Darjeeling

Eigentlich gehöre ich ja eher zur Kaffeefraktion, aber hin und wieder genieße ich auch eine leckere Tasse Tee. Am liebsten natürlichen Rooibos oder aromatisierter schwarzer Tee. Daher ist es selbstverständlich Ehrensache, dass bei der Niederschrift der Rezension dieses Spiels eine dampfende Tasse Tee neben mir steht. Bevor der Tee hierzulande in die Tassen oder Gläser kommt, hat er oft einen weiten Weg hinter sich. Nachdem er unter idealen Bedingungen in den traditionellen asiatischen Teeländern (Hauptproduzenten sind Indien, Sri Lanka und China) gewachsen ist, werden die Teeblätter geerntet, getrocknet, in Kisten verpackt und schließlich in ihre Bestimmungsländer verschifft. Von all dem hat Günter Burkhardt etwas in sein Spiel Darjeeling (der Name einer der berühmtesten und renommiertesten Teesorten) gepackt. Ich werde zu gegebener Zeit darauf eingehen.

Mit den Ländern fängt es an, denn zu Beginn werden quadratische Plättchen so ausgelegt, dass sie in etwa die Form der genannten Länder wiedergeben. An zwei oder drei Stellen werden entsprechend große Holzquadrate eingefügt, die (Hafen)Städte, also Umschlagsplätze repräsentieren. Die werden noch wichtig. Wie gesagt, das sind die Vorgaben, aber selbstverständlich können die Plättchen auch nach eigenem Gusto gelegt werden. Dann nimmt man vielleicht ein paar weniger für ein enges, zusammengedrängtes Spiel oder das genaue Gegenteil oder...... Jedes Mal könnte man also einen anderen Spielaufbau wählen, was dann auch eine entsprechende Anpassung des Spielverhaltens verlangt und die Partien nicht langweilig werden lässt.

Die Plättchen gibt es in vier Farben, sinnigerweise in schwarz, grün, rot und weis. Sie müssen von uns Mitspielern 'gepflückt' werden. Dazu bewegt jeder eine Spielfigur, die tatsächlich eine Teepflückerin erahnen lässt, über die Auslage. Ein riesiger Korb oder Beutel, in den die Teeblätter kommen, hängt vor dem Bauch. Verlässt die Figur ein Plättchen wird es eingesammelt und kommt zum Trocken hinter einen Sichtschirm. Aus einem Nachziehbeutel muss dann der frei gewordene Platz wieder belegt werden. Die Bewegung ist simpel. Eine Drehung um 90 Grad und eine Schrittweite von eins sind kostenlos. Eine weitere Drehung, der Sprung über eine andere Teepflückerin bzw. eine Stadt oder das Überqueren von anderen Plättchen kosten jeweils Siegpunkte. Man wird also immer bemüht sein, eng um sich herum zu pflücken, um keine Siegpunkte zu verschenken, was sich aber manchmal nicht vermeiden lässt, denn die Plättchen zeigen ein bis drei halbe Teekisten in den erwähnten Farben. Diese Plättchen gilt es hinter dem Sichtschirm nach dem 'Trocknen' zu kompletten natürlich einheitlich farbigen Kisten zusammen zu setzen. Zu einem Dreierplättchen braucht man also noch mindestens drei weitere halbe Kisten, wobei ein Zweierplättchen zwar eine Kiste komplettiert, in den meisten Fällen aber auch wieder eine halbe Kiste hinterlässt. Daher kann es schon einmal sinnvoll sein, auch weiter entfernte Plättchen anzusteuern, um sein Kistenpuzzle zu komplettieren.

Spielfigur Ist dies schließlich geschafft, können die Kisten verschifft werden. Idealerweise passiert das, wenn sich die Spielfigur auf einem der eine Stadt umschließenden Plättchen befindet, denn anderenfalls verrottet eine Kiste auf dem Weg zum Schiff. Beim Verschiffen wird das niederwertigste Schiff aus dem Hafenbecken entfernt, die anderen aufgerückt und das gerade beladene Schiff an der oberen, höchstwertigen Position eingefügt. Zu Beginn seines Zuges bekommt ein Mitspieler die Anzahl seiner Kisten multipliziert mit dem zur Position des Schiffes gehörenden Faktors als Siegpunkte gutgeschrieben. Hier zeigt sich, dass es beim Verschiffen sehr auf das Timing ankommt. Idealerweise verschifft man dann, wenn die Konkurrenten vermeintlich nicht in der Lage sind, selbst zu liefern. So bleiben einem die hohen Multiplikatoren lange erhalten. Andererseits sollte man immer eine Lieferung in der Hinterhand haben, damit man große Lieferungen der Konkurrenten schnell im Wert drücken kann. Wenn in einer Fünferpartie eine Ladung von fünf Kisten dreimal den Multiplikator erhält ist (und der ist dreimal untereinander vorhanden) ist das schon die halbe Miete, denn eine Partie endet bei 100 Siegpunkten. Halbe Miete, 3x15=45? Ja, denn eine Verschiffung von vier oder mehr Kisten bringt einen Bonuspunkt je Kiste und dann schlägt noch das Nachfragebarometer zu. Dabei wird von den zwei auf einer schiefen Ebene liegenden Holzzylindern der gerade gelieferten Sorte der untere herausgezogen und oben wieder eingelegt. Anschließend werden alle zwischen den beiden Zylindern liegenden andersfarbigen als Bonuspunkte addiert. Auch hier ist wieder das Timing nicht ganz unwichtig, denn eine zweite Lieferung der selben Sorte unmittelbar folgend bringt wegen Übersättigung dann keinen Bonus. Das Nachfragebarometer ist zwar nur ein kleiner, netter Gimmick, der ganz niedlich aussieht und gut zum Spiel passt, aber irgendwie auch ein Highlight des Spiels.

Nachfragebarometer Mit einem Sonderaktionsplättchen (SAP) können sogar die Bonuspunkte des Nachfragebarometers verdoppelt werden. Ein solches SAP gibt es immer dann, wenn man ein Dreierplättchen pflückt, sozusagen als Entschädigung für die vielen noch zu komplettierenden Kisten. Es ist schon sinnvoll, dass eine oder andere SAP zu haben, denn in seiner zweiten Funktion kann es das Verrotten der einen, vielleicht einzigen Kiste verhindern, wenn man außerhalb der Reichweite einer Stadt liefern möchte.

Ich hoffe, ich konnte vermitteln, dass Darjeeling ganz stimmig rüber kommt, auch wenn es sich im Grunde um eine abstrakte Angelegenheit handelt. Daher könnte es auch Kartoffeln, Wein oder Tomaten zum Thema haben. Es ist von den Regeln her eher einfach gestrickt und schnell erklärt, aber trotzdem nicht nur leichte Kost. Ein Zug dauert wirklich nicht lange, dennoch muss schon Einiges durchdacht werden, so dass Darjeeling genügend, aber nicht übermäßig Spieltiefe aufweist. Daher vermag ich nicht nachzuvollziehen, warum der Verlag eine Altersangabe von 12+ vorgibt. Die Kisten puzzeln können auch Achtjährige.

Was mir bei Darjeeling nicht gefallen hat, ist die Fummelei mit den Teeplättchen. Sie sind schlecht aus der Auslage zu entnehmen, meist verschiebt sich dabei Einiges. Und dann muss immer wieder aus dem wandernden Beutel nachgelegt werden. Auch wird im Zugeifer manchmal vergessen, zu Beginn die Siegpunkte zu zählen. Dann muss nachkorrigiert werden und es wird ein bisschen chaotisch. Darjeeling wäre ein super geeignetes Spiel für einen Computer oder noch besser die Brettspielwelt. Der Rechner könnte die Siegpunkte verwalten, die Auslage immer auf dem aktuellen Stand halten, das Nachfragebarometer bedienen und eventuell Vorschläge für das Teekistenpuzzle machen.

Darjeeling ist sicherlich kein absolutes Highlight des Spielejahrgangs, aber ganz gewiss auch kein Flop. Sowohl Viel- als auch Familienspieler können mit Darjeeling etwas anfangen, wobei es aber eher zum Familienspiel tendiert. Ich bin gespannt was die Jury 'Spiel des Jahres' dazu sagen wird. (mw)

Steckbrief
Darjeeling
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Günter Burkhardt Abacusspiele 2 - 5 Spieler ab 12 Jahre 45 - 60 Minuten Christof Tisch