Spiele mit Glücksfaktoren

Teil 2: Glück im Spiel - Glücklicher mit Statistiken

Nach dem ersten Teil des Artikels wissen wir nun, was Glück und Pech im Spiel sind und wir wissen, dass dies etwas mit Wahrscheinlichkeiten zu tun hat. Das ist das situationsbedingte Glück, weil sich die Definition auf einen Spieler in einer ganz bestimmten Spielsituation bezieht. Nun gibt es aber auch allgemein das Glück im Spiel; genauer meine ich dieses Glück, das immer wieder von den Strategen verdammt wird, weil es angeblich ganze Strategien aushebelt. Kann man einen solchen Glücksfaktor messen?

Bevor ich diese Frage positiv beantworte, muss ich einmal ganz weit weggehen vom Thema und mich einem völlig anderen Problem stellen. Es hat scheinbar nichts mit der obigen Frage zu tun und ich habe das Problem auch schon gelöst: In der Brettspielwelt werden über alle gespielten Spiele eines Spielers Statistiken geführt, die man sich auch anzeigen lassen kann. Diese Statistik weist die Spiele auf, die Siege und errechnet die Siegquote. Das ist für Go, Yinsh oder Halali! auch gut zu gebrauchen, weil sie immer zu zweit gespielt werden. Bietet hingegen ein Spiel eine große Bandbreite an möglichen Spieleranzahlen auf, so lassen sich die Siegquoten nicht mehr vergleichen, denn je mehr Mitspieler es gibt, desto seltener wird man gewinnen. Gerne würde man nun aber die Quoten vergleichen und dies ist auch möglich, wenn man eine Messgröße findet, die die Teilnehmerzahl berücksichtigt. Eine solche Zahl zu berechnen, ist nicht sehr schwer und im Excel-Formular wird die Zahl ermittelt. Für Interessierte hier eine kurze Erklärung, was diese Zahl aussagt und wie sie berechnet wird; nicht interessierte Leser überspringen den Abschnitt einfach.

Aus der Statistik werden zunächst drei Größen benötigt: die Anzahl der gemachten Spiele, die Anzahl der gewonnenen Spiele sowie die Zahl der Mitspieler (kann man in der Brettspielwelt bekommen, indem man sich die Mitspieler zu einem bestimmten Spiel anzeigen lässt und unten rechts die Gesamtsumme abliest). Aus der Mitspielerzahl lässt sich die durchschnittliche Größe einer Spielrunde errechnen. Kenn ich die Größe einer Spielrunde, so ist auch klar, wie viel Prozent der Spiele ich im Schnitt gewinne, nämlich 100 dividiert durch die durchschnittliche Spielrundengröße. Wenn ich nun von meiner Siegquote diese Zahl abziehe, erhalte ich meinen prozentualen Überschuss an gewonnenen Spielen; ist dieser negativ, habe ich zu wenig gewonnen. Dieser Überschuss beachtet jetzt schon die Teilnehmerzahl, weil er die durchschnittliche Gewinnquote berücksichtigt. Da diese aber variiert, ist der Überschuss nur bedingt vergleichbar. Die Vergleichbarkeit erhalten wir, indem wir den Überschuss durch die durchschnittliche Gewinnquote dividieren, ihn also in das Verhältnis zu dem Wert setzen, der uns als Nullpunkt dient. Diesen Wert nennen wir den relativen Überschuss. Wer hierbei einen Wert von 100 besitzt, gewinnt doppelt so viele Spiele wie er im Durchschnitt müsste: In Spielen zu zweit bedeutet dies dann, dass er alle Spiele gewinnen würde, bei Spielen zu dritt gewinnt so jemand zwei von drei Spielen. Wem das zu kompliziert klingt, kann sich die Formeln in Excel anschauen oder, falls er in der Brettspielwelt spielt, auch einfach anwenden.1

Begriff Definition
durchschnittliche Siegquote Anzahl der Spiele, die ein Spieler gewinnen muss, damit er bezogen auf die Mitspielerzahl "seine" Anzahl an Siegen vorweisen kann. Wird berechent mit 100 dividiert durch die durchschnittliche Spieleranzahl.
Überschuss, auch absoluter Überschuss In Prozent angegeben Wert, um wie viel die eigene Siegquote über der durchschnittlichen Siegquote liegt. Ist der Wert negativ, so hat man zu wenig Spiele bezogen auf die durchschnittliche Siegquote gewonnen.
relativer Überschuss Wert in Prozent, um wie viel die eigene Siegquote über der durchschnittlichen Siegquote liegt. Man erhält den relativen Überschuss, indem man den Überschuss durch die durchschnittliche Siegquote dividiert

Was aber hat das ganze denn nun mit Glück im Spiel zu tun? Nun, bei Spielen mit sehr viel Zufall, wird auch ein guter Spieler nur einen geringen Überschuss erzielen können. Bei Spielen mit wenig oder keinem Zufall wird er hingegen einen hohen Überschuss erzielen. Hat man nun eine sehr große Menge von Spielern und Spieldaten zur Verfügung, kann man dies nutzen, um den Glücksfaktor2 eines Spiels zu bestimmen.

Ich habe hier ein sehr einfaches Verfahren gewählt. Für jedes Spiel habe ich mir in der Brettspielwelt die 20 Spieler auflisten lassen, die das Spiel am häufigsten gespielt haben. Von diesen 20 Spielern habe ich denjenigen ausgewählt, der die höchste Siegquote besitzt - wohl wissend, dass ein anderer Spieler bezüglich des relativen Überschusses besser sein kann.3 Für diese Spieler habe ich dann den Überschuss sowie den relativen Überschuss errechnet. Bei einem hohen Glücksfaktor im Spiel werden auch diese erfahrenen Spieler einiges an Spielen verlieren, während bei Spielen ohne oder mit einem nur geringen Glücksfaktor solche Spieler den überwiegenden Teil ihrer Spiele gewinnen werden. Im Excel-Chart sind die Spiele nach ihrem Überschuss sortiert; nimmt man den relativen Überschuss, der mathematisch die Spielstärke bei verschiedenen Teilnehmerzahlen vergleichbar macht, so sind die Spiele mit hoher Spielerzahl bevorzugt. Dies liegt einfach daran, dass man in Spielen, die ausschließlich zu zweit gespielt werden können, nur schwer einen großen relativen Überschuss erspielen kann (bei 100% Siegquote, also beim Gewinn aller Spiele, liegt der relative Überschuss bei "nur" 100, ein Wert, den gute Spieler in Mehrpersonenspielen oft übertreffen). Deshalb ist für die Bewertung des Glücksfaktors der (absolute) Überschuss der Maßstab.

Schaut man sich die Spiele danach an, so stellt man fest, dass einige Mehrpersonenspiele weiterhin vor den Zwei-Personen-Spielen ohne Glücksfaktor liegen. Sie folgen jedoch dann konzentriert. Eine Ausnahme bildet Go: Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, weil es bei Go ein Handicap gibt, welches es ermöglicht, dass Spieler mit unterschiedlicher Spielstärke gleiche Chancen auf den Sieg haben. Die Platzierung von Go in der Liste lässt darauf schließen, dass die guten Go-Spieler reichlich von Handicap Gebrauch machen. Am anderen Ende der Skala finden wir überwiegend die reinen Karten- und Würfelspiele. Diesen Spielen wird oft ein hoher Glücksfaktor nachgesagt und so überraschen die Plätze im glücksabhängigen Bereich nicht. Überraschend ist da zum Beispiel schon eher die Platzierung von Schrille Stille, das bezüglich des Glücksfaktors einen ähnlichen Wert wie Puerto Rico aufweist.

Aufgrund der Werte definiere ich nun die Höhe des Glücksfaktors eines Spiels wie folgt:

Wertebereich Größe des Glücksfaktors
kleiner als 15 sehr hoher Glückfaktor
15 - 25 hoher Glückfaktor
25 - 35 durchschnittlicher Glückfaktor
35 - 45 geringer Glückfaktor
größer als 45 sehr geringer Glückfaktor

Da die Methode empirisch ist, lässt sich damit der Glückfaktor eines Spiels nicht im vor hinein berechnen. Sobald aber ein Spiel in die Brettspielwelt kommt, lässt sich der Glücksfaktor schon bald errechnen. (wd)


1 Anmerkung: die Statistiken sind nicht ganz genau. So gibt es in der Brettspielwelt unregistrierte Spieler, die nicht in der Statistik auftauchen. Außerdem werden bei dem oben beschriebenen Verfahren geteilten Sieg voll gewertet. Beide Ungenauigkeiten sind entgegengesetzt und verringern sich daher.
Für Piranha Pedro, bei dem ein Verlierer ermittelt wird, muss die Formel leicht geändert werden; für Zwei-Personen-Spiele wird wegen der unregistrierten Spieler immer die Mitspielerzahl gleich der Anzahl der gemachten Spiele gesetzt.
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2 besser wäre hier das Wort Zufallsfaktor.
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3 hier liegt die Annahme zu Grunde, dass ein Spieler, der ein Spiel häufig spielt, dabei besser wird und somit einen hohen relativen Überschuss produziert.
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zum ersten Teil: Pech im Spiel - Glück in der Liebe