Hermagor

Vor jetzt zweieinhalb Jahren sorgte auf der Spiel in Essen ein kleiner, italienischer Verlag mit einem sinnigerweise englischen Namen, Mind the Move, mit Oltre Mare erstmals für viel Furore, nachdem ihm im Jahr zuvor mit Fantasy Pub zumindest ein Achtungserfolg gelungen war. Inzwischen liegt mit Hermagor das vierte Spiel des Verlags vor und Autor ist, wie bei allen anderen Spielen auch und daher nicht überraschend, Emanuele Ornella. Vier Spiele in vier Jahren mag nicht viel erscheinen, aber man sollte immer bedenken, dass es sich (immer noch) um einen Kleinverlag handelt. Dafür sind die Spiele mit viel Liebe gemacht und die Qualität des Materials und der Verpackung haben sich doch sehr gemausert.

Markt Hermagor, dazu hat der österreichische Skiort gleichen Namens wohl kaum Pate gestanden, ist die mittelalterliche Hauptstadt im Zentrum eines durch Flüsse dreigeteilten Gebietes, umgeben von 32 durch Straßen verbundene Dörfer. Kaufleute durchstreifen das Gebiet, um die auf dem Markt von Hermagor erworbenen Waren, genauer die Berechtigungen zum Verkauf der Waren, in den Dörfern Gewinn bringend zu veräußern. Aber die Dorfbewohner sind wählerisch und wollen jeweils nur eine bestimmte der acht möglichen Waren. Da gilt es die Verkaufsroute sorgfältig zu planen.

In jeder Runde geht es also zunächst einmal zum Marktplatz. Dort liegen getrennt durch Gassen je nach Mitspielerzahl zwölf bis 20 Warenplättchen und Plättchen mit Sonderfunktion aus. Warenplättchen können zwei verschiedene Waren zeigen oder auch nur eine, bergen aber dann die Möglichkeit, den Verkaufspreis dieser Ware um eine Stufe zu erhöhen. Sonderplättchen bringen z.B. zusätzliches Geld oder verminderte Reisekosten (dazu später mehr). Um die Plättchen bewerben sich je Mitspieler vier Einkäufe, die zu gewissen Kosten in die Gassen reihum benachbart zu Plättchen platziert werden. Ein Plättchen bekommt schließlich, wer mehr Einkäufer in direkter Nachbarschaft stehen hat bzw. bei Gleichheit, wer näher dran ist. Ein Platz an der Seite ist näher dran als ein Eckplatz, ganz nah dran ist, wer sich direkt auf das Plättchen stellt. Die Einkäufer zu platzieren ist schon ganz schön knifflig, denn ein auf ein Kreuzungsfeld der Gassen gestellter, teuer zu bezahlender beeinflusst damit zwar gleich vier Plättchen über Eck, ist aber gegen einen seitlich befindlichen, zudem billigeren schon im Nachteil. Andererseits, ein auf einem Plättchen stehender Einkäufer ist zwar ganz nah dran, richtet aber gegen zwei Einkäufer auf Ecken nichts aus. Und dann ist ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen. Einkäufer in einer Gasse schnappen Informationen auf, die sie sofort zu Geld machen. Je mehr Einkäufer, desto mehr Geld, (1,1) (2,3) (3,6) (4,10) sind die auch aus anderen Spielen bekannten Paare. Auf diese Art lassen sich also noch mal bis zu 14 Geld machen, ganz schön, wenn es eventuell auf jede Einheit ankommt. Und wenn man dann noch die avisierten Waren bekommen hat, umso besser. Aber dieser Idealzustand wird sich kaum realisieren lassen.

Spielsituation Im zweiten Teil einer Runde gilt es dann, bei unterschiedlich drei bis fünf Aktionen, Dörfer zu besuchen und die Waren zu verkaufen, was durch eine Handelsstation angezeigt wird, so dass in diesem Dorf kein zweites Mal verkauft werden kann. Die Wege zwischen den Dörfern verursachen Reisekosten, je weiter ein Weg desto teurer in der Summe. Manchmal übersteigen sie sogar den erzielten Erlös. Dies zeigt, dass man auf dem Marktplatz nicht wahllos versuchen sollte Plättchen zu ergattern, sondern schon mit Blick auf mögliche Verkaufswege. Und Verkaufsweg ist Stichwort für einen weiteren Aspekt. Mehrere Dörfer umschließen immer ein Gebiet und sobald in jedem Dorf eine Handelsstation steht, darf ein Produktionschip auf eine der im Gebiet angezeigten Warensorte gelegt werden. Dieser Chip bringt zunächst sofort Geld, je früher bei einer Warensorte gelegt desto mehr. Und er zählt am Schluss noch einmal.

Zum Ende nämlich kommt es zu einer interessanten Schlusswertung. Neben dem erworbenen Geld zählt dann je Produktionschip der Produktionswert, der direkt an den Verkaufswert der zugehörigen Warensorte gekoppelt ist. Dann gibt es eine Sonderzahlung für diejenigen, die die meisten Handelsstationen an der das Gebiet durchquerenden Hauptstraße platzieren konnten. Die mit den wenigsten zahlen sogar. Und schließlich gibt es für jedes Handelshaus in dem Gebiet mit den wenigsten eigenen noch Geld. D.h. also für die Verkäufe, sie sollten so angelegt sein, dass dabei viele Gebiete umschlossen werden, dass das gleichmäßig verteilt passiert und die Hauptstraße nicht außer Acht gelassen wird.

Eine ganze Menge also, die zu beachten ist. Aber dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das bedeutendste Spielelement der Markplatz ist. Wenn man hier mal eine frühe Runde nicht erfolgreich ist und z.B. nur eine Warensorte bekommt, hat man kaum noch eine Chance, ja wird sogar doppelt und dreifach bestraft. Denn dadurch, dass nur wenige Handelsstationen gesetzt werden, erzielt man weniger Einahmen, umschließt Gebiete wenn überhaupt erst später für weniger Geld, hat bei der Hauptstraße und bei der Verteilung seine Probleme. Nun ist das Schlimme, dass man für ein schlechtes Abschneiden am Markt nicht mal unbedingt was kann. Denn der Startspieler kann nicht verhindern, dass die Nachfolgenden ihm ein Plättchen nach dem anderen streitig machen. Startspieler am Markt zu sein ist ein großer Nachteil. Wenn dieser Nachteil gleich verteilt wäre, ginge es ja noch. Aber das erworbene Plättchen mit der kleinsten Nummer gibt diesem Spieler das Recht, den Startspieler für die nächste Runde zu bestimmen. Vielleicht kommt man also mehrmals ' in den Genuss'.

Bei Hermagor bin ich hin und her gerissen. Einerseits gefällt mir das Spiel mit seinen vielen zu treffenden Entscheidungen sehr gut, so was ist mein Fall. Andererseits mag ich es nicht so gerne, dass ein Spiel nach einem schlechten Zug oder einer schlechten Aktion noch weiter auf den Geschädigten einschlägt statt die Möglichkeit zu bieten sich ins Spiel zurück zu finden. Zumal hier bei Hermagor die Situation noch nicht mal selbst verschuldet sein muss. Das lässt den Frust doppelt groß werden. Und wenn dann noch eine Spieldauer von knapp zwei Stunden unabhängig von der Spielerzahl dazu kommt.

Am Material (Holz, Geldscheine in üblicher Qualität, für die Warenplättchen sogar ein Stoffbeutel), der Aufmachung und der guten, klaren mit Beispielen durchsetzten Regel lässt sich nicht herummeckern, aber durch das oben Angeführte komme ich doch eher zu einem negativ angehauchten Fazit. Nicht jedes veröffentlichte Spiel eines Verlags kann halt ein Schatz sein, aber Hermagor als Flop zu bezeichnen, so weit will ich nicht gehen. Wenn am Markt nichts Schlimmes passiert, ergibt sich ein spannendes, kurzweiliges Spiel. Aber ohne die Einschränkung eben nicht immer. (mw)

S
Steckbrief
Hermagor
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Emanuele Ornella Mind the Move 2 - 5 Spieler ab 12 Jahre 90 - 120 Minuten Czarnè