Europa Tour

Vor vielen Jahren gab es einmal von Ravensburger ein Spiel namens Racko. Bei diesem Spiel erhielt jeder Spieler einen Ständer, in dem 10 Karten Platz fanden. Die Karten trugen Zahlen, in der gängigsten Ausgabe von 1 bis 60. Es galt, durch Aufnahme neuer Karten und Austausch mit bereits im Ständer befindlichen Karten seine Reihe aufsteigend zu gestalten.

Kartenständer mit 10 KartenDieses Spielprinzip bildet auch die Grundlage der Europa Tour. Wiederum erhält jeder Spieler einen Ständer, der Platz für 10 Karten bietet. Die Karten sind aus Pappe gestanzt und zeigen entweder ein europäisches Land, ein Flugzeug in einer von fünf möglichen Farben oder ein Schiff. Ziel des Spiels ist es, eine Rundreise durch Europa zusammen zu bekommen. Dazu muss der Spieler von Land zu Land Reisen. Es gibt drei Reisearten: haben zwei Länder eine gemeinsame Grenze, so kann man auf dem Landweg reisen. Eine Schiffsverbindung wird auf der mitgelieferten Europakarte durch eine gestrichelte Linie dargestellt. Zur Nutzung muss sich zwischen den beiden Ländern ein Schiff befinden. Für den Luftweg wurde jedes Land eingefärbt. Ein Flugzeug verbindet zwei Länder in seiner Farbe.

Zu Beginn erhält jeder Spieler verdeckt 10 Karten. Diese nimmt er einzeln auf und entscheidet, in welchen Kartenschlitz er sie stecken möchte. Der schnellste Spieler wird Startspieler. Für den weiteren Verlauf gibt es fünf offene Stapel, zunächst aus je einer Karte bestehend, sowie den verdeckten Reststapel. Kommt ein Spieler an die Reihe, nimmt er sich die oberste Karte eines der sechs Stapel. Er kann nun die neue Karte gegen eine bereits in seinem Ständer befindliche Karte austauschen. Die ausgetauschte Karte legt er dann offen auf einen der fünf offenen Stapel. Das Spiel endet, sobald ein Spieler eine Reiseroute zusammengestellt hat, wobei sie mit einem Land anfangen und enden muss.

Flugverbindung mit roten FlugzeugEuropa-Tour ist in seinem Spielvergnügen sehr stark von der Spielerzahl abhängig. Zu Zweit hat ein Spieler viel Einfluss und kommt schnell wieder an die Reihe. Auch kann er jede von Gegenspieler abgeworfene Karte bekommen. Als Folge ergibt sich ein schnelles, spaßiges Spiel, dass die angegebene halbe Stunde nicht benötigt, oftmals nicht einmal eine Viertelstunde. Zu dritt kommt ein neues Phänomen hinzu. Karten können an einem Spieler "vorbeigehen", indem der linke Nachbar sie abschmeißt und der rechte Nachbar sie zudeckt. Dies kommt vor, ist aber bei den wenigen ärgerlichen Malen gut erträglich. Dennoch erreicht Europa-Tour zu dritt nicht die Qualität, die es zu zweit hat. Zu viert wird dann das Spiel zäh. Notwendige Karten kommen oft nicht ins Spiel, weil ein Spieler sie behält oder sie werden zugedeckt, bevor sie einen erreichen. Besonders beliebt ist es hierbei, die zahlreichen Schiffe sichtbar zu lassen. So wird der Restkartenstapel durchaus mehrmals neu gemischt und gespielt, bevor einem Spieler die Bildung der Reiseroute gelingt. Da auch zwischen den Zügen der nunmehr drei Mitspieler keine größere Planung möglich ist, wirkt das Spiel länglich und kann auch die angegebenen 30 Minuten deutlich überschreiten.

Ein anderer Effekt verstärkt den Eindruck: gegen Ende sind meist nur wenige Karten brauchbar. Während man bei zwei Spielern schnell wieder an die Reihe kommt und erneut hoffen darf, das Richtige zu bekommen, werden die Runden zu viert subjektiv immer länger. Somit ist Europa-Tour nur für Spieler interessant, die es in kleiner Runde spielen wollen.

Farbvergleich Niederlande - NorwegenEine andere Sache ist jedoch viel ärgerlicher: die redaktionellen Schlampereien. Es ist statthaft, ja sogar im Sinne eines zügigen Spiels wünschenswert, wenn Europa ein wenig der Spielmechanik angepasst wird; dies umso mehr, als dass dies ausdrücklich in der Regel erwähnt wird. Man mag noch akzeptieren, dass das nach der Schweiz orientierte Liechtenstein zu Österreich gepackt wurde. Ärgerlicher ist da schon, dass die Karte nicht aktuell ist: Jugoslawien heißt heute "Serbien und Montenegro" und wenn von Großbritannien Schottland und Nordirland spieltechnisch abgespalten werden, sollte der Rest nicht weiterhin als Großbritannien, sondern als England und Wales bezeichnet werden. Diese geographischen Unzulänglichkeiten werden durch die Grafik der Europa-Karte und der Karten noch getoppt: die Fährverbindung von Deutschland nach Schweden besteht aus einem Strich, die von Estland nach Finnland aus noch viel weniger und die Striche bei Nordirland sind nicht eindeutig. Hinzu kommt die Farbe auf den Karten. Während sie auf der Europakarte gut unterscheidbar sind, gilt dies für Rot und Orange auf den Länderkarten nicht und das Grün der Niederlande und das Grün Norwegens sind deutlich anders. Der dreiteilige Hintergrund der Flugzeugkarten lässt die richtige Farbe dann auch nur erahnen und führt zu weiterer Verwirrung. Bei so vielen Mängeln frage ich mich, inwieweit diese Grafik wirklich getestet wurde.

Es gibt nicht viele Spiele, die zu zweit und zu dritt gut spielbar sind. Hier wurde die Chance auf solches Spiel durch schlechte redaktionelle Arbeit vertan. Einfach schade ... (wd)

Steckbrief
Europa Tour
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Alan R. Moon, Aaron Weissblum Schmidt 2 - 4 Spieler ab 8 Jahre ca. 30 Minuten Grafik Studio Krüger