Crystal PalaceCrystal Palace

Die erste Weltausstellung wurde am 1. Mai 1851 in London eröffnet. Für sie wurde eigens ein Gebäude errichtet: Der Kristallplast, englisch: Crystal Palace. Der Architekt Joseph Paxton verwendete Eisenträger statt tragender Mauern sowie großflächig Glas, das dem Gebäude zu seinem Namen verhalf. Nicht nur die Architektur, auch die Qualität der britischen Produkte war auf hohem Niveau und sollten auf der Weltausstellung ihren hohen Standard im Vergleich mit den Produkten der restlichen Welt zeigen.

Die Idee war erst zwei Jahre zuvor geboren worden. Genau dorthin begeben wir uns zurück: In das Jahr 1849. In fünf Runden spielen wir je ein halbes Jahr britischer Geschichte und übernehmen dabei die Rolle einer führenden Industrienation, die auf der Weltausstellung präsent sein wird.
Natürlich dreht sich in der viktorianischen Zeit alles um Erfindungen und die mit ihnen verbundenen Erfinder. Wir treffen die Erfinder im Reform Club und erhalten Patente natürlich im Patent Office. Meist werden sie mit Zahnrädern, die Technik repräsentieren, und Glühbirnen, die für Ideen stehen, bezahlt. Wir erhalten sie an den Verkehrsknotenpunkten Port of London und Waterloo Station.

Jetzt kennen wir bereits vier der acht Orte in London, an denen unser Geschehen spielt. Wir besitzen Würfel, die Mittelsmänner darstellen und die wir an die Orte schicken. Zuvor haben wir die Würfel auf die Augenzahlen gedreht, die wir gern hätten. Manche Felder verlangen eine Mindestzahl und bei der Auswertung sind hohe Zahlen früher an der Reihe. Von daher sind hohe Zahlen wünschenswert. Jedes Würfelauge ist jedoch mit einem englischen Pfund zu bezahlen, und die zerrinnen zwischen den Fingern. Damit sind wir bei der wirtschaftlichen Seite der Weltausstellung.
Geld ist knapp bemessen, doch angesichts des großen Ereignisses sind die Banken großzügig und gewähren immerwährend Kredit, und zwar jedes Mal exakt zehn Pfund. Es muss nicht einmal zurückgezahlt werden, sondern verringert die Siegpunkte erheblich. Wer dennoch genügend wirtschaftlich gehandelt hat, kann dies tun und halbiert in etwa den Siegpunkt-Verlust.

Die Wirtschaft ist stark durch Aktien geprägt, die wir in der Bank of London erwerben. Sie schütten regelmäßig Dividende aus, verlieren dabei jedoch ständig an Wert. Einmalige Unterstützungen und kleine dauerhafte Einkünfte lassen sich im Britischen Museum besorgen, während in Westminister der politische Einfluss geltend gemacht wird. Der wiederum senkt die Gehaltsvorstellungen von Erfindern. Der letzte Ort ist die London Times, mit deren Hilfe wir für unsere Nation werben können. Die Buzzleiste, auf der unsere Marketingaktivitäten festgehalten werden, hält besondere Belohnungen bereit sowie regelmäßig kleine Mengen an Siegpunkten.
Abgerundet wird London mit einem Schwarzmarkt, zu dem wir uns mit besonders hohen Würfeln und etwas Geld Zugang verschaffen. Auf ihm erhalten wir eine Vielzahl nützlicher Dinge. Sind die Spieler allerdings dort zu aktiv, kommen die Bobbies und schließen den Schwarzmarkt.

Meine Rundfahrt durch London gibt, ähnlich einer Sightseeing-Tour, nur einen Überblick. Vergessen zu erwähnen habe ich zum Beispiel Zeitungen, die eine Tauschwährung sind und das jede Nation ihre eigene Möglichkeit hat, ein paar zusätzliche Siegpunkte zu bekommen. Auf ihre ganz besondere Art schlagen die Nationen den Spielern ein Vorgehen vor und vermeiden so eingefahrene Strategien.
London, die Viktorianische Zeit, die Erfindungen, die Weltausstellung und der Crystal Palace bilden einen schönen Hintergrund für ein Spiel. Sie lassen die komplexen, stark verzahnten Strukturen plausible erscheinen und führen so den Spieler in eine eigene Welt. Auch wenn ich mit meinen Gedanken nur geringfügig in London war, dachte ich schon in Aktien, Glühbirnen und Zahnrädern sowie Patenten und Projekten, wie die fertiggestellten Erfindungen heißen.
Die Komplexität liegt nicht allein in Spiel, sondern weitgehend in der Interaktion. Zum einen laufen niedrige Würfel Gefahr, an ihrem Ort nicht zum Zuge zu kommen. Es geschieht nur selten, denn oft hindert eine zusätzliche Zahlungspflicht daran, sich an einen Ort zu begeben, der bereits recht voll ist. Zum anderen sind die Erträge an den meisten Orten unterschiedlich. Sehr deutlich wird dies bei Erfindern und Erfindungen, die jeweils nur einmal verfügbar sind. Ein anderes Beispiel ist Waterloo Station. Ich bekomme dort eine Glühbirne und eine zweite Sache, für die ich eventuell früh wählen können möchte. Wer seine Mitspieler gut einschätzt, kann auch mit wenigen Würfelaugen an seinen Lieblingsertrag gelangen. Das Spiel erfordert hohe Konzentration; dies umso mehr, wenn in größerer Runde gespielt wird, weil dann mehr Spieler zu beobachten sind. London hingegen nimmt ein Mehr an Spielern gelassen auf, weil die Orte mit der Spielerzahl wachsen.

Das Spiel ist zu umfangreich, um sämtliche Möglichkeiten in einem Spiel auszuschöpfen. Die Konzentration auf wenige essenzielle Dinge definiert den strategischen Anteil. Das situationsbedingte Handeln sowie der marginale Zufallsfaktor, der Partien immer wieder anders gestaltet, stellen die taktische Herausforderung. Es ist eine gesunde Mischung, die den Spielern das Heft in die Hand gibt, und fortwährend am Geschehen teilhaben lassen. Allein schon die Kredite lösen Emotionen aus, weil sie unerwünscht sind. Dabei hindern selbst mehrere von ihnen nicht am Spielsieg.
Konstruktiv und interaktiv, strategisch und taktisch, komplex und doch beherrschbar, andersartig und dennoch wohlbekannt, unterhaltsam und anstrengend, so präsentiert sich Crystal Palace. Wer ein Schwergewicht sucht, bei den es viele Strategien zu entdecken gibt, liegt hier genau richtig.
In der ersten Partie habe ich es kennen gelernt. Ab der zweiten Partie habe ich die Spiele genossen und kann es somit wärmstens empfehlen. (wd)

Steckbrief
Crystal Palace
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Carsten Lauber Feuerland 2 - 5 Spieler ab 14 Jahre 90 - 150 Minuten Andrea Alemanno