Die GlasstraßeDie Glasstraße

Mit seinem neuen Spiel Die Glasstraße erinnert Uwe Rosenberg an die große Tradition der Glas- und Ziegelherstellung im Bayrischen Wald von der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert. Heute ist die Glasstraße eine Touristenattraktion, die an verschiedene historische Orte der Glasproduktion führt, die in der Gegenwart nur noch von wenigen betrieben wird. Die Geschichte dieses Kunsthandwerks ist die thematische Vorlage für bei diesem Autor bereits bekannten Produktions- und Umwandlungsketten sowie für eine Vielzahl von Gebäuden, die die Spieler während einer Partie auf ihren Landschaftsplänen errichten können. Bedeutet dies etwa, dass hier Altbekanntes in neuer Einkleidung geboten wird? Wir wollen sehen! Ziel des Spiels ist, in vier Runden (Bauperioden) durch geschickte Verwertung von Rohstoffen, Glas und Ziegeln und mit Hilfe versierter Fachkräfte möglichst siegpunktträchtige Bauten zu errichten. Dazu muss man zunächst auf seinem Landschaftsplan Platz schaffen, da dort noch Wald, Sandmulden und Gehölz in Form von Plättchen ausliegen.

ProduktionsräderWas Die Glasstraße von vergleichbaren Spielen unterscheidet, sind zwei originelle Mechanismen, die durch ein Produktionstableau und 15 Personenkarten pro Spieler getragen werden. Auf dem Produktionstableau, einer Weiterentwicklung des Ertragsrads von Ora et labora, halten die Spieler die Menge ihrer Rohstoffe nach. Während eines der beiden Räder auf dem Tableau der Herstellung des Glases dient, geht es im unteren um die Produktion von Ziegeln. Durch das Vermehren einzelner Rohstoffe wandern die Warenmarker auf dem Tableau immer weiter, bis sich vor den Zeigern leere Felder ergeben, die sofort zu einer Drehung des Rades im Uhrzeigersinn und somit neuen, reduzierten Werten führen. Auf diese Weise erhält man aus den Rohstoffen im Laufe des Spiels automatisch Glas und Ziegel, die man für den Gebäudebau benötigt. Es gibt drei Sorten Gebäude: solche, mit denen man Siegpunkte generiert, solche, die einem die Umwandlung von Rohstoffen ermöglichen, und schließlich solche, die einen sofortigen Effekt haben. Die Spieler beginnen mit drei Startgebäuden.

PersonenWie kommt man überhaupt zu den Gebäuden und zu den Rohstoffen, zu denen auch Nahrung gezählt wird? Das führt uns zu den Personenkarten, mit denen die Spieler ihre Aktionen steuern (Produktion, Landschafts- und Gebäudebau). Hier reaktiviert Rosenberg einen Mechanismus, den er bereits in Wir sind schwanger (2005) verwendet hat. Die Karten bieten jeweils zwei Funktionen, die Spieler in beliebiger Reihenfolge nutzen können, bei manchen müssen sie dazu allerdings zuvor sog. Eingangskosten tragen. Zu Beginn jeder "Bauperiode" suchen sie fünf aus den 15 vorhandenen Karten aus, um sie in drei Kartenrunden möglichst effektiv auszuspielen. Dabei gilt es, sowohl die eigenen Bedürfnisse zu berücksichtigen als auch Trittbrettfahrer bei den Aktionen der anderen zu sein. Dreimal in einer Runde legen alle verdeckt eine Karte aus, die dann reihum beginnend mit dem Startspieler aufgedeckt und ausgeführt wird. Haben die Mitspieler dieselbe gerade ausgespielte Karte noch auf der Hand, reduziert sich für den aktiven Spieler der Aktionsradius (eine statt zwei Funktionen nutzen), während der Konkurrent die Karte zusätzlich ausspielt und ebenfalls eine der beiden gebotenen Aktionen wählen darf. Dies ist für jeden Spieler bis zu zweimal möglich, sodass man im Idealfall in einer "Bauperiode" fünf Karten nutzen kann. Während seiner Aktionen kann man darüber hinaus jederzeit Landschaftsplättchen von seinem Landschaftstableau entfernen (mit Ausnahme der Waldplättchen, die nur über bestimmte Karten abgeräumt werden können) oder die Möglichkeiten bereits gebauter Umwandlungsgebäude nutzen.

SchultheissDas Spiel geht nach der vierten Bauperiode und 12 Kartenrunden zu Ende, nach der Schlussabrechnung der Gebäude ist der Sieger bestimmt. In Bezug auf die erreichbaren Siegpunkte sollte man nicht zu viel erwarten, nicht ohne Grund sind laut Regel im Solospiel 30 Punkte ein "überragendes Ergebnis". Wer länger spielen möchte, kann die Rundenzahl auf fünf erhöhen. Zugleich bietet Die Glasstraße Soloregeln, die gut funktionieren und sich besonders zum Kennenlernen der einzelnen Gebäude und ihrer Kombinationsmöglichkeiten eignen. Für die ersten Partien empfiehlt die Regel sinnvollerweise eine kleinere Gebäudeauslage mit ausgewählten Bauten. In Spielen zu zweit erhöht sich die direkte Interaktion, wobei die beiden Kontrahenten ihre Karten nicht verdeckt, sondern abwechselnd offen auslegen.

AuslageDie Glasstraße ist ein geradliniges Spiel, das über die optimale Kartenausnutzung sowie über die unterschiedlichen Gebäude und ihre Vorteile seine Würze gewinnt. Sehr wichtig sind z. B. die Umwandlungsgebäude, da mit ihnen auch aus begrenzten Rohstoffvorräten immer etwas Sinnvolles gemacht werden kann. Auch die Drehung des Rades sollte in die Überlegungen einbezogen werden, denn durch die automatische Produktion von Glas und Ziegeln werden wichtige Rohstoffe wie Holz oder Lehm eventuell reduziert. Indem man die beiden Kartenfunktionen in beliebiger Reihenfolge durchführen kann, lässt sich die Ausbeute bei der Produktion geschickt steigern. Ebenso laden auch die Landschaftstypen dazu ein, die eigene Auslage durch gezieltes Entfernen oder Platzieren zu optimieren. Die grundsätzlich eingängigen Aktionsmöglichkeiten werden in einem fast schon zu ausführlichen Regelwerk erklärt, das viel Selbstverständliches langwierig erläutert. Dafür erlaubt ein Anhang einen guten Überblick über die Personen und Gebäude.

Gebäude für die UmwandlungMit Die Glasstraße legt der Verlag von "Terra Mystica" (Deutscher Spielepreis 2013) ein Spiel vor, das bewusst nicht so komplex ist wie der Vorjahrestitel und bei dem das Produzieren und Umwandeln übersichtlich gehalten sind. Auch die Kürze der Partien weist in diese Richtung. Das alles ist paradoxerweise um den Preis erkauft, dass der Funke nicht auf Anhieb überspringen will. Zum einen liegt das an den vielen Gebäuden, deren Funktionen und Möglichkeiten man kaum überblicken kann und deren Zusammenspiel sich nicht jedem auf den ersten Blick erschließt. Hinzu kommt, dass nur ein Bruchteil dieser Bauten in einer Partie zur Verfügung stehen, sodass sich das gezielte Spielen auf bestimmte Kombinationen als unmöglich erweist und eher taktisches Fingerspitzengefühl gefragt ist. Ähnliches trifft auf das Ausspielen der Karten zu: Nicht immer möchte oder kann ein Spieler ermessen, welche Karten seine Konkurrenten wohl spielen. Je mehr Zeit man auf die Auswahl der Karten verwendet, desto höher ist die Frustration, wenn es anders als gedacht läuft. Häufiger geht solches Kalkül dahingegen in Spielen zu zweit auf, da man sich hier natürlich besser auf seinen Gegner konzentrieren kann.

Gebäude mit Einmaleffekt bzw. für SiegpunkteMan muss Glasstraße ein wenig Zeit geben: Es dauert eine Weile, bis sich der für viele Rosenberg-Titel typische, das Spielerherz erfreuende Flow einstellt. Das ist dann der Fall, wenn man zumindest im Ansatz einen Überblick über die Kartenfunktionen und die unzähligen Gebäude gewonnen hat, um die Maschinerie des Rohstoffumwandelns nach Maßgabe der vorhandenen Möglichkeiten effektiv in Gang setzen zu können.
Die Glasstraße hat in meinen Testrunden zu unterschiedlichen Reaktionen geführt, die stark davon abhängen, wie die einzelnen Spielertypen Zugang zum zunächst spröde erscheinenden Spieldesign finden. Mitspieler, die sich langsam entwickelnde Aufbauspiele mit klarer strategischer Komponente bevorzugen, sind häufig nur bedingt zu weiteren Partien zu bewegen, anderen war der Gegensatz von Materialflut und wirklichen Spielentscheidungen zu groß. Für diejenigen aber, die nur selten Zeit für abendfüllende Schwergewichte wie Ora et labora oder Caverna finden oder diese gar wegen ihrer Denklastigkeit als Arbeit empfinden, ist die erfrischende Kürze und der Abwechslungsreichtum ein großer Pluspunkt. Für mich persönlich ist das Spiel ein durchaus interessanter Vertreter der ‚Produktionsspiele' aus der Feder Rosenbergs mit neuen Ansätzen. Damit ist bewiesen, dass Die Glasstraße nicht nur eine bloße Wiederholung des Altbekannten darstellt. Für eine Spitzennote reicht es dennoch nicht, weil die Spielidee nur dann völlig trägt, wenn alle Beteiligten Kenner der Karten und Gebäude sind, doch dazu kommt es wegen der erwähnten Vorbehalte wahrlich nicht oft.(thb)

Steckbrief
Die Glasstraße
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Uwe Rosenberg Feuerland 1 - 4 Spieler ab 12 Jahre 20 - 80 Minuten Dennis Lohausen