Montanara

Wenn ich Montanara höre, denke ich, der Himmel weiß warum, an die Schweiz, riesige Berge und Vico Toriani. Und tatsächlich, die vor mir liegende Schachtel zeigt einen Gebirgsstollen, aus dessen Seitenwänden spitze Kristalle hervorlugen und einen sie prüfend anschauenden Zwerg mit Spitzhacke. Hey, wusste gar nicht, dass die Schweizer Zwerge sind. Und dann zur vollständigen Verwirrung der Name des Autors, Jong Kong. Schweiz? Ein neuer Tummelhofer? Nein, Hongkong! Und eine reale Person, wie mir von Seiten des Verlags mehrfach versichert wurde.

Die Berge in diesem Spiel werden durch vier unterschiedlich hohe, 12 bis 24 Karten umfassende Stapel zwischen den beiden Spielern und die beiden Hausberge, die jeweilige Kartenhand der Spieler, repräsentiert. Drei Arten von Karten gibt es. Zum einen die neun Kristalle, von denen vier zum Sieg gebraucht werden. Dann die Zwerge, die nach den Kristallen schürfen können und schließlich die sechs Sorten Aktionskarten. Wer an der Reihe ist, kann entscheiden, ob er die oberste Karte eines Berges abtragen und verdeckt auf die Hand nehmen will oder eine Karte (Zwerg oder Aktion) ausspielen möchte oder ob er in einem der sechs Berge schürfen möchte. Nur so kommt man schließlich an Kristalle. Für jeden ausliegenden Zwerg darf eine Karte eines Berges umgedreht werden. Ist es ein Kristall, prima! Jede andere Karte wandert als Abraum auf den Ablagestapel. Also, Auslage mit Zwergen zulegen und schürfen. Schön wäre es, aber erstens dürfen insgesamt nur vier Karten (Zwerge und Kristalle) ausliegen. Je mehr Kristalle man schon gefunden hat, desto schwieriger wird also die Suche. Und zweitens gibt es Aktionskarten (Stollenbruch), die alle (!) Zwerge auf den Ablagestapel verschwinden lassen. Ein bisschen Cant`t Stop-Feeling kommt auf. Soll ich den dritten Zwerg noch auslegen und dann richtig loslegen, aber einen Stollenbruch riskieren oder mich mit einem Zwerg langsam vorarbeiten? Warum legt der Gegner keine Zwerge? Hat er keine oder bereitet er einen Stollenbruch vor?

Wurde durch Abtragen eines Berges ein Kristall in die Kartenhand gespült, fällt die Entscheidung leicht. Ein Zwerg muss her und dann schürfen. Mit vier Handkarten ist die Chance 25% auf einen Treffer. Stellt der sich nicht ein, in der nächsten Runde sind es schon 33% bis schließlich 100%. Wahnsinnig interessant, eine solche Schürferei. Und warum kommt von Gegner keine Diebstahlkarte, mit der die Kartenhände getauscht würden? Entweder hat er keine oder selbst vielleicht zwei Kristalle auf der Hand, die er dann abgeben müsste. Neben den Stollenbrüchen, bei denen jeweils noch ein Kartenstapel angeschaut werden darf, bringen noch zwei andere Aktionskartenarten eine Memory- und Bluffkomponente ins Spiel. Mit dem Stollenbau dürfen die vier obersten Karten eines Berges angesehen und in beliebiger Reihenfolge wieder abgelegt werden. Und die Bohrung erlaubt es, die unterste Karte anzusehen und entweder zurück oder oben auf den Stapel zu legen. Gut, nun weiß ich etwas mehr. Aber wie kann ich den Gegner bluffen, dass er die gute, nun oben liegende Karte nicht nimmt oder gerade nimmt? Oder spielt er gleich ein Beben, bei dem zwei Berge zusammengemischt und wieder gleichmäßig verteilt werden.

Wer die hervorragenden Zwei-Personen-Spiele aus dem Kosmos Verlag mit Aktion und Gegenaktion, strategischer Planung und bescheidener Glückskomponente kennt, wird von Montanara enttäuscht sein. Ich bin es jedenfalls. Hier hängt fast alles am Glück, sowohl beim Schürfen als auch beim Ziehen der Karten. Wenn nicht die wichtigen Karten oder Karten nicht zum richtigen Zeitpunkt vorhanden sind, bleibt nicht viel anders übrig, als dem Spiel fast tatenlos zuzuschauen. Da erwartete ich mir doch sehr viel mehr (s.o.) Wenn Plan A nicht greift, muss noch ein Plan B umsetzbar sein. Das Spiel muss hin und her wogen und sich schließlich die ausgereiftere Taktik durchsetzen. Montanara plätschert eher dahin. Entweder man hat Glück oder nicht. Was bei mir negativ rüberkommt, haben wohl auch die Verantwortlichen bei ABACUS erkannt, aber positiv umgemünzt. Demnach ist Montanara 'auch gut für ungleiche Spieler geeignet, da sich Glück und Taktik die Waage halten'. Dem ist nichts hinzu zu fügen. (mw)

Steckbrief
Montanara
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Jong Kong Abacusspiele 2 Spieler ab 7 Jahre 10 - 20 Minuten Guido Hoffmann