Die Rückkehr der Fantasy

zum fressen gern

Elfenkinder reiten auf Drachen durch das Gebirge oder fahren mit dem Trollwagen durch die Wüste, um ihre Heimat kennenzulernen. Magier dringen auf der Suche nach magischen Artefakten in das geheimnisvolle, düstere Tal von Magalon vor. Mörderpinguine ziehen unter einem Eiswüstenlord aus, um einen Sumpf zu erobern. Schließlich machen sich die Hobbits auf, einen Drachen zu besiegen.

Anfang der 80er Jahre befanden sich die Bücher "Herr der Ringe" von J.R.R. Tolkien und "Die Nebel von Avalon" von Marion Zimmer-Bradley in den Bestsellerlisten. Selbst auf dem Titelbild des Sterns waren mythische Wesen zu finden. Auch die Spielewelt blieb davon nicht unberührt.

Spiele mit Fantasyinhalten wurden vor allem aus den USA importiert. Das bekannteste der Importspiele war damals D&D. Hier schlüpfte man in die Rolle eines Helden und erlebte in seiner Phantasie die spannendsten Abenteuer. Diese Spielidee wurde als Solitärspiel in Buchform herausgebracht: Die Abenteuer-spielbücher entstanden. Talisman und Hobbits-DeckelSchmidt setzte das erste Buch dieser Reihe "Der Hexenmeister vom flammenden Berg" in ein Brettspiel um. Mit diesem Spiel startete eine Reihe von Fantasyspielen wie "Talisman", "Marnon" und "Warlock", bei denen es sich ausschließlich um deutsche Versionen amerikanischer Originale handelte. Typisch für diese Spiele waren eine für die damalige Zeit hohe Komplexität und viel Kampf, der meistens durch Würfeln ausgetragen wurde. Auch enthielten diese Spiele Unmengen von Material, oft in Form vom Pappplättchen.

Später gab es mit der Entwicklung von "Das Schwarze Auge" und "Midgard" auch erfolgreiche deutsche Fantasyrollenspiele.

Mitte bis Ende der 80er Jahre flaute die Fantasywelle ab. Mit Magic: Die Zusammenkunft kehrte die Magie zurück auf den Spieltisch. Durch die Idee des Sammelkartenspiels wurde viel Kaufkraft aus den anderen Bereichen abgezogen. Der Umsatz von Rollenspielen und anderen Fantasyimportspielen ging zurück.

Seit Ende letzten Jahres erscheinen wieder vermehrt Fantasyspiele auf dem deutschen Markt. Auf der einen Seite gibt es Wiederveröffentlichungen erfolgreicher Spiele. Auf der anderen Seite haben sowohl Amigo als auch Ravensburger ein "großes Brettspiel" im Fantasybereich angesiedelt.

Schon auf der Spiel '97 gab es mit "Das E.R.S.T.E" (Harlekin) eine neue Einführung in die Rollenspielwelt. Der Aufschwung der Fantasy-Rollenspiele setzt sich mit der Wiederveröffentlichung von "AD&D" fort. Die jetzt vorliegende Version von Amigo wurden - nach fast 10 Jahren - nochmals überarbeitet und ist mit der AD&D II-Version (TSR/ASS) ohne weiteres kombinierbar, d. h., man kann seine alten Charaktere problemlos weiterspielen.

Die Fantasybrettspiele der neuen Generation zeichnen sich vor allem durch eine hohe spielerische Qualität aus, die durch hervorragend gearbeitetes Material unterstützt wird. Während sich die früheren Spiele mehr an Insider richteten, sind die Neuerscheinungen auch für den Normalspieler bestens geeignet.

Hier ein kleiner Überblick:

Karte und Figuren aus Hobbits

Die großen Abenteuer der kleinen Hobbits" setzt auf das Kinderbuch "Der kleine Hobbit" von Tolkien auf. Hier zieht man als Hobbit durch die Länder von Mittelerde. Auf dem Weg sucht man Freunde und unterstützende magische Gegenstände, um den abschließenden Kampf gegen den Drachen von Carn Dum zu gewinnen. Man würfelt sich über den Spielplan, kämpft gegen Monster oder findet Unterstützung für den weiteren Weg

 

In "Kings & Things* "gibt es viele Monster und Kämpfe, doch Mörderpinguine,Teenypocken und andere Absonderlichkeiten lassen das Spiel gelegentlich wie eine Parodie auf die früheren Brettspiele erscheinen. Man führt Monstergruppen durch die Landschaften, und versucht möglichst viel Land zu erobern. Hierbei gibt es die für das klassische Fantasyspiel typischen Würfelkämpfe.

Die Elfenkinder bereisen das gesamte "Elfenland". Für ihre Fahrten stehen ihnen Drachen, Einhörner, Elfenräder und andere fantastische Verkehrsmittel zur Verfügung. Man bekommt Tickets, und muß versuchen, Transportmittel möglichst effektiv einzusetzen. Da aber die Fahrkarten und auch die zur Verfügung stehenden Transportmittel durch Zufall bestimmt werden, gibt es hier auch ohne Würfel einen Glücksfaktor. Ohne Kampf und mit einem leicht verständlichen Mechanismus findet man hier ein echtes Familienspiel.

In "Magalon" müssen die Magier ihren Weg durch das düstere Tal von Magalon finden, um drei Artefakte zu bergen, die Ihnen den Zutritt zum "Rat der 11" erlauben. Auf diesem mühsamen Weg sollten sie den Goblins und dem Giganten aus dem Weg gehen. Diese schlagen die Magiere beim Zusammentreffen in die Flucht. Es handelt sich hier um ein Strategiespiel, das in ein Fantasygewand gekleidet wurde.

Diese Beispiele zeigen, daß Fantasyspiele nicht mehr nur aus "Monsterplätten" bestehen. Für alle Spiele gilt, daß jedes von der ihm eigenen Atmosphäre lebt.

Bisher wurden Fantasyspiele, vermutlich auch wegen den Gewalttätigkeiten, von der Jury "Spiel des Jahres" igno-riert. Mit Elfenland liegt nun ein Spiel vor, daß dem Fantasygenre eine neue Facette verleiht: familiengerechtes Spiel.

Mit dieser Ausrichtung wurde es jetzt als Spiel des Jahres '98 ausgezeichnet.

 Auch für die Spiel '98 wird der Trend anhalten. Zu AD&D und anderen Spielsystemen erscheinen weitere Abenteuer. Pegasus plant zum einen Iron Dragon in einer deutschen Übersetzung mit graphischer Neugestaltung zu veröffentlichen. Es ist ein Spiel der Empire Builder Eisenbahnreihe, welches in einem Fantasyland mit Trollen, Elfen und anderen Bewohnern spielt. Zum anderen entwickeln sie ein eigenes Spiel, das auf der Welt von Midgard spielt (bekannt durch das gleichnamige Rollenspiel). Der Arbeitstitel hierfür lautet "Unter den Nebelbergen".

Daß Fantasy beliebt ist, zeigen auch die beiden folgenden Beispiele. Das frühere amerikanische Family-Business wird bei Truant unter dem Titel "Zum Fressen gern" mit einer Fantasythematik neu erscheinen. Jetzt bemühen sich Dryaden, Hexen und Orcs den Festschmaus des Riesen zu überleben. Den Wunsch vieler Spieler nach Magie zeigt auch das Siedler von Catan Kartenspiel: Im Turnierset wurden die Spieler aufgefordert, eigene Ideen einzusenden. Es wurden so viele Kartenvorschläge mit Zauberthematik eingeschickt, daß eine der aus Einsendungen von Spielern zusammengestellten Erweiterungen zum Siedler-Kartenspiel Zauberer, Zauberbücher und Drachen enthalten wird.

Man sieht: Dinosaurier sind ausgestorben, Drachen und Einhörner leben weiter.

Brigitte und Wolfgang Ditt

Ein paar Anmerkungen zu diesem Artikel:

  Elfenlandscene Kings und Things 

Dieser Artikel wurde schon im Frühjahr erstellt. Die Informationen der Verlage waren daher leider jetzt nicht mehr ganz zutreffend. So hat Ravensburger in seinem Labyrinth der Ringe die Jagd auf Trolle  und Schätze mit Hilfe von Fabelwesen eröffnet. Der eiserne Drache von Pegasus ist leider noch nicht losgefahren, und  Truant läßt den Riesen auch noch etwas länger auf sein Essen warten. Zauberer und Drachen zum Siedler-Kartenspiel werden erst nach Essen das Licht der Welt erblicken.