Nürnberg – Die Zünfte der StadtNürnberg – Die Zünfte der Stadt

Leider kann ich dieses Jahr nicht zur Spielwarenmesse in Nürnberg fahren. Das ist insbesondere deswegen schade, weil sich in Nürnberg anders als während der hektischen Spiel in Essen das eine oder andere längere und intensivere Gespräch führen lässt. Es ist aber auch deswegen schade, weil ich Nürnberg als Stadt mag.
Drucker Die vielen alten Gemäuer, kombiniert mit dem Bestreben, die Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit als Handels- und Handwerkerstadt aufrecht zu halten, ohne die finstere Zeit des 3. Reichs zu verschweigen, das alles in einem modernen Gewand, spricht mich sehr an. Und so möchte ich heute, um beide Welten quasi zusammen zu bringen, "Nürnberg, Die Zünfte der Stadt" von Andreas Steding (Hansa Teutonica, Firenze) vorstellen. Nürnberg als Stadt tritt erwartungsgemäß eher in den Hintergrund, die ehrbaren Zünfte, allen voran die aus Franken nicht wegzudenkenden Brauer, spielen die Hauptrolle. Deshalb benutze ich im Weiteren auch nur noch den Titel Die Zünfte der Stadt.

HandwerkerJeweils elf Vertreter einer Zunft sind beteiligt, ausgestattet mit einer handwerklichen Fähigkeit der Stufe 2 bis 7. Jede Zunft hat selbstverständlich ihr Zunfthaus, in dem sich die Meister treffen und wo die produzierten Waren bereitgestellt werden. Zudem verfügt es noch über vier Zimmer, in denen Gäste nächtigen können, seien es andere Meister oder auch besondere Stadtbewohner. Wer in der Stadt etwas erreichen wollte, musste sich die Gunst der Zünfte erwerben. In nur vier Runden gilt es dies zu erreichen, die fähigsten Handwerker einzustellen, dabei keine Zunft zu vernachlässigen und angesehene Bürger der Stadt zur Unterstützung zu gewinnen. Die Waren der Zünfte, jeweils nur zwölf Stück, sind dabei nur Mittel zum Zweck und haben bei der Wertung keine Bedeutung mehr.

Vor dem Spiel werden für jede Runde und jede beteiligte Zunft (eine mehr als Mitspieler) ein Zunftmeister bestimmt. Der ist relativ wichtig, denn zum einem entspricht seine Stärke dem Kauf- und Verkaufspreis der Waren im Lager des Zunfthauses und zum anderen schließt er sich am Ende der Runde dem Spieler an, der die meisten Waren dieser Zunft sein eigen nennt. Dabei bringt er auch noch ein Wappen seiner Zunft und eventuell ein Prestigewappen der Stadt mit, wenn er der fähigste aller Zunftmeister war. Wappen (Zunftwappen je Sorte, Prestigewappen aber einzeln) bringen bei der Wertung am Ende Siegpunkte, mit nicht zu unterschätzendem Effekt. So gibt es für drei Wappen(sorten) nur zwei Siegpunkte, für sechs jedoch schon 14.
Zünfte Daher wird man immer versuchen, ein Prestigewappen mit zu bekommen. Das erfordert ein bisschen Planung. Denn in der aktuellen Runde sind die Waren, die man ja in Mehrheit braucht, ziemlich teuer. Vorher waren sie vielleicht billiger, also eventuell eine Runde horten? Nicht so einfach, denn es sind ja nur zwölf Waren da und die Mitkonkurrenten haben denselben Gedanken. Da ist es dann ganz wichtig, in der Spielreihenfolge früh dran zu sein. Auch wieder nicht so einfach. Denn nach vorne kommt man nur, wenn man einen Gast des Zunfthauses bei sich aufnimmt. Das kostet von einer Zunftware bis zu drei bzw. zwei und zwei beliebigen anderen. Hat man sich dann nach vorne geschoben, machen es danach auch noch zwei andere Mitspieler und letztendlich geht man doch wieder nur als Dritter in den nächsten Durchgang. Dabei sollten und mussten doch unbedingt Schuhe gekauft werden.

Aber würde das überhaupt gehen? Denn Geld ist mal wieder Mangelware. Bei einem Startkapital von nur 25 Talern und Warenpreisen von, sagen wir vier, ist schnell nichts mehr da. Pro neue Runde gibt es (nur) drei frische Taler. Geld muss man sich also über Verkäufe (billig einkaufen, nächste Runde teuer verkaufen) oder durch das Beherbergen von Gästen beschaffen. Sie bringen so viele Taler mit, wie Handelsagenten bereits bei der Zunft aktiv waren.

BürgerJetzt endlich sind wir beim Spielablauf angelangt. Vier dieser Handelsagenten hat jeder zu Beginn und per geheim gelegter Karten wird festgelegt, wie viele pro Durchgang (eine Runde hat also in der Regel mehrere Durchgänge) und wo sie agieren. Zusätzliche Handelsagenten gibt es dann, wenn man die wichtigen Handwerker einstellt oder entsprechende Stadtbewohner beherbergt. Diese bringen immer einen Vorteil mit, einen zusätzlichen Handelsagent eben, Siegpunkte, Geld, Waren oder eine bessere Wertung. Am Ende gibt es für jede Zunft 5, 3, 1 Siegpunkt für die Mehrheit der Summe der Fähigkeiten der Handwerker, fünf Punkte für die Einstellung eines Handwerkers aus jeder Zunft bzw. für das meiste Geld und die Punkte für die Wappensammlung.

GästeWährend man zu Beginn eher versucht, mit den Waren die Wappen der Zünfte zu bekommen, wird im weiteren Verlauf immer mehr Gewicht auf die Gäste gelegt. Sie erlauben es, gezielt sein Portfolio zu optimieren, wenn entsprechende Handwerker vorhanden sind. Aus der Konkurrenzsituation der Mitspieler um die knappen Waren und damit die Zunftmeister und Wappen auf der einen Seite und den Gästen auf der anderen, zieht Die Zünfte der Stadt seinen Reiz. Aber es macht einen krassen Unterschied, ob zu zweit oder zu fünft gespielt wird. Bei zwei Mitspielern stehen für die vier Handelsagenten drei Zünfte für Aktionen zur Verfügung, also viel zu wenig Möglichkeiten. Man glaubt viel zu viele Handelsagenten zu haben, bei sechs Zünften ist es genau umgekehrt. Bei der kleineren Mitspielerzahl bringt schon ein Handwerker drei Siegpunkte für den zweiten Platz und alle Wappen zu bekommen, ist überhaupt keine Schwierigkeit. Ganz anders bei vier Mitkonkurrenten. Da kommt es richtig auf Flexibilität in der Planung verbunden mit passendem Timing und natürlich auch ein bisschen Glück bei den Aktionen der anderen an. Zudem bleibt es spannend bis zum Schluss.

KarteDaher kann meine Empfehlung nur lauten, Die Zünfte der Stadt nie zu zweit oder dritt, sondern nur zu viert oder fünft zu spielen. In dieser Konstellation hat es mir wirklich gut gefallen. Ich kann meine Aktionen bestimmen, muss auf die Züge der Mitspieler reagieren, mit Geld haushalten und werde nicht gespielt. Dass das Spiel keine absolute Topwertung bekommt liegt daran, dass es sich zum Schluss doch etwas zieht. Zum einen hat man ja dann mehr Handelsagenten zur Verfügung, zum anderen brauchen einige für intensives Überdenken der Situation etwas länger, um einen vermeintlich optimalen Zug zu finden. (mw)

Steckbrief
Nürnberg – Die Zünfte der Stadt
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Andreas Steding White Goblin Games 2 - 5 Spieler ab 12 Jahre ca. 90 Minuten Joshua Cappel