Wenn ein Spiel Fette Autos heißt, ist das zwar ein einprägsamer Name, aber man kann sich zunächst nichts darunter vorstellen. Erst mit dem Hintergrundwissen, dass damit aufgemotzte, PS-starke, schwere Autos gemeint sind und mit dem Spiel die illegale Autorennszene (nachts, private Autos, öffentliche Straßen) karikiert werden soll, wird der Titel verständlicher und eingängiger. So sehen auch die extrem breiten Autos aus Holz nicht Rennwagen ähnlich, sondern eher gewöhnlich Straßencoupés.
Fette Autos von Heinrich Glumpler, erschienen in der Edition Erlkönig, ist also ein Autorennspiel. Aber keines mit einer Rennstrecke auf einem Spielplan. Zwar gibt es auch hier einen Plan, aber dort wird nur die Position der einzelnen Autos jeweils hinter angedeuteten Scheinwerferlichtkegeln markiert. Die eigentliche Rennstrecke wird mit acht Karten, acht Streckenabschnitte symbolisierend, komponiert. Insgesamt stehen dazu 48 Karten zur Verfügung. Es gibt Kurven mit Höchstgeschwindigkeit 70 (km/h, lasse ich im weiteren Verlauf immer weg) oder 90 oder Geraden, auf denen voll gebrettert werden kann. Jede Karten zeigt zudem eins von sechs verschiedenen Gefahrensymbolen, dazu später mehr. Ich habe oben bewusst gesagt komponiert, denn die Strecke kann sich vollkommen zufällig ergeben oder gezielt zusammengestellt werden. Auch eine Form dazwischen ist denkbar, z.B. dass man als Nächstes eine Kurve haben will, aber man es dem Zufall überlässt, welche es wird.
Neben den Streckenkarten gibt es noch die sogenannten Tempokarten mit Geschwindigkeitswerten von 10 bis 60 und ebenfalls einem Warnschild. Von diesen erhält jeder Rennfahrer acht, drei davon legt man offen vor sich aus. Diese drei Karten summiert zeigen immer die momentane Geschwindigkeit des Autos an. Jeder Streckenabschnitt wird für alle Autos in drei Phasen abgehandelt. In Phase 1 wird abhängig vom Warnschild des Streckenabschnitts, hier ist es wieder, eine der drei ausliegenden Karten ausgetauscht. Das kann z.B. wegen Seitenwind die rechte oder wegen eines Gefälles, die mit der niedrigsten Geschwindigkeit sein. Offensichtlich gibt es wohlwollende Streckenabschnitte, wenn z.B. bei einer Geraden die niedrigste Geschwindigkeit ausgetauscht wird, aber auch gemeine, wenn es genau umgekehrt ist. Am Ende der Phase 1 erhält man für jede Übereinstimmung des Warnschild auf den Tempokarten ist dem des Streckenabschnitts zwei Tempochips. Diese werden gegebenenfalls in Phase 2 gebraucht. Dort hat man zunächst Gelegenheit durch Austausch eine der Tempokarten ist einer der Handkarten (eine neue wird nachgezogen) sein Fahrverhalten anzupassen, z.B. auf einer Geraden eine langsame 10 gegen eine schnelle 60 auszutauschen. Oder, wenn alles passt, beliebige viele Handkarten abzugeben und dafür neue zu ziehen, um seine Kartenhand zu verbessern. Ist der Streckenabschnitt eine Kurve muss nun die Geschwindigkeitsbeschränkung eingehalten werden. Entweder kann durch Abgabe von Chips das Tempo um je 10 reduziert werden bis es passt, oder es muss eine Vollbremsung gemacht werden. Ansicht nichts Schlimmes, aber erstens verliert man für des Rest des Spiels eine Handkarte, die folgenträchtigste Strafe, und man wird durch Austausch mit Karten vom Tempostapel auf die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit heruntergebremst. Das ist dann aber vielleicht wieder hinderlich, wenn es in Phase 3 ans Überholen geht, von hinten nach vorne. Für beide Autos steht ja die momentane Geschwindigkeit fest (Summe der Karten), das schnellere überholt bzw. bleibt vorne. Aber halt, so einfach ist es nun auch wieder nicht. Denn die Fahrer können durch Pokern mit Tempochips, verdeckt in der geschlossenen Hand, die Geschwindigkeit temporär von je 10 erhöhen. So kann ein Auto mit Tempo 100 ein vorausfahrendes mit 120 überholen, wenn der Fahrer drei Chips einsetzt und der vordere sich in Sicherheit wiegend nichts unternimmt. Das wird er aber nicht riskieren wollen und deswegen vielleicht ebenfalls einen Chip setzen. Das wiederum weiß aber der hintere und setzt deswegen überhaupt keine Chips, um den vorderen Fahrer zu übertölpeln. Denn alle eingesetzten Chips sind verloren. Aber der nicht dumm, usw. usw. usw. Diese Bietduelle machen einen großen Reiz des Spiels aus. Und sie zeigen, dass Chips enorm wichtig sind. Hier setzt die Taktik ein. Man weiß ja, welche Warnschilder auf den weiteren Streckenabschnitten, insbesondere dem nächsten kommen. Dann sollte in Phase 2 so agiert werden, dass in der Phase 1 des folgenden Abschnitts möglichst viel herausspringt. Aber Taktik ist auch bei der Planung der Überholvorgänge angesagt. Wann greife ich an, wie oft und wie gehe ich mit Alten Hasen um. Denn es kann auch mehrmals überholt werden. Dazu werden für den Überholenden erneut die Phasen 2 (gegebenenfalls muss also eine Kurve wieder erfolgreich genommen werden) und 3 gespielt. Dabei muss zunächst die Geschwindigkeit durch Tausch mit einer Handkarte um 10 reduziert werden. Dies soll die Energie, die beim erfolgreichen Überholversuch verbraucht wird, simulieren. In einer Kurve also mehrmals zu überholen ist schwierig bis unmöglich. Aber ein erneuter Versuch kann natürlich taktisch eingesetzt werden, um einerseits die Kartenauslage im Hinblick auf den nächsten Streckenabschnitt (Chips!) und damit auch die Kartenhand zu verbessern und andererseits dem Gegner Chips herauszulocken (s.o.) Bleiben noch die Alten Hasen. In jedem Rennen starten immer sieben Autos. Leere Plätze werden mit neutralen Alten Hasen aufgefüllt. Beim Überholen auf einer Geraden werden für einen solcher Alten Hasen immer drei Karten aufgedeckt, um die Geschwindigkeit zu ermitteln. Dort sind sie also eher schwach. Aber in Kurven zeigen sie ihr Können. Dort werden zunächst zwei Karten aufgedeckt. Wenn dann das Geschwindigkeitslimit noch nicht erreicht ist eine dritte. Und plötzlich jagt ein Alter Hase mit 120 durch eine 70er Kurve. Aber auch hier kann noch gepokert werden. Nach zwei aufgedeckten Karten können Chips eingesetzt werden, ja wenn es denn hilft. Übrigens Alte Hasen überholen selbst auch. Und, einmal überholte Autos dürfen dann selbst nicht mehr überholen.
Fette Autos ist, wie der letzte Abschnitt zeigt, ein Spiel für einen(!) bis sieben(!) Spieler. Je weniger daran teilnehmen, desto höher ist jedoch der Glücksfaktor. Richtig Spaß macht es ab vier Spieler aufwärts, da es dann auch zu genügend Überholduellen zwischen den Fahrern mit den entsprechenden Bietduellen kommt. Es ist, wie bei einem richtigen Rennen auch, schwierig von hinten ganz nach vorne zu kommen. Deshalb sollte man eine Rennserie mit Punktvergabe, die in der Regel vorgeschlagen wird, fahren, um den wahren Champion zu ermitteln. Auch sollte man um die Spannung zu erhöhen, seine Chips verdeckt halten. Dies sieht das Grundspiel zwar nicht vor, aber unter www.fetteautos.de stehen Sichtschirme zum Download und Ausdrucken bereit. Ebenfalls dort findet man weitere Varianten (Taktische Startaufstellung, Gefährliche Hasen u.a.), die ins Spiel integriert werden können. Überhaupt lassen die Streckenkarten Raum für weitere bzw. Hausregeln. Die Art der Kurve, links/rechts, findet noch keine Berücksichtigung, ebenso nicht die Straßenseite, die Anzahl kann variiert werden, ein Rennen ohne Hasen wäre denkbar. Auch das Tuning der Autos wäre vorstellbar. Es wird interessant sein zu verfolgen, welche Regeln im Internet veröffentlicht werden. Fette Autos ist ein solide gemachtes Spiel mit einer guten Mischung aus Taktik und Glück, wobei die Taktik überwiegt. Obwohl es kein spielerisches Highlight ist, wäre ihm zu wünschen, dass es mehr Beachtung genießt, als es normalerweise Spielen aus Kleinverlagen zuteil wird. (mw)
Steckbrief Fette Autos |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Heinrich Glumpler | Edition Erlkönig | 1 - 7 Spieler | ab 10 Jahre | 20 - 60 Minuten | Enrico Spies |