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... oder was freie Autobahnen und Theaterkarten mit der Dunkelheit zu tun haben

Magier Heute ist Heiligabend, zumindest wenn du diesen Artikel am ersten Tag seines Erscheinens liest. Damit geht die Adventszeit vorbei, in der wir die Dunkelheit mit Lichtern erhellt haben. Nun erstrahlt der Weihnachtsbaum und bringt uns die Wärme, die wir im Winter draußen nicht haben. Wie immer verzaubern uns die Lichter, so wie sie es an Silvester beim Feuerwerk, im Sommer mit Partylichterketten oder zu Sankt Martin mit den Laternen tun.

Vielleicht liegen heute einige Nacht der Magier - Spiele unter dem Baum. Ich hoffe es sehr, denn dieses Spiel verzaubert durch den Lichteffekt, wenn fluoreszierende Teile am Spielmaterial leuchten, während der Rest in Dunkelheit getaucht wird. Einige Tage vor der Veröffentlichung meiner Rezension zu diesem Spiel erhielt ich eine Email von einem erfolgreichen Spieleautor, der mich fragte, wie ich das Spiel denn finde.

Ich schickte ihm als Antwort meinen Schlussabsatz, losgelöst vom Rest der Rezension und fast ohne jeden weiteren Kommentar. Prompt kann eine weitere Frage und sie kam so gar nicht unerwartet, nämlich wie das Spiel denn im Hellen sei. Ich habe noch immer kein Spiel im Hellen absolviert. Es gibt für mich auch weiterhin keinen Grund dazu, denn es bereitet mir und vielen anderen Mitspielern, darunter meinem 7-jährigen Sohn Raphael, im Dunkeln sehr viel Spaß. Und so möchte ich es nicht im Hellen spielen, weil es mich im Dunkeln fasziniert.
Spiele, die ich im Hellen spielen kann, gibt es reichlich. Ein Spiel für die Dunkelheit ist selten. Mir fällt derzeit nur noch nur das Waldschattenspiel ein.

Ferrari Damit stellt sich die Frage, ob denn ein Spiel nur für die Dunkelheit nicht zu wenig ist, denn die optimalen Bedingungen lassen sich nicht immer schaffen. Ich komme aus Bremen; dort gibt es nur selten Rollläden an den Fenstern und so lässt sich kaum ein Raum gut abdunkeln. Es ist eine nette Zugabe, wenn das Spiel auch im Hellen gespielt werden kann. Für mich ist dies eine Regelvariante, die ich analog zu Sonderregeln für zwei Personen sehe, wenn das Spiel eigentlich für drei und vier Spieler ist. Hier wie dort lassen sich eben die optimalen Bedingungen nicht schaffen: Mal stört Licht, mal fehlt ein Mitspieler. Was das für das Spiel bedeutet, möchte ich an zwei Beispielen von Luxusartikeln verdeutlichen: Stell dir, liebe Leser, einen Mann vor, der einen Ferrari1 besitzt oder eine Dame mit einem Zobelmantel. Der Mann fährt den Ferrari nicht, weil die Autobahnen voll sind und er keine 200 km/h fahren kann. Die Dame geht nicht ins Theater und hat so keine Gelegenheit, den Mantel zu tragen. Ist dies die Schuld des Ferraris oder des Zobelmantels? So ist auch das Spiel "Die Nacht der Magier" nicht dafür verantwortlich, dass du dein Zimmer nicht vollständig abdunkeln kannst. Eine solche Rahmenbedingung für ein Spiel, wie wir sie hier vorfinden, darf natürlich nicht zu extrem sein. Ein Spiel, für das man weniger Anziehungskraft braucht und das deshalb nur auf dem Mond spielbar ist, kann man hier auf der Erde wohl kaum gebrauchen.

Zobelmantel Ich nehme mir die Freiheit, einmal Die Nacht der Magier mit dem aktuellen Kinderspiel des Jahres, dem kleinen Gespenst, zu vergleichen. Das kleine Gespenst ist ein schönes Spiel. Optisch gut und stilvoll umgesetzt, angelehnt an einen Klassiker der Kinderliteratur verbindet es Gedächtnis- und Geschicklichkeitsspiel. Diese Kombination ist Teil der Innovation, die Verbindung zum Buch der andere. Gedächtsnis- oder Geschicklichkeitsspiel allein wäre nicht innovativ, gibt es sie doch als Klassiker wie Memory 2 und Mikado und auch Spiele zu Büchern und Filmen sind nicht neu. Entsprechend wäre Die Nacht der Magier nur ein weiteres Schiebe-Geschicklichkeitsspiel und wenig innovativ. Doch mit der Leuchtkraft der fluoreszierenden Elemente und der damit verbundenen Vorgabe, es im Dunkeln spielen zu können, erschließt es eine neue Welt. Nun sind Innovation und Originalität keine Garantie für ein gutes Spiel, beide Kriterien sind getrennt zu betrachten. Für mich kam dabei heraus, dass Die Nacht der Magier ein sehr gutes Spiel und ein sehr originelles Spiel ist. Natürlich wird die fehlende Dunkelheit Partien verhindern. Ich denke, dies ist ein Vorteil, denn dadurch erhöht sich der Reiz. Es wird im Sommer kaum gespielt. Es entsteht so etwas wie Vorfreude, wenn es dann mal spätabends im Herbst möglich wird. Mit der Zeitumstellung im Oktober wird es dann häufiger möglich sein und im Winter, wenn die Abende lang sind, kann es häufig auf den Tisch kommen. Wenn ich zurück gehe zu meinen beiden fiktiven Beispielen, so hat der Mann hat mehr Freude am Ferrari, wenn er ihn dann mal mit 200 km/h fahren kann und die Dame wird den Zobelmantel beim nächsten Theaterbesuch tragen - indem sie die Voraussetzung durch den Kauf eines Tickets schafft.

Die Nacht der Magier hat noch einen Vorteil. Es wendet sich nicht nur an Spieler, sondern auch an Menschen, deren Interesse in anderen Bereichen liegen. Allein die Idee des Spiels im Dunkeln ist reizvoll und sie ist es eben auch für Menschen, die wenig spielen. Hier mag ein Brettspiel vorliegen, dass Menschen die Angst vor dem Spiel und der damit verbundenen Konkurrenz nimmt. Wenn es dem ein oder anderen Kind die Angst vor der Dunkelheit nimmt - und ich glaube daran, dass es das tut - erfüllt es gleich zwei Aufgaben … zusätzlich zu seinem Spielspaß. (wd)

1 Für die Erlaubnis, das Ferrari-Bildes nutzen zu dürfen, danke ich der Site www.new-dream.de, auf der es viele Backgrounds für den PC gibt.
2 Memory ist ein Trademark des Ravensburger Spieleverlags.