Magister NavisMagister Navis

Es ist mir immer eine Freude, Spiele aus dem inzwischen nicht mehr ganz so kleinen Verlag Lookout Games zu rezensieren. Die Spiele sind alle liebevoll mit viel Herzblut gemacht und spielerisch meist etwas Besonderes. Genau das kann ich auch von Magister Navis behaupten, das ein Highlight des letzten Winters ist und sicherlich beim Deutschen Spielepreis einen vorderen Platz belegen wird. Womit ich nicht sagen will, dass es nur was für Spielefreaks ist.
Magister Navis ist die deutsche Ausgabe von Endeavour, erschienen bei Z-Man Games. Wurden bisher die Spiele von Lookout bei Z-Man für den englischsprachigen Markt veröffentlicht, hat Magister Navis erstmals den umgekehrten Weg genommen. Warum auch nicht, wenn es doch gut ist.
Endeavour übrigens war der Name des Schiffes mit dem der Seefahrer James Cook im 18. Jahrhundert seine erste Entdeckungsreise machte. Und darum geht es auch im Spiel, durch Erforschungen und Handel den größten Ruhm für das eigene Reich zu erlangen.

SpielplanDer Spielplan von Magister Navis zeigt sieben Regionen, die erforscht werden wollen. Einzig Europa mit dem Mittelmeerraum gilt bereits als erschlossen, dort kann schon mit der Besiedlung begonnen werden. Alle anderen Regionen müssen zunächst noch durch Schifffahrt erschlossen werden. Aber der Reihe nach.

Zu Beginn werden alle Städte, Verbindungslinien und Schifffahrtsroutenpunkte mit Handelsmarken belegt, immerhin 95 Stück. Handelsmarken gibt es in vier Kategorien, Industrie, Kultur, Finanzen und Politik. Die entsprechenden Symbole finden sich aber nicht nur dort, sondern auch auf Gebäuden oder erworbenen Regionenkarten, die es beim Ausbeuten der erschlossenen Regionen gibt (dazu später mehr). Je erhaltenem Symbol rückt man ein Feld in der entsprechenden Reihe auf dem Spielertableau nach vorne. Dort zeigen sie aber nicht nur die jeweiligen Siegpunkte an, sondern auch die Auswirkungen auf die zu spielenden Runden.
Je mehr Kultur, desto mehr Bevölkerung will kommen. Mit guten Finanzen kann man viele davon bezahlen. Je mehr Industrie, desto bessere, stärkere Gebäude können gebaut werden. Und eine angemessene Politik schließlich erlaubt viele Regionenkarten.

SklaveEine Runde ist immer in vier Phasen unterteilt.
Zunächst wird ein Gebäude gebaut. Das kann eine Aktion bringen (s. u.) oder nur Symbole oder auch beides. Ein Standardzug am Anfang wäre, die Werkstatt zu bauen (Einergebäude), damit zwei Industriesymbole zu bekommen, um dann in der nächsten Runde ein Zweiergebäude bauen zu dürfen. Phase 2 bringt Bevölkerungssteine abhängig vom Kulturstatus. In Phase 3 wird Lohn gezahlt, d.h. Bevölkerungssteine, die aus vorherigen Runden noch in Gebäuden liegen, weil sie dort Aktionen durchgeführt haben, werden ausgelöst. Man sieht schon. Keine ordentlichen Finanzen, nur wenig Lohn, Aktionen können nicht genutzt werden. Dann können die Finanzen vielleicht nicht aufgebessert werden. Ein Teufelskreis. Damit habe ich der Phase 4 schon etwas vorgegriffen, den Aktionen. Bestimmte Gebäude lassen bestimmte Aktionen zu. So gibt die Residenz, die jeder schon zu Beginn besitzt, die Möglichkeit eine Stadt zu besiedeln, d. h. die dortige Handelsmarke zu bekommen und damit den Ruhm zu mehren. Eine weitere Aktion wäre Schifffahrt, um eine Route zu erforschen (Handelsmarke) oder eine Region auszubeuten (die dritte Aktion), wobei es eine Regionenkarte gibt. Zunächst immer nur die mit der kleinsten Nummer und somit die schwächste. Maximal entsprechend der in der Region durch Schifffahrt befindlichen Steine. Schon wieder ein Dilemma. Engagiere ich mich dick in einer Region, kann ich zwar dort die hohen Karten abgreifen (die hauptsächlich jedoch nur in einer Kategorie punkten), aber in anderen Regionen bin ich dann ziemlich außen vor. Das ist aber auch wieder nicht wünschenswert.

SpielplanJetzt erkennt man schon, dass man insgesamt sehr ausgewogen vorgehen muss. Das macht einen großen Reiz aus und in der nächsten Partie macht man sicherlich alles besser und richtiger. Was nützt es, viele Bevölkerungssteine zu bekommen, aber keine vernünftigen Gebäude mit Aktionen zu haben, um sie einsetzen zu können. Was bringen viele Schiffahrtaktionen, wenn die Regionen nicht umfassend ausgebeutet werden dürfen, weil die Politik versagt hat. Usw. usw. Zwei, nein drei Besonderheiten will ich noch erwähnen. Nicht alle Handelsmarken zeigen Symbole, manche auch Aktionen. Diese Marken sind nicht uninteressant und werden gerne genommen, braucht man dann für die Aktion doch kein Gebäude. Die meisten Städte sind mit einer anderen verbunden. Auch auf der Verbindung liegt eine Handelsmarke, den man bekommt, wenn man beide Städte in Besitz nimmt. Ein kleiner, nicht zu unterschätzenden Bonus. Und schließlich. Für jede Stadt und jede Verbindung okkupierte Verbindung gibt es am Ende auch noch einen Siegpunkt. Da mag eine weitere mögliche Aktion helfen, der Angriff auf eine Stadt. Ein solcher ist zwar immer erfolgreich, aber teuer was die Bevölkerung angeht. Andere Aktionen, insbesondere in kleiner Runde könnten mehr einbringen. Mit Krieg gewinnt man dieses Spiel nicht.

Wer nach all dem jetzt ein lang andauerndes, strategisch anzulegendes, langatmiges Spiel erwartet, den muss ich leider enttäuschen. Insgesamt werden nur sieben Runden absolviert, nach einer guten Stunde, vielleicht anderthalb, kann man sich an die nächste Partie machen. Die ersten drei Phasen sind schnell (parallel) abgehandelt, nur die vierte dauert länger. Aber nicht so, dass man nach dem Zug erst mal fünf Minuten Pause hätte, nein, man bleibt ständig im Geschehen. Auch psychologisch kann Magister Navis punkten, denn man entwickelt sich ja ständig weiter, der eine in der Kategorie, der andere in einer anderen Richtung, aber das eigene Reich wird immer besser. Man hat nie das Gefühl, dass sich nichts tut. Ebenso wie das eigene Reich entwickelt sich auch eine Partie eher langsam. Nach vier Runden könnte man den Eindruck haben, dass noch kaum was passiert ist und das Brett nie mehr voll wird, aber dann nimmt es rasant an Fahrt auf. Kein Glücksfaktor stört das Spiel, alle Gebäude, alle Handelsmarken, alle Punktestände sind offen, dennoch bleibt es bis zur Auszählung der Siegpunkte spannend. In der Regel ist die Siegpunktspanne zwischen den Spielern nicht groß.

Magister Navis begeistert durch seine einfache Strukturen und eine Menge kleiner Feinheiten ohne unnötigen Ballast. Durch die zufällige Verteilung der Handelsmarken zu Beginn ergeben sich immer wieder neue Herausforderungen. Leider, und das muss ich kritisieren, sind keine Ersatzmarken dem Spiel beigelegt. Und so ein kleines, rundes Scheibchen ist mal schnell verlorengegangen. Doch wieder zurück zum Positiven. Magister Navis bietet den Spielern vielfältige Optionen an. Diese unter den jeweiligen Startbedingungen, ohne Glücksfaktor und angepasst an die Aktionen der Spieler zu optimieren, dabei die Fortschritte und vor allem Defizite in den einzelnen Kategorien geschickt auszubalancieren, darin liegt der große Reiz des Spiels.
Das sind die Spiele wie ich sie mag. Dabei sind aber die Regeln oder der Spielablauf nicht so kompliziert, dass nicht auch Familienspieler daran ihre Freude haben können. Mit Magister Navis haben die Autoren ein rundum gelungenes Spiel vorgelegt und den Machern bei Lookout ist nur zu gratulieren, diese Perle in deutscher Fassung verfügbar gemacht zu haben. (mw)

Steckbrief
Magister Navis
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Carl de Visser, Jarratt Gray Lookout Spiele 3 - 5 Spieler ab 12 Jahre ca. 90 Minuten Joshua Cappel