Francis DrakeFrancis Drake

Mit 37x27x10 cm in der Abmessung und einem Kampfgewicht von knapp drei Kilogramm ist mit Francis Drake ein echtes Dickschiff in unserem Hafen gelandet. Noch dazu ist es exquisit ausgestattet mit großformatigem Spielplan, modellierten Kunststoffschiffen, funkelnden Glassteinen und dazugehörigen zusammengesteckten Schatzkästchen statt störender und ständig umstürzender Sichtschirme. Können der Service und die Abläufe an Bord da mithalten?

Logbuch der ElisabthZiel eines jeden der (regulär) drei bis fünf Spieler ist es, als derjenige Freibeuter in Diensten Ihrer Majestät der Queen das Spiel zu beenden, der in drei Beutezügen in Neuspanien die reichste Beute mit nach Hause gebracht hat. Unterteilt ist das Ganze in drei Etappen, sogenannte Reisen, die man unternimmt, welche sich wiederum in jeweils zwei Phasen gliedern. Die erste Phase findet in Plymouth statt, wo wir uns Ausrüstung, Proviant und Personal für die anstehende Reise beschaffen. Abgehandelt wird dies über sogenannte Ortsplättchen, welche die Hafenstraße zum Ablegekai bilden. Auf jedem sind ein bis drei Einsetzfelder mit unterschiedlich hohen Erträgen oder die Hilfe einer einflussreichen Person zu finden. Der Kniff hierbei ist, dass man sich auf der Straße stets nur vorwärts "bewegen"darf, d.h. immer nur in vor dem vordersten eigenen Stein gelegene Orte. Dies führt zu schönen Zwickmühlen, ob man nun vorprescht und bspw. die drei Proviant, die man ja unbedingt braucht, schon mal sichert, dafür aber in Kauf nimmt, etwas anderes nicht zu bekommen, was man gerne mitgenommen hätte. So entfaltet sich in geeigneter Runde in Plymouth ein hübsches Spiel des gegenseitigen Lockens, Überraschens und Unter-Druck-Setzens.
Ausschnitt auf deR HafenstraßeIn der sich anschließenden Segelphase reisen Schnellentschlossene früher, d.h. wer seinen Sammelwahn in Plymouth als erstes beendet, darf auch als erster abreisen, der zweite als zweites und so weiter. In der Segelphase nun unternehmen wir Überfälle auf verschiedene Orte, die in vier Zonen unterteilt sind. Der gesammelte Proviant entscheidet, bis in welche Zone man höchstens segeln darf. Für die Überfälle muss man verschiedene Ressourcen abgeben können: Städte erfordern nur je einen Mannschaftswürfel, Forts deren zwei bis vier (an jedem Fort liegt ein verdecktes Plättchen mit 0, einem oder zwei Soldaten), sowie Kanonen. Spanische Galeonen erfordern, dass man sich in Plymouth selbst mit einer Galeone gewappnet hat und eine ausreichende Menge Kanonen abgeben kann; auf Handelsinseln möge man Handelswaren zum Tauschen mitbringen.
Dies alles wird in Reihenfolge von zu Beginn der Segelphase von den Spielern in mehreren Setzrunden verdeckt gelegten Holzscheiben von eins bis vier abgehandelt, bei Gleichstand entscheidet der Zeitpunkt der Abreise. Jeder Ort kann jedoch nur zweimal überfallen werden, wobei der erste erfolgreiche Angreifer Siegpunkte plus Gold, Silber oder Edelsteine (Wert 3, 4 und 5 Siegpunkte) erhält, der zweite nur die Siegpunkte. Alle weiteren potentiellen Angreifer gehen leer aus. Wir haben hier also ein Zocken und Bluffen auf "Überfallsrechte".

SeefahrtLeider fühlt sich die Phase der Auswertung so nüchtern an, wie das letztgenannte Wort suggeriert, ein wenig wie Nummern aufrufen und abhandeln im Finanzamt. Hinzu kommt, dass die Segelphase, bis auf die Stärke der Galeonen und die Soldatenbesatzung der Forts, in allen drei Etappen identisch aufgebaut sind - hier hätte man sich mehr Varianz gewünscht, was aber wahrscheinlich zu Lasten der Ausgewogenheit hätte gehen können. In Plymouth hingegen kann man vor der zweiten und dritten Etappe die Ortsplättchen zufällig auslegen, was zu interessanten Konstellationen führen kann. Außerdem entschädigt der hohe Grad an Interaktion für die genannten Schwächen: Beobachten, Vermuten, sich Irren, Triumphieren -all das wird geboten, vorausgesetzt, man ist bereit, etwas Konzentrationsarbeit zu leisten und sorgfältig abzuwägen, was man braucht und was nicht und was die Mitspieler noch gebrauchen könnten. Schade nur, dass ein verwehrter Überfall einen doch arg bitteren Rückschlag in der Punkteleiste mit sich bringen kann (bis zu 19 Punkte gegenüber einem geglückten). So hat man schnell erkannt, dass es zu gefährlich ist, bei einem Überfall zu pokern, d.h. zu hoffen, dass die eigenen Ressourcen ausreichen, um auch die verdeckt geforderten abzudecken. Nein, man geht auf Nummer sicher und überfällt nur noch dort, wo man rein rechnerisch definitiv auf der sicheren Seite ist und nur von den Mitspielern ausgestochen werden kann.

SchätzeZwei Dinge hätte ich persönlich mir bei Francis Drake gewünscht: Mehr Varianz und eine - wie auch immer geartete - Abfederung für missglückte Überfälle. Dann hätte sich das Ganze wohl mehr nach Abenteuer und Freibeutertum angefühlt und es wäre vielleicht ein echtes Klassespiel daraus geworden. So bleibt festzustellen, dass Francis Drake ein hervorragend funktionierendes, spielerisch jedoch etwas nüchternes Konstrukt ist, welches von der Emotionalität und der "Schärfe" seiner Spielrunde belebt werden muss. Da ich stets eine solche als Gegner hatte und sie, teilweise schon in deren erster Partie, richtig stark gespielt haben, war Francis Drake bisher immer ein schönes Spielerlebnis und ist nach wie vor reizvoll für mich - weitere Partien können gerne folgen! (fd)

P.S.: Die kommende Auflage wird eine Zweispielerversion enthalten. Diese basiert auf der Entwicklung eines Fans, welche vom Autor getestet und für sehr gut befunden wurde, weswegen die Änderungen in der fertigen Version marginal sein werden. Sie verwendet den Zweispieler-Würfelmechanismus aus Glen More (Alea). Da die abschließende Version noch nicht verfügbar ist, habe ich von einem "offiziellen" Test abgesehen. Die Fan-Version ist auf boardgamegeek.com nachzulesen - allerdings auf englisch.

Steckbrief
Francis Drake
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Peter Hawes Huch & Friends 3 - 5 Spieler ab 14 Jahre 90 - 120 Minuten Franz Vohwinkel