Vor mir liegt ein in warmen, orangenen Tönen gehaltener, quadratischer Karton. "Hekla" steht drauf. "Hekla", ein Kunstwort? Das dem nicht so ist, deutet der Untertitel an: ... Flucht vor dem Vulkan. Und tatsächlich, "Hekla" ist ein Vulkan auf Island von dem der Aberglaube sagt, dass sich dort im Berg die Hölle befindet, und Namensgeber für ein strategisches Spiel, erdacht von Martin Schlegel und erschienen bei Holzinsel Spiele. Offensichtlich geht man dort davon aus, dass Käufer des Spiels wissen, dass Holzinsel Spiele mit schön gestalteten Holzfiguren und Holzutensilien, da macht "Hekla" keine Ausnahme, ausgestattet sind, denn auf der Schachtel findet sich dazu keinerlei Hinweis. Wie auch leider nicht zum Spielprinzip. Das mag zwar billig in der Produktion sein, aber verkaufsfördernd ist es wohl nicht.
Zum Spiel gehören 20 anthrazitfarbene Lavasteine, die dann gebraucht werden, wenn Vulkane ausbrechen und eben diese Vulkane selbst in vier verschiedenen Farben und Werten von 0 bis 3. Die Werte werden einerseits durch die Höhe der Vulkane dargestellt, andererseits durch entsprechend viele Rillen am Gipfel, die manchmal leider schlecht zu erkennen sind. Ich persönlich orientiere mich daher immer an der Höhe. Ein runder Zählstein je Farbe, der sogenannte Vulkanist, komplettiert das Spielmaterial. Der Spielplan, der aus vier Teilen zusammengesetzt werden muss, zeigt, das meine jedenfalls ich zu erkennen, einen Vulkankrater von oben. Über diesen sind 26 weiß umrandete Spielfelder gelegt, die jeweils zwei angedeutete Plätze für Vulkane bzw. Lavafelder enthalten. Drei der Felder in diagonaler Linie sind als Zonen erhöhter Aktivität kenntlich gemacht. Um den Vulkan führt eine doppelte Zählleiste, nach einer Runde wechselt der Vulkanist auf den äußeren Pfad.
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch einfachen Regeln, taktisch anspruchsvolle und kurzweilige Spiele kreiert werden können. So auch hier bei "Hekla". Wer an der Reihe ist hat zwei Möglichkeiten. Entweder kann ein Vulkan von außen auf ein freies Feld, keine der beiden Plätze ist irgendwie belegt, gesetzt werden oder ein Vulkan wird senkrecht bzw. waagerecht genau ein Feld verschoben. Eine einzige Ausnahme gibt es und das finde ich ein wunderbare Idee. Wenn der Vulkanist in gerader Linie einen gleichfarbigen Vulkan beobachten, also sehen kann, darf der Vulkan beliebig weit verschoben werden. Um das zu erreichen kann der Vulkanist sogar auf der Zählleiste zurück (!) gehen. Faszinierend finde ich dabei, dass der Zählstein so zu einem aktiven Spielelement geworden ist, mit dem entsprechend taktiert werden muss. Soll vielleicht auf den einen oder anderen Wertungspunkt verzichtet werden, um den Vulkanisten in eine günstige Position zu bringen? Lohnt sich das Zurückziehen des Vulkanisten um zwei Felder, wenn dadurch nur ein Punkt gewonnen werden, aber ein Vulkan aus einer mißlichen Lage befreit werden kann?
Zu einer Wertung, einem Vulkanausbruch, und damit zum Vorrücken des Vulkanisten kommt es immer dann, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Erstens müssen auf genau drei nebeneinander liegenden Feldern mindestens acht Gipfelrillen zusammengekommen sein. Zweitens darf das mittlere der drei Felder nicht vollständig mit Lavasteinen belegt sein. Wer mit Vulkanen an der Wertung beteiligt ist, darf seinen Vulkanisten je Vulkan ein Feld vorrücken bzw. zwei, wenn der Vulkan in einem Feld erhöhter Aktivität steht. Für den Auslöser der Wertung gibt es noch ein, zwei oder drei Bonuspunkte, je nachdem, ob die Wertung mit acht, neun oder zehn Rillen durchgeführt wird. Es ist also interessant eine Wertung auszulösen, aber was wenn der Konkurrent mit zwei Vulkanpunkten mehr beteiligt ist? Als letzte Konsequenz aus einer Wertung werden die Vulkane im mittleren Feld entfernt, an die entsprechenden Spieler zurückgegeben und ein (!) Lavafeld dorthin platziert. So wird von Ausbruch zu Ausbruch das Spielfeld immer kleiner und auch die Bewegungsmöglichkeiten der Vulkane werden eingeschränkt. Daher zeigen die letzten zehn Lavasteine bereits eine Gipfelrille, damit es etwas einfacher wird. Der letzte eingesetzte Lavastein beendet eine Partie.
Je nach Anzahl der Mitspieler stehen unterschiedlich viele Vulkane zur Verfügung. Zu viert erhält man je einen Vulkan pro Wert, bei Zweien ist die Verteilung 2x0, 1x1, 3x2, 1x3. Auf jeden Fall ist nur ein wertvoller Dreiervulkan dabei. Das Viererspiel wird hauptsächlich von den großen Vulkanen getragen, schnell sind acht Rillen zusammengekommen. Zu zweit kommen vermehrt die kleinen Blockiersteine zum Einsatz. Sie tragen zwar kaum etwas zur Anzahl der Rillen bei, blockieren aber Plätze und Vulkanwege. Immer wieder stellt sich die Frage, wie die Vulkane am günstigsten zu platzieren sind, wenn Möglichkeiten der Auswahl gegeben sind. Vulkane auf den äußeren Feldern bei einer Wertung, bleiben zwar auf dem Brett und können gleich wieder ins Geschehen eingreifen, aber eventuell sind sie danach auch vollkommen deplatziert. Das sollte auf jeden Fall vermieden werden, da hilft dann vielleicht nur noch, besonders in späteren Runden der Vulkanist. Leider befindet sich der gerade in einer ganz anderen Ecke des Planes, schade. Andererseits Vulkane in der Mitte sind zunächst aus dem Spiel, können aber sofort an andere, entfernte Brennpunkte gebracht werden. Optionen auf Punkte stehen in der Regel immer irgendwo auf dem Spielfeld herum. Oder einfach nur zunächst ein freies Spielfeld blockieren, um einen Konkurrenten auszublocken?
Das "Hekla" aufgesetzte Thema, Vulkane erscheinen plötzlich auf dem Feld oder sie wandern beliebig weit weg, halte ich für nicht besonders glücklich. Aber auch mit einem anderen Thema und Namen bleibt "Hekla" für mich ein abstraktes, strategisches Spiel der besonderen Art. Es reicht vielleicht nicht ganz an einen seiner Vorgänger bei Holzinsel, "Kardinal", heran, ist aber dennoch durch die sich ständig verändernden Spielsituationen und neuen Herausforderungen, die eventuell auch mal aus dem Bauch heraus beantwortet werden wollen, nie langweilig. Auch dauert eine Partie kaum länger als 45 Minuten, so dass sich ohne Probleme eine zweite Partie anhängen lässt. In der Regel bleibt eine Partie "Hekla" spannend bis zum Schluss. Mal liegt der eine vorne, dann zieht ein anderer nach. Nur wenn sich zei oder drei ständig belauern und sich nichts gönnen, kann ein anderer Mitspieler der lachende Dritte oder Vierte sein. Aufgrund des Spielspasses und des gut aussehenden Spielmaterials wäre "Hekla" eine weite Verbreitung zu wünschen. Nur nebenbei: Es belegte unter dem Namen "DinxX" den ersten Platz beim vielbeachteten Spieleautoren-Wettbewerb des Bochumer Spieleclub Hippodice. (mw)
Steckbrief Hekla |
Autoren | Verlag | Spieler | Alter | Spieldauer | Gestaltung |
Martin Schlegel | Holzinsel | 2 - 4 Spieler | ab 10 Jahre | 30 - 45 Minuten | Christian Krummhaar |