidaten Mehrheiten erzielt werden. Gleichstände patten sich aus und der Sieger erhält alle Mandate des Wahlbezirks. Amerikanische Verhältnisse also, the winner takes ist all. Wer die meisten Stimmen auf sich vereinigen konnte, wird schließlich zum Hohepriester gekürt.
Schließlich Mike Selinker (Gloria Mundi, Fiese Verliese) selbst. Bei "Streitwagen von Stonehenge" gibt es ein außerirdisches Rennen außen um Stonehenge herum. Mit verdeckt in linker und rechter Hand verteilten Energiekristallen wird bestimmt, wie viele Blockaden gelegt bzw. wie viele Felder vorwärts gezogen werden. Zum überwinden einer Blockade muss ebenfalls Energie aufgewendet werden. Da Blockaden nur mit passenden Karten platziert werden können, kann es ganz schön frustrierend sein, den Führenden nicht einbremsen zu können bzw. Malefiz mäßig immer wieder Hindernisse vor die Nase gestellt zu bekommen.
Es ist klar, dass die Spiele keine Überflieger sind, anderenfalls wären sie irgendwo separat erschienen. Damit wird auch deutlich, das es sich um leichte Kost handelt, wenn auch der Begriff Anthologie eigentlich Großes erwarten lässt. Die Spiele sind etwas für zwischendurch, nichts Abend füllendes bzw. sprechen eher den Normalspieler an. Am besten hat mir noch "Der Hohepriester" gefallen, da hier ohne Glückskomponente gearbeitet wird und eine Partie in maximal einer Viertelstunde gespielt ist. (mw)
Steckbrief Stonehenge |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Mike Selinker, James Ernest, Richard Garfield, Richard Borg, Bruno Faidutti | Spielzeit! Verlag | 3 - 5 Spieler | ab 10 Jahre | 15 - 40 Minuten | Sean Glenn, Jeff Carlisle, Howard Lyon |