AvantiAvanti

Ich bin ein paar Jahre zu spät geboren, um die verändernden Auswirkungen des 1968er Aufbegehrens vornehmlich der Studenten direkt und bewusst mitzuerleben. Aber ich habe Einiges von den Konsequenzen, z.B. was den Schulalltag anging, oder andere Folgeerscheinungen miterlebt. Dazu zählen sicherlich die langen Haare der Jugendlichen oder das Auftreten der Studenten. Freies, selbst bestimmtes Leben, die eigene Ente (Citroen 2CV) als Fortbewegungsmittel, Flower Power, und der VW-Bus mit dem Surfbrett oben drauf, vielleicht auch ein angemalter VW-Käfer oder ein klitzekleiner Fiat 500, mit dem ich einige Abenteuer erlebt habe.

EnteDiese Automodelle als Spielfiguren zusammen mit dem Schachtelcover suggerieren das Feeling Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre. Aber wenn man sich das Spiel dann genauer anschaut, passt der Rest irgendwie nicht dazu. Spielziel z.B. ist wörtlich: 'Schnell noch Kohle machen und dann ab auf die Trauminsel.' Ich glaube nicht das Kohle machen für die 68er im Vordergrund im Vordergrund stand und eine Trauminsel mit Palmen? Dann geht es darum, mit den Autos eine Runde durch die Stadt zu drehen. Weil dabei neudeutsch irgendwelche Events beliefert werden sollen (mit einem Fiat 500?) wird sie als Lieferfahrt bezeichnet. Und dann gibt es auf der Strecke Parkplätze mit Geldautomaten, die nach meinem Dafürhalten erst sehr viel später eingeführt wurden.

KarteOk, lösen wir uns von dem Durcheinander und betrachten das Spiel abstrakt. Die zu fahrende Strecke ist 34 Felder lang und zur Fortbewegung dienen dreieckige (!) Karten mit gelben Zahlenwerten von 1 - 3 und roten von 4 - 7.Von diesen so genannten Powerkarten hat jeder nur drei Stück auf der Hand. Nur wenn eine gelbe Zahl eingesetzt wurde, darf eine Karte nachgezogen werden. Es gibt einen pfiffigen, wenn auch wenig realitätsnahen Zugmechanismus. Trifft man mit seinem Zug auf ein besetztes Feld, darf man seine Zugweite noch einmal ausnutzen. Interessant, aber bei Autos doch eher bizarr. Spielen also in einer Dreierpartie beim Start alle eine 3 geht der Erste drei, der Zweite sechs und der Dritte gleich neun Felder, mehr als ein Viertel der Strecke mit einer Karte. Nach einem Zug aller Spieler treibt dann der aktuell Führende Geld von seinen Konkurrenten ein. Neben jedem Straßenfeld steht ein Geldbetrag (100 - 1000), der in einem solchen Fall zu zahlen ist. Das ist mit dem Anfangsbestand ohne Probleme mehrmals möglich. Auf einem der sechs Parkplätze wird Nichts bezahlt, weswegen sie gerne Anlaufstationen sind. Aber wenn zwei das versuchen, ist einer der Dumme und wird vielleicht auf ein 500er-Feld katapultiert.

ParkplatzEine Runde starten darf immer der hinterste Fahrer, aber dann geht es in Tischreihenfolge weiter. Bei der Auswahl der Zugweite sind also mehrere Dinge zu beachten, da alle vorab verdeckt ihre Karte wählen müssen. Wann komme ich dran und welche Autos stehen dann noch am jetzigen Platz? Wer hat sich vielleicht wohin bewegt? Wo würde ich gegebenenfalls bei welcher Zugweite landen? Ist die notwendige Zugzahl überhaupt vorhanden? Ein Riesenschritt auf das 1000er-Feld wäre zwar möglich, aber will ich das bezahlen? Weiß mein Konkurrent, dass ich weiß, dass er auf einen Parkplatz fahren könnte? Wird er es dann auch tun? Lohnt es, schon früh die großen Zahlen zu spielen, aber dann weniger Auswahlmöglichkeiten zu haben? Sollte ich vielleicht freiwillig aussteigen (am besten auf einem Parkplatz, aber dann keine Chance auf Schritte zur Trauminsel, dem Siegkriterium, zu haben?

Der Weg zur TrauminselHat einer der Fahrer die Strecke komplett absolviert, werden diese Schritte verteilt (3, 2, 1). Anschließend können noch welche gekauft werden, zunächst für Tausend später mehr. Das ist verlockend, aber eine zweischneidige Sache, denn wenn das Geld ausgeht, muss man wieder zurück, erhält aber nur die Hälfte des Werts zurück. Zwar bekommt man nach der Fahrt Geld aus den Automaten zwischen dem eigenen und den nächsten Fahrzeug, aber das ist, wenn überhaupt, nicht viel. Nach minimal vier Fahrten ist eine Partie zu Ende, aber es können auch bedeutend mehr werden, wenn abwechselnd die Fahrten gewonnen werden. Daher stimmt die angegebene Zeitspanne für eine Partie von 45 - 60 Minuten, aber Ausreißer sind durchaus möglich. Erstaunlicherweise geht eine Partie zu fünft zumindest gefühlt schneller voran, da mehr Autos zu mehr Hüpfern verhelfen. Die so gesparte Zeit wird aber in der Regel durch mehr benötigte Fahrten wieder aufgefressen.

Die heimlichen Stars: Die KultautosBei Avanti sind die Kultautos eindeutig die Stars. Das Spiel aber darauf zu reduzieren, würde ihm nicht gerecht. Es hat schon seinen Reiz, besonders wenn die obigen Fragen für sich erfolgreich beantwortet werden konnten. Oder auch, wenn man die Konkurrenten durch eine eher überraschende Wahl der Zugweite ärgern konnte. Die Schwäche des aufgesetzten Themas (wie passt der Titel dazu?) hatte ich ja schon erwähnt, eine weitere wäre in meinen Augen die ungewöhnlichen, dreieckigen Karten, die zudem ziemlich dünn sind. Andere mögen damit weniger Probleme haben. Die Spieldauer ist gerade angemessen. Länger dürfte sie nicht sein, denn viel zu tun ist ja nicht. Karte aussuchen, Auto setzen, Geld eintreiben bzw. zahlen. Aber die Überlegungen für einen vermeintlich optimalen Zug lassen keine Langeweile aufkommen. Dazu kommen die Spannung beim Aufdecken der Karten und das Nachkarten des Zuges. Insgesamt sehe ich Avanti nicht als einen Topact des Spielejahrgangs, aber abfallen tut es auch nicht. Avanti wird sicherlich das eine oder andere Mal wieder auf dem Spieltisch erscheinen. (mw)

Steckbrief
Avanti
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Heinz Meister Zoch 3 - 5 Spieler ab 10 Jahre 45 - 60 Minuten Victor Boden