ViceroyViceroy

Es waren einmal vier Vizekönige. Die stritten darum, wer denn die größte Macht im Reich ausüben könne und rangen daher um die Unterstützung zahlreicher bedeutender Persönlichkeiten. Ihre Macht erlaubte ihnen jedoch nicht, diese dazu zu zwingen. Vielmehr mussten die Könige zweiter Klasse sich die Dienste des gehobenen Pöbels teuer erkaufen. Und dies, bitteschön, auch noch in der gewünschten Währung!

Okay, die Hintergrundgeschichte von Viceroy macht nicht viel Sinn, aber die toll gezeichneten Charaktere rechtfertigen ihre Existenz. Diese bevölkern nach und nach die persönliche Pyramide der Macht. Genauer gesagt, bis zu drei in jeder der zwölf Runden - es werden jedoch deutlich weniger. Grund hierfür ist, dass das Ausspielen der Charakterkarten bezahlt sein will. Je höher die Stufe der Pyramide, in welche ich sie einbaue, desto mehr Edelsteine muss ich dafür löhnen.
Die farbliche Zusammenstellung ist dabei nicht beliebig, sondern wird von der Karte klar vorgegeben. Analog zur Tiefe des Griffes in die eigene Schatulle, gestaltet sich die Attraktivität der Belohnung - zumindest anfangs. Später im Spiel, wenn sich herauskristallisiert hat, welchen Weg zum Erfolg man beschreiten möchte, kann es sein, dass eine Belohnung der niedrigeren Stufe sich als gewinnbringender anbietet. Ebenfalls beachtenswert sind die Kreisflächen: In den oberen Ecken der Karten befinden sich Viertelkreise, am unteren Rand ein Halbkreis in einer der vier Edelsteinfarben. Schaffe ich es nun, Karten so neben- und übereinanderzubauen, dass sie einen einfarbigen Kreis ergeben, erhalte ich sofort einen Edelstein der jeweiligen Farbe. Hinzu kommen in der Schlusswertung Siegpunkte analog zur Position der oberen Kreishälfte in der Pyramide (also zwei bis fünf).

Die Beschreibung dieses gestaffelten Kosten- und Belohnungssystems in Verbindung mit dem "Farbkreispuzzle" war es, die mein Interesse für Viceroy entflammt hat. Ich witterte schöne Dilemmas bei der Frage, eine Karte als Fundament für die niedrigeren Baustufen zu nutzen oder auf die attraktiveren höheren Belohnungen zu schielen. Bis zur "Halbzeit" des Spieles geht das auch auf. Dann jedoch haben die Mitwirkenden in der Regel ihr Startkontingent an Karten verbaut. Nun ist der Verlauf meistens: Eine Karte ersteigern und diese Karte einbauen oder: keine Karte ersteigern und die als Entschädigung erhaltenen Edelsteine verwenden, um den Einbau einer in der vorherigen Runde ersteigerten Karte zu finanzieren (den ich mir in der vorangegangen Runde nicht leisten konnte).
Wirklich spannend ist das Ganze dann nicht mehr. Eher frustig, ob des Mangels an Möglichkeiten, gezielt zu steuern. Warum ich dann nicht mehrere Karten auf einmal ersteigere? Weil in jeder Runde nur eine ersteigert werden darf! Doch werfen wir einfach einen genaueren Blick darauf:
Zunächst einmal handelt es sich nicht wirklich um eine Versteigerung. Eigentlich ist es nur eine Abfrage, wer welche Karte haben möchte. Vier werden zu Rundenbeginn aufgedeckt, jeder ist einer der vier Edelsteinfarben zugeordnet. Jeder bietet nun in seiner geschlossenen Faust genau einen Edelstein der Farbe, deren Karte er haben möchte. Wer nicht mitbieten möchte, lässt die Faust einfach leer. Haben nun zwei oder mehr Spieler dieselbe Farbe geboten, können sie ihr Gebot mitnichten erhöhen. Ihre Edelsteine sind futsch und sie bekommen bis zu zwei weitere Chancen, auf unterschiedliche Karten zu bieten. Bewerben sie sich stur immer weiter um dieselbe Karte gehen sie leer aus und bekommen, ebenso wie die Spieler die nicht mitgeboten haben, drei Edelsteine aus dem Vorrat als Entschädigung. Damit das Ganze nun nicht in sinnloses Edelsteinverheizen mündet - welches bei eine Viererrunde sonst quasi vorprogrammiert wäre - sieht das Spiel vor, dass man vor der Versteigerung miteinander verhandeln darf, wer auf welche Karte bietet. Da wir uns jedoch in einem Königreich voll intriganter Vizekönige befinden, sind wir an unsere Abmachungen nicht gebunden - oder anders ausgedrückt: dürfen lügen wie gedruckt. Diplomacy-Spieler werden jetzt vermutlich einen wohligen Schauer verspürt haben. Ich bin keiner, und leider hat sich auch eine geplante Runde mit Exemplaren dieser Spielergattung kurzfristig zerschlagen. Deren Meinung und die Art, wie sich die Verhandlungen und Intrigenspiele dann gestaltet hätte, wäre spannend gewesen. Bei uns wurde alles brav abgesprochen, denn niemand wollte freiwillig den ertraglosen Verlust eines seiner wertvollen Edelsteine riskieren. In der passenden Runde mag die Art der Versteigerung große (wenn auch eher destruktive) Dynamik entwickeln - bei uns wirkte das Ganze eher wie lasches, leider notwendiges, Beiwerk.

Pyramide

Ein weiteres Ärgernis sind die Gesetzeskarten. Hiervon erhält man zu Beginn drei Stück, weitere kann man nur erhalten, wenn man sie als Belohnung beim Karteneinbau erhält. Sie enthalten Sofortbelohnungen, Spielvorteile oder Siegpunktbedingungen für die Schlusswertung. Leider sind die Karten schlicht unausgewogen. Sollte das Absicht sein: Nein, liebe Entwickler, es macht keinen Spaß, wenn jemand bei Endständen um die 100 - 150 Punkte 20 Siegpunkte erhält, weil er die passende Karte gezogen hat! 20 kostenlose Siegpunkte wohlgemerkt, denn der Einbau der Gesetzeskarten ist gratis.

Ich sprach eingangs über die wunderschön gezeichneten Charaktere. Sie gehen im Spiel bedauerlicherweise unter, da sie in keiner Form mit den von ihnen dargebotenen Belohnungen korrespondieren. So nimmt man schlicht nur die bedeutsamen Fakten, nämlich Kosten und Belohnungen wahr, was Viceroy zu einer sehr technischen Angelegenheit macht. Zudem wird einem auch der Einstieg alles andere als leicht gemacht. Eigentlich ist das Spiel klar und straff strukturiert, doch gibt es derart viele Details zu beachten, dass es mir erst in der fünften Partie gelungen ist, es zu erklären, ohne etwas zu vergessen. Hilfreich wäre hier eine Kurzübersicht, doch die gibt es leider nur für die Schlusswertung. Klar, man könnte sich eine Erklärhilfe erstellen - doch pflege ich, ein zu rezensierendes Spiel anhand seiner vorliegenden Form zu beurteilen.

Fazit: Den schönen Pyramidenmechanismus möchte ich gerne in einem schlankeren, ausgereifterem Spiel wiedersehen. Hier umschmeichelt er eines jener Spiele, die man mögen möchte - über die man sich aber doch bei jeder Partie aufs Neue ärgert!(fk)

Steckbrief
Viceroy
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Yuri Zhuravlev Hobbyworld 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre 45 - 60 Minuten Ilya Komarov, Sabine Machaczek