Casa GrandeCasa Grande

Auch in Zeiten von vorab im Internet verfügbaren Regeln gibt es noch Spiele, die einen überraschen - manche leider negativ, andere jedoch deutlich positiv. Aktuell ist Casa Grande von Ravensburger bei mir so ein Fall: "Ein Bauspiel, okay, wahrscheinlich etwas trocken" - so meine Erwartung, welche durch die Vorablektüre der Spielregel und den staubtrockenen Slogan auf dem Cover, "Wer clever plant und geschickt baut, kann reichlich kassieren", noch bestärkt wurde. So kann man sich irren...

Spielmaterial in einer BoxCasa Grande kommt mit wenigen Komponenten aus: Jeder der zwei bis vier Spieler erhält ein eigenes kleines Pappkästchen, welches zwei Markiersteinchen, 24 aufeinandersteckbare Turmteile und 15 Plattformen seiner Spielfarbe enthält. Der Spielplan zeigt einen von einer 20-feldrigen Laufbahn umrahmten quadratischen Bauplatz und seitlich davon eine Skala von null bis neun. Jeder Spielzug besteht aus zwei bis drei kleinen Schritten. Die ersten beiden sind Pflicht, nämlich erstens: Würfeln und den Marker auf der Laufbahn im Uhrzeigersinn entsprechend viele Felder vorsetzen und zweitens: Je nachdem wo dieser landet, ein Turmteil setzen oder sich auf der Bonusskala aufwärts bewegen. Die Endposition meines Markierungssteinchens auf der Laufbahn gibt an, in welche Reihe ich mein Turmteil setzen darf, jede besteht aus 16 möglichen Feldern.
Spielsitation am EndeGefällt mir die aktuelle Reihe nicht, darf ich unter Abgabe von Bonuspunkten meinen Stein entsprechend viele Felder weiter vorrücken. Jene Bonuspunkte, um genau zu sein deren drei, erhalte ich, indem ich auf einem der vier Eckfelder lande - dann allerdings setze ich auch kein Turmteil, denn von den Ecken gehen keine Reihen ab. Als drittes darf ich nun eine meiner Plattformen einbauen und dafür Punkte kassieren. Diese Plattformen gibt es in verschiedenen Formen von der kleinen Dreierleiste über die plusförmige bis hin zum Neunerquadrat. Jedes Feld dieser Plattformen ist gelocht. Voraussetzung für den Einbau ist es nun, dass unter jedem markierten Feld - beim erwähnten plus-förmigen sind dies beispielsweise die vier Außenfelder - ein Bauteil meiner Farbe ist, also ein Zapfen meiner Farbe durch das Loch schaut. Gegnerische Turmteile dürfen hierbei ohne Rücksicht auf Verluste überbaut werden. Nun erhalte ich Geld, nämlich so viel, wie die Grundfläche der Plattform multipliziert mit der Höhe des Stockwerks ergibt - bei der plusförmigen also die Stockwerkhöhe mal fünf. Dieses erhalte ich in Form von schönen großen Geldscheinen, etwas umständlich CGL (Casa Grande Lire) betitelt. Es ist tolles Geld, denn wir erhalten es zwar, geben es aber nicht wieder aus - es handelt sich also um nichts anderes als als Geld getarnte Siegpunkte.
das gemeinsam erschaffene CasaHöhere Stockwerke errichte ich, indem ich Turmteile aufeinander baue oder auf Plattformen errichte. Hierbei darf ich auch gegnerische Plattformen benutzen, die Besitzer erhalten dafür jedoch eine Entschädigung auf der Bonusskala in Höhe des benutzten Stockwerks. Diese Bonusskala stellt eine andere Möglichkeit dar, Punkte zu machen: Erreiche ich auf ihr neun Punkte oder mehr, erhalte ich neun Casa Grande Lire. Allerdings wird der eigene Bonusmarker anschließend auf null gesetzt und ich kann zunächst mal meine Zugweite nicht mehr beeinflussen - es sei denn, ein Gegner ist so nett und baut auf einer meiner Plattformen oder ich lande auf einem Eckfeld.

verschiedene Platt-FormenTrotz der wenigen kleinen Schritte, welche ein Spielzug darstellt, beinhaltet Casa Grande also viele Möglichkeiten und ein hohes Maß an Interaktion und Entscheidungszwang: Versuche ich, meine eigene Plattform aufzubauen oder sabotiere ich den Bau der gegnerischen durch einen gezielt gesetzten Baustein? Gehe ich auf Nummer sicher und setze die kleine Dreierreihe oder pokere ich darauf, später eine größere Plattform einzusetzen? Hole ich mir, auf einem Eckfeld gelandet, drei Punkte auf der Bonusskala oder gebe ich zwei ab, um ein Turmteil in aussichtsreicher Position zu setzen? Hier liegt ein Familienspiel vor, dessen Spielgefühl außerordentlich gut ist - man wird stets belohnt, es gibt immer etwas, was für einen persönlich Sinn macht und trotzdem ist der Spielverlauf spannend und eng. Hinzu kommt noch, dass man, vor allem im Dreier- und Viererspiel, zusammen am Ende ein imposantes Bauwerk geschaffen hat. Übrigens funktioniert Casa Grande in allen Besetzungen gleich gut, ich empfehle jedoch, im Dreier- und Viererspiel die im Regelheft vorgeschlagenen Varianten mit nur 20 bzw. 18 Bausteinen zu nutzen, da die Bedenkzeiten mit voller werdendem Spielplan merklich steigen und die Spieldauer so etwas zu lang werden kann.

der 'Triumphbogen' ist ein Teil der CasaZusammenfassend muss man Redaktion und Autor ein großes Lob zollen: Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt, sei es die Geldvergabe auf der Bonusleiste, welche zwar deutlich unterstützend wirken kann, als Einzelstrategie jedoch nicht stark genug ist oder seien es die Entschädigungen für das Überbauen gegnerischer Plattformen, welches den Erfolg einer reinen Schmarotzerstrategie schwierig macht. Hier wurde spürbar sorgfältig gearbeitet und austariert. Zur Atmosphäre trägt auch das hochwertige Material bei, angefangen bei den Turmteilen, die schön aussehen und stabil aufeinander greifen, über die kleinen Pappkästchen für die vier Materialsätze, welche diese sauber und ordentlich aufbewahren, bis hin zu den großformatigen leuchtendfarbenen Geldscheinen und zum Spielplan, der von Franz Vohwinkel zurückhaltend und doch warm und atmosphärisch gestaltet wurde - auch eine Form von Kunst, sich als Illustrator zurückzunehmen und "nur" das Spiel zu unterstützen. Gibt es auch etwas zu meckern? Na klar: Deckel für die Spielerkästchen wären noch nett gewesen und außerdem fehlt dem Spiel ein Startspielermarker. Dass dies alles ist, was dem geneigten Rezensenten zu meckern einfällt macht deutlich, welche Qualität dieses Spiel hat! (fd)

Steckbrief
Casa Grande
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Günter Burkhardt Ravensburger 2 - 4 Spieler ab 8 Jahre 30 - 45 Minuten Franz Vohwinkel, DE Ravensburger