Familienbande

Auf ihre großen Ohren sind die von Ohrenstaufen seit jeher besonders stolz. Für die aus dem Geschlecht der Zinkenzollern hingegen gibt es nichts Erhabeneres als ihre eindrucksvollen Nasen. Die von Rothaarowitz schütteln darüber nur ihre prächtigen, feuerroten Locken. Und die Blindsors blinzeln ganz erstaunt durch ihre kurzsichtigen Glubschaugen. Doch die von Mundlingen können über all diesen Dünkel nur lachen. Für sie zählen einzig prallvolle Lippen. Wann immer geheiratet wird zwischen diesen erlauchten Familien, hofft jedes Haus inständig, sein Merkmal werde sich möglichst markant auf die Nachkommen vererben. Dies ist die Idee hinter Familienbande, von Autor Leo Colovini, erschienen in der Spielkompakt-Reihe von Winning Moves. Habe ich in letzter Zeit oft über viel zu große Packungen geschimpft, hier muss ich eindeutig ein Lob aussprechen. Auch für das kleine Wortspiel im Untertitel, das mir gut gefallen hat, denn Familienbande ist demnach ein genial-logisches Spiel.

Mann oder Frau?Gespielt wird mit 70 Karten, die je 35 männliche bzw. weibliche Familienmitglieder mit drei besonderen Merkmalen, eben jenen besagten Zinken oder Segelohren, jeweils in einheitlicher Farbe, zeigen. Merkmale können dabei auch doppelt oder dreifach vorkommen. Drei Personen der ersten Generation liegen bereits aus und jeder erhält fünf Karten und eine Sippe geheim zugelost. Die anderen wissen also nicht, welches Geschlecht man führt. Wer an der Reihe ist kann eine zwischen drei Möglichkeiten wählen.

1. Eheschließung, d.h. zu einer einzeln liegenden Karte wird eine gegengeschlechtliche dazugelegt. Im Prinzip ganz einfach, wenn die Porträts nicht manchmal Spielraum für Interpretationen lassen würden. Bei einer der hier abgebildeten Karten , konnten wir uns nicht verständigen, ob es sich um eine männliche oder weibliche Person handeln sollte. Erst in meiner zweiten Partie wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass männliche Porträts von einem hellblauen Store eingerahmt sind, weibliche von einem rosa. Aber überhaupt die Porträts, sie sind gewöhnungsbedürftig. Da kein Illustrator angegeben ist, könnte man vermuten, dass es Arbeiten von Viertklässlern aus dem Kunstunterricht sind. Wahrscheinlich sollen die Porträts durch ihre Überzeichnungen witzig erscheinen, aber zumindest bei mir, nein überhaupt in den Spielrunden haben sie diese Wirkung nicht erzielt. Ach ja, Eheschließung. Man erhält dafür eine neue Karte, aber keinerlei Punkte. Die gibt es bei
2. Nachkommen. Wenn die drei Merkmale auf einer Karte mit drei der sechs Merkmalen eines Elternpaares übereinstimmen, kann sie als Nachkomme in die nächste Generationenreihe gelegt werden. Jedes Merkmal ist dabei so viele Punkte wert, wie die Generation des Nachkommen angibt. Z.B. würde bei einem Nachkommen der dritten Generation mit zwei (grünen) Nasen und einem (blauen) Ohr, der grüne Marker 2x3 = 6 Felder vorgehen, der blaue Marker entsprechend 3 Felder. Ziel müsste es also sein, möglichst Nachkommen in der fünften und letzten Generation zu zeugen, die viele eigene (das geheim zugeloste) Merkmale tragen. Dafür müssen aber auch Eltern in den vorhergehenden Generationen bereits dieses Merkmal haben, also eventuell müssen günstige Karten verheiratet werden. Und hier zeigt sich ein Dilemma. Hat man im Spiel nur wenige Karten mit eigenen Merkmalen, kann man auch nur wenige Nachkommen zeugen, wenn überhaupt. Denn die Merkmale möglicher Elternpaare müssen ja nicht notwendigerweise passen. Da kann man dann nur auf Karten der Mitspieler hoffen, wird aber auf diese Weise gespielt, ohne aktiv eingreifen zu können. Nicht selten hat in den Testpartien eine Farbe gewonnen, die von keinem der Mitspieler geführt wurde. Schade. Nach einem ausgelegten Nachkommen wird keine neue Karte nachgezogen. Das ist einerseits schlecht, denn die Auswahlmöglichkeiten werden eingeschränkt. Andererseits bringen nicht abgelegte Karten am Spielende (siebter Nachkomme der fünften Generation) Minuspunkte, je mehr Karten desto mehr Minuspunkte. Schließlich kann man 3. Nachziehen mit Vor- und Nachteile wie gerade beschrieben.

Die Idee die hinter Familienbande steckt, ist sicherlich ganz nett, aber die Umsetzung ist in meinen Augen nicht geglückt. Man wird zu sehr vom System gespielt und kann zu wenig beeinflussen. Ich möchte sogar so weit gehen zu behaupten, dass die Farbe des Merkmals, das bei den ca. 50 verwendeten Karten am häufigsten vorkommt, sehr oft gewinnen wird. Mit ca. 15 Minuten Spieldauer ist eine Partie Familienbande angenehm kurz. Daher kann das Spiel gut zu Beginn eines Spieleabends eingesetzt werden, wenn noch auf Mitspieler gewartet werden muss. Das wird aber auch die einzige Gelegenheit sein, wann es bei uns aus dem Spieleregal geholt wird. Schade eigentlich, denn aus der Grundidee hätte man mehr machen können. (mw)

Steckbrief
Familienbande
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Leo Colovini Winning Moves 2 - 4 Spieler ab 8 Jahre ca. 15 Minuten keine Angabe