Abtei der RätselAbtei der Rätsel

Schachtel der Abtei1991 gab es auf Messe in Essen eine kleine Sensation. Der bis dahin in der Spieleszene weithin unbekannte Dipl. Designer und frei schaffende Künstler Thomas Fackler brachte im Eigenverlag ein Spiel mit einer Auflage von 200 Exemplaren heraus, 'Die Abtei der wandernden Bücher'. Was soll daran sensationell sein, werden sich jetzt sicherlich einige fragen. Das kam doch damals öfter vor. Nun, jedes einzelne Spiel war individuell gestaltet, teils unter Verwendung edelster Materialien, in feistem Buchdruck, mit Goldfarbe aufwändig gemalten Verzierungen, extra zugeschnittenes Edelholz, etc.
Schachtel der Abtei der RätselUnd jetzt festhalten, es kostete sagenhafte 1290 DM (1991 wahrlich viel Geld) bei einem moderaten Messepreis von nur 800 DM. Unerschwinglich, solch ein Spiel für einen 'normalen' Spieler.Das schlimme Schöne daran oder auch schöne Schlimme je nachdem war, dass es sich dabei auch noch um ein ganz passables Spiel handelte. Aber nur wenige kamen jemals in den Genuss, es gespielt zu haben. Eigentlich schade. Warum sich der Kosmos-Verlag jetzt nach fast 20 Jahren dazu entschlossen hat, eine abgespeckte Version als 'Abtei der Rätsel' herauszubringen, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber es kann ja nur Recht sein, wenn es denn ein passables Spiel geblieben ist. Ich werde mich hier natürlich um das neue Spiel kümmern, erst am Ende werde ich versuchen einen kurzen Vergleich zu ziehen.

Karten aus der Abtei der RätselIn beiden Spielen, soviel sei vorweggenommen, geht es darum, ein in Büchern verstecktes Wort zu erraten. Dazu machen sich je Spieler ein Meister und sein Novize, Mönche also in ein mittelalterliches Kloster auf, mit typischen Gebäuden (Küche, Stall, Hospital usw.) und vor allem der mächtigen Bibliothek mit vier Kammern. Assoziationen mit Umberto Ecos Roman 'Der Name der Rose' drängen sich sofort auf. Zusammen mit den Verbindungswegen und Plätzen ergibt sich ein Spielplan mit insgesamt 23 Feldern. In jedem der sechs Gebäude und den vier Kammern der Bibliothek liegt ein Buch einen der Buchstaben des Lösungswortes enthaltend. Das kann ein Wort aus zehn Buchstaben sein (FUTTERTROG, TINTENFASS) oder in einer anderen Schwierigkeitsstufe ein solches mit Lücken (*S*ÄU**L*E, UR*KUN*DE) sein. Die Lücken lassen das Rätsel schwieriger erscheinen, aber das zu erratene Wort ist auch kürzer und damit einfacher zu identifizieren.

Spielfiguren der beiden AbteienEin Mönch kann zwei Schritte laufen, ein Novize wuselt mit bis zu vier Schritten umher. Nur ein Mönch kann ein Buch lesen, aber dafür braucht er Ruhe. Will heißen, nur wenn er nicht läuft, ist Lesen möglich. Aber dann können es auch mehrere Bücher sein, wenn ihm der Novize diese heran schafft. Dafür reichen die vorgegebenen Schritte aber meist nicht aus, so dass eine Stärkung vonnöten ist. Durch den Verzehr je eines Brotes ist ein weiterer Schritt möglich. Brote gibt es im Speisesaal und sie müssen genauso wie die Schlüssel zum Aufschließen der Bibliothek, die es in der Kirche gibt, durch den Novizen zu seinem Meister gebracht werden. Der Novize kann natürlich nicht unendlich viel tragen, zudem soll er noch Bücher heran schaffen. Ein viel beschäftigter Mann, der gut mehr Schritte brauchen könnte.

Bücher in der AbteiWer Ecos Roman oder den Film kennt, weiß, dass der Abt des Klosters sein Geheimnis unbedingt wahren wollte. So etwas Ähnliches gibt es auch hier in Form des schwarzen Abtes, der zu Beginn des Zugs eines Spielers durch einen W6 in eines der sechs normalen Gebäude geschickt wird. Dort blockiert er zum einen das Buch, wenn es überhaupt noch daliegt, zum anderen vertreibt er alle Mönche aus dem Raum. Was wohl als Ärgerfaktor gedacht war und auch so wirkt, wenn ein Novize gerade ein Buch dort holen wollte, kann auch das genaue Gegenteil sein. Hat z..B. ein Mönch dort gerade ein Buch gelesen, ist er froh vom schwarzen Abt vertrieben zu werden, spart er doch so einen Schritt auf seinem Weg zum nächsten Buch. Der schwarze Abt hat eigentlich nur zu Beginn einer Partie Auswirkungen, wenn die Bücher aus den normalen Gebäuden gelesen werden. Später wenn sich die Spieler eher um die Bibliothek kümmern, ist die Würfelei stupide und Spielfluss hemmend. So gesehen hätte man den schwarzen Abt auch ruhigen Gewissens weglassen können. Aber siehe unten ...

Bücherregal mit KarteEin Wort zu erraten nur aus den ersten sechs Buchstaben (Bücher aus den normalen Gebäuden) ist sehr schwer. Bei 'KA*NIN' mag das noch gelingen, bei '**HE*C' sicher nicht. Daher wird man sich irgendwann um die Bibliothek kümmern müssen. Das ist mühsam, braucht man doch einen Schlüssel aus der Kirche und jeweils eine Runde zum Betreten, zum Lesen nur eines Buches und zum Verlassen. Danach kann einiges klarer sein, ansonsten heißt es einmal ums Gebäude laufen und wieder rein in die Bibliothek. Ich habe noch nichts erwähnt, wie ein Buch gelesen wird. Das ist wirklich ganz pfiffig gelöst. Eine verdeckt gezogene Karte mit dem Lösungswort wird in eine Kiste geschoben, die aussieht wie ein Buchregal. Dieses hat zehn Schieber, die den Buchstaben des entsprechenden Buches freigeben. Wirklich klasse gemacht dieses Teil. Wer glaubt, das Lösungswort zu kennen, darf es aufschreiben und sich die Karte aus dem Buchregal anschauen. Stimmt die Lösung ist das Spiel beendet, anderenfalls scheidet der Spieler aus.

Spielplan der AbteiDie ersten Partien der Abtei der Rätsel haben uns in den Testrunden nicht schlecht gefallen. Aber irgendwann war der Zauber verflogen. Die unnötige Würfelei für den schwarzen Abt zu Beginn eines Spielerzugs, der insgesamt wenig abwechslungsreiche Zug selbst und die sich hinziehende Spieldauer, insbesondere bei vier Spielern haben dazu beigetragen. Ein Grübler, der in seinem Zug versucht, seine Mönche optimal aufeinander abgestimmt einzusetzen, kann zudem schon nervend sein.
Spielplan der Abtei der Rätsel Auf der anderen Seite macht die Ermittlung eines solchen Zugs natürlich auch Spaß. Leider spielt man dabei mehr für sich als mit den Mitspielern. Abtei der Rätsel macht am meisten Spaß, wenn man locker herangeht und das Hauptaugenmerk auf das Erraten des Wortes und nicht auf die Wuselei auf dem Spielplan legt. Daher liegt die Klientel zum Spielen auch eher im Bereich der Familien- und Gelegenheitsspieler. Und da gehört Abtei der Rätsel auch hin.
Material der AbteiBeim Vorgänger, kurz Die Abtei, und damit sind wir beim Vergleich angelangt, sieht das anders aus. Über die Gestaltung, glaube ich, brauche ich kein Wort zu verlieren. Beiden Spielen ist eigentlich nur der Spielplan und das Spielziel gemein. Bei der Abtei wurden der schwarze Abt und ein zugehöriger Novize aktiv von einem Spieler geführt. Die einen versuchten das Wort zu erraten, der schwarze Abt selbiges zu verhindern. Da war dann naturgemäß mehr los, auch Interaktion war viel mehr im Spiel. Zumal die Bücher nicht am abgelegten Platz blieben, sondern zyklisch durch die Gebäude rotierten. Aus Reminiszenzgründen hat man wohl den schwarzen Abt auch in die abgespeckte Version übernommen und ihm da eine sinnfreie Aufgabe gegeben. Die Abtei war auch in Phasen aufgeteilt und es ergab sich ein gewisser Zeitdruck, das Wort zu enthüllen. Insgesamt war alles viel dichter, viel atmosphärischer, einfach besser. Schade, dass man das nicht in die Neufassung herüberretten konnte. (mw)

Steckbrief
Abtei der Rätsel
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Thomas Fackler Kosmos 2 - 4 Spieler ab 10 Jahre 30 - 40 Minuten Michaela Kienle