Interview by Email

Copyright: Dr. Reiner Knizia und Pöppelkiste, 2002. All rights reserved.
Eine Liste aller Pöppelkistenrezensionen seiner Spiele findet man hier

Reiner Knizia Wir danken Reiner Knizia herzlich für seine Bereitschaft, bei diesm Interview mitzuwirken und für seine wirklich ausführlichen Antworten.


Hier die Fragen, die wir und einige Leser Reiner Knzia gestellt haben;
die Antworten erhält man nach Klick auf die Nummer
1 Du bist hauptberuflicher Spieleautor. Wie bist du das geworden? Was ist notwendig, um Spieleautor als Beruf ausüben zu können?
2 Du wohnst in Windsor, England. Wie hältst Du von England aus Kontakt mit der deutschen Spiele-Szene? Welche Spiele werden in England viel gespielt? Ist die dortige Spiele-Szene anders als die deutsche?
3 Wie wichtig ist das Internet für Dich, um Informationen zu beschaffen?
4 The game industry in France is growing very quicky, and I was just wondering if you intended to come to the French Toy fair which happens in January 2003 near Paris?
Die Spielindustrie in Frankreich wächst schnell. Beabsichtigst du zur französisichen Spielemesse zu kommen, die im Januar 2003 in der Nähe von Paris stattfindet?
Erweiterung PK (=Pöppelkiste): Wir möchten diese Frage zum Anlass nehmen, um von dir zu erfahren, welche Veranstaltungen du als Spieleautor besuchst. Wonach wählst du sie aus?
5 Heute vor einem Jahr, waren die Anschläge auf das World Trade Center und auf das Pentagon. Wir hatten an diesem Abend Spieleabend und dein Africa wurde als erstes gespielt. In der Vorbereitung auf das Interview mit Synes Ernst erfuhren wir, dass dies bei ihm zwei Tage später auch der Fall war. Wir möchten diesen Tag zum Anlass nehmen, das Thema Gewalt in Spielen aufzugreifen. Wie stehst du dazu, denn die Palette deiner Spiele reicht von dem sehr friedlichen Africa über das kooperative Der Herr der Ringe bis zu kämpferischen Spielen wie Kampf der Gladiatoren?
6 Es gibt viele Spiele mit historischen Themen von Dir. Nach welchen Gesichtspunkten wählst Du historische Themen aus?
7 Wie intensiv beschäftigst Du Dich mit den Hintergründen?
8 Unter anderem waren Die Kaufleute von Amsterdam eine Auftragsarbeit, mit der Vorgabe, die holländische Versteigerungsuhr zu verwenden? Welche Unterschiede gibt es bei der Entwicklung eines Spiels als Auftragsarbeit gegenüber der Entwicklung von anderen Spielen?
9 Viele Spiele, die du entwickelst sind Auftragsarbeiten. Wie kommst du an Auftragsarbeiten? Wie läuft eine Auftragsarbeit ab?
10 Du bist auch Autor von einer Reihe von Kinderspielen. Wie unterscheidet sich die Entwicklung von Kinderspielen von denen für Erwachsenen- und Familienspiele? Mit wem testet Du Deine Kinderspiele?
Erweiterung PK: und wie testet du Erwachsenen- und Familienspiele?
11 Manche ihrer Spiele, wie z. B. Modern Art oder Der Herr der Ringe, wurden (meines Erachtens) perfekt umgesetzt, bei manchen (z.B. Vampir) passen Spielmechanismus und Umsetzung nicht gut zueinander. Wie viel Mitspracherecht haben sie bei der Gestaltung eines Spiels?
12 Bei Samurai beispielsweise kann man der Spielregel entnehmen, dass durch Kooperation mit einem Japan-Experten viel Wert auf die Ausstattung und die Ästhetik gelegt wurde. Wie ist dies bei anderen Spielen von Dir?
13 Wie eng und ab wann arbeiten sie bei der Entwicklung eines Spiels mit den Redakteuren der Spieleverlage zusammen?
14 One of the things that fascinate me the most is their balance, so I was wondering if you are using any kind of mathematical tools (algorithmic, probability, etc...) in order to get the perfect balance. More generally, how do you use mathematics when designing games? Eine der Dinge, die mich am meisten faszinieren, ist die Ausgewogenheit der Spiele. Benutzen Sie mathematische Methoden wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung, um diese Ausgewogenheit zu erreichen? Inwieweit wenden sie Mathematik an, wenn sie Spiele erfinden?
15 Mitunter wird gesagt, Spiele von dir seien "mechanisch". Wie steht du zu dieser Äußerung?
16 I wonder if you think of game design as an art or a science? Have you ever considered teaching a course on game design? Vielen Dank für die vielen wunderbaren Spiele der letzten Jahre. Halten Sie die Entwichlung von Spiele für Kunst und/oder Wissenschaft?
17 In mancher Hinsicht werden Spiele mit Büchern verglichen, in manchen Bereichen, z. B. der Mehrwertsteuer, sind sie nicht gleich gestellt. In wie weit sind Spiele ein Kulturgut und inwieweit und in welcher Form sollte Spiel als Kulturgut gefördert werden?
18 Du warst Vorsitzender der SAZ (Spiele-Autoren-Zunft). Welche Ziele hast du mit und für sie und den anderen Spielautoren erreicht? Was muss deiner Meinung nach noch erreicht werden.
19 Wie hast du persönlich von der SAZ, sowohl als Mitglied als auch als Vorsitzender, profitiert?
20 Deine Spiele wurden oft mit Preisen ausgezeichnet, jedoch noch nie mit dem Titel "Spiel des Jahres". Wie stehst du zu den verschiedenen Spielepreisen?
21 Mich hat das kooperative Spielprinzip in HdR von Ihnen sehr fasziniert. Stimmt es, dass eine zweite Erweiterung zum Herrn der Ringe erscheinen soll?
22 Es sind mittlerweile einige Spiele von dir zum Thema Herr der Ringe erschienen. (Kleine neugierige Frage zwischendrin: Wie oft hast Du das Buch gelesen?) Wie ist Deine Faszination für diese Welt von Tolkien (ohne die Du - vermute ich zumindest - nicht eine solche Fülle von Ideen zum Thema hättest) zustande gekommen?
23 Auch beim Herr der Ringe Spiel, dessen dritte Erweiterung (Sauron) nun in Essen herauskommt, ist die schöne Ausstattung mit Illustrationen von John Howe ein Bestandteil, der zur Atmosphäre des Spiels beiträgt. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?
24 Bezüglich der Erweiterung der Feinde besteht eine gewisse Unklarheit bei der Regelauslegung: Das Regelwerk spricht wortwörtlich davon, dass nach jedem Spielzug eines Spielers nicht mehr als 7 Feinde ausliegen dürfen. Bisher ging ich davon aus, dass diese "7-Feindes-Grenze" nur beim Beenden eines Abenteuers gilt, man also nach dem normalen Spielzug freilich mehr als 7 Feinde auslegen darf. Das würde insofern Sinn machen, da ab 4-5 Spielern die Wahrscheinlichkeit eines neuen Feindes stark steigt, während die Hobbits so sehr mit der Heilung, den Lebensplättchen und der allgemeinen Versorgung beschäftigt sind, dass kaum Zeit bleibt, einen Feind zu besiegen. Ausserdem reicht es selten mit dem Timing, dass der aktive Spieler mit dem vordersten Feind nichts mehr anfangen kann (mit dem zweiten jedoch sehr wohl, der nun dummerweise in die Ferne gerückt wurde).
25 Man findet unter der http://www.knizia.de viele Erklärungen zu diesem, aber auch zu anderen Spielen; einige davon haben wir übersetzt. Wie bist du auf die Idee gekommen, FAQs zu deinen Spielen im Netz anzubieten?
26 Vielen Dank für dieses ausführliche Interview. Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern sagen möchstet? Oder möchtest du, nachdem du so viele Fragen beantwortest hast, uns eine Frage stellen? Dann tu es bitte.


7. September: Du bist hauptberuflicher Spieleautor. Wie bist du das geworden? Was ist notwendig, um Spieleautor als Beruf ausüben zu können?

Spieleautor wird man aus Liebe zum Spiel - es sei denn man ist Masochist. Ich habe gespielt so lange ich denken kann. Illertissen, wo ich aufgewachsen bin, ist eine Kleinstadt mit wenig Spielen. Meine Spielbegeisterung hat mich sehr früh dazu gebracht, eigene Spiele zu entwickeln. Meine ersten Prototypen habe ich wohl mit 10 Jahre gebastelt.

Die Spiele haben mich immer begleitet - in meinem ersten Leben als ich an verschiedenen Universitäten studiert, gelehrt und geforscht habe, in meinem zweiten Leben in der Softwareentwicklung und im Bankbereich, und natürlich jetzt umso mehr in meinem dritten Leben, seit ich vor fünf Jahren meine Vorstandsposition in einem großen britischen Baufinanzierungsinstitut an den Nagel gehängt habe.

Ich sehe das Spieleerfinden nicht als meinen Beruf, sondern als mein Hobby, oder wohl noch besser meine Berufung. Die Trennung zwischen Arbeit (die man verrichten muss) und Freizeit (die man genießt) erscheint mir unnatürlich. Ich hatte das Glück in meinem Leben nie "arbeiten" zu müssen. Ich habe immer das getan, was mich begeistert hat - und das mit ganzem Herzen und mit all meiner Energie. Morgens um 4 Uhr treibt es mich aus dem Bett, weil ich es nicht erwarten kann weiterzumachen, und es macht mir nichts aus, mich bis spät abends auf das zu konzentrieren, was mir wichtig ist und mich erfüllt. Ich bin der glücklichste Mensch der Erde.

Was braucht man, um Spieleerfinder zu sein? - Ganz einfach, man muss gute Spiele erfinden. Nur das zählt. Die Qualität des Spieleerfinders wird an der Qualität seiner Spiele gemessen. - Natürlich kann man sich mit seinen entwickelten Spielen dann mehr oder weniger geschickt anstellen. Dazu später mehr...

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8. September: (Frage von Kathrin Nos): Du wohnst in Windsor, England. Wie hältst Du von England aus Kontakt mit der deutschen Spiele-Szene? Welche Spiele werden in England viel gespielt? Ist die dortige Spiele-Szene anders als die deutsche?

Der internationale Aspekt in meinem Leben hat mich immer begeistert. Mit 23 Jahren bin ich in die USA gegangen. Nun bin ich schon 10 Jahre in England. In letzter Zeit spiele ich mit dem Gedanken - langfristig - wieder eine andere Kultur und eine andere Sprache kennen zu lernen.

Wenn man in einem anderen Land lebt, macht man so viele Erfahrungen, die das Leben bereichern und helfen, die Dinge in einem weiteren Rahmen zu sehen. Ich glaube, man wird toleranter und nimmt sich selbst weniger wichtig.

Spiele in Deutschland sind einzigartig. So findet man sie nirgendwo anders auf der Welt. Es gibt eine sehr starke Spieleszene, die aber ganz natürlich im weiten Familienbereich der Spiele aufgeht. Spielen in Deutschland ist Kulturgut, das von einer weiten Bevölkerungsschicht getragen wird.

Das ist in den USA anders. Dort gibt es den Hobby Market, den harten Kern der Spieler, der sich mit Role Playing, Dungeons & Dragons oder Miniatures Games beschäftigt. Das findet abseits vom Massenmarkt und der "normalen" Bevölkerung statt. Aus meiner Sicht werden Spiele in den USA von der Breite der erwachsenen Bevölkerung kaum wahrgenommen. Erst seit kurzem gewinnen die German Games auch in den USA an Bedeutung.

Großbritannien liegt irgendwo dazwischen, wohl näher an den USA. Wie in Deutschland gibt es hier jedoch eine lebhafte Kultur der Kartenspiele, allen voran natürlich Bridge. Da es in Großbritannien nur wenige Spieleverlage gibt, die sich zudem am Massenmarkt ausrichten, lebt die Spieleszene im Wesentlichen von Importen aus Deutschland und den USA.

Ich habe vor Jahren ganz bewusst die Entscheidung getroffen, mich mehr international auszurichten. Weil ich das genieße und weil ich mich vom Auf und Ab eines einzelnen Marktes unabhängig mache. Das macht mich frei - und ich genieße meine Freiheit. Ich glaube auch, dass das letztlich zu den besten Spielen führt.

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9.September: (Frage von Kathrin Nos): Wie wichtig ist das Internet für Dich, um Informationen zu beschaffen?

Zur Informationsgewinnung hat das Internet für mich kaum Bedeutung. In dieser Beziehung bin ich altmodisch. Ich liebe meine Bücher und genieße die Atmosphäre der Bibliotheken. Natürlich ist es angenehm, Flugtickets und Aktien jederzeit griffbereit auf seinem Bildschirm zu haben, aber kreative Themenstudien neuer Spiele finden in anderer Umgebung statt, nicht vor dem Bildschirm.

Email ist natürlich wichtig, weil das zum modernen Kommunikationsstandard geworden ist. Jeder kann jederzeit angesprochen werden. Das hat aber nicht nur Vorteile. Früher hat man Unterlagen mit der Post verschickt. Das hat ein paar Tage gedauert, man hatte ein paar Tage Zeit zur Bearbeitung und dann ging alles wieder per Post zurück. Heute bekomme ich morgens ein Email mit der gesamten Grafik für ein neues Spiel und der Anmerkung, dass alles nachmittags in Druck geht - falls ich noch Anregungen hätte. Das schafft unnötige und unproduktive Dringlichkeit, die kreative und künstlerische Berufe vor eine besondere Herausforderung stellt.

Gute Spiele lassen sich nicht zwischen zwei Telefonaten oder zwei Emails entwickeln. Ich brauche Muße, muss Zeit und Frieden haben, um meine Augen zu schließen und in fremde Welten zu blicken. Es ist wichtig, der Tyrannei des kurzfristig Dringlichen zu widerstehen - bei mehr als 20 neu aufgelegten Spielen jedes Jahr ist das nicht leicht. Ich verteidige meine Zeit für langfristige Entwicklungsarbeiten so gut es geht - und das hat ehrlich gesagt vor allem mit innerer Disziplin zu tun.

Ich habe zwei Arbeitsplätze, einer ist voll mit elektronischen Medien für die administrativen Aufgaben, der andere ist leer und öffnet mir die Tür zu neuen Welten, Spielsystemen und Materialien. Wenn ich hier bin, dann bin ich nicht dort, und umgekehrt. Außerdem habe ich einen dritten "Arbeitsplatz", draußen entlang des Long Walks zwischen Windsor und Ascot, wo ich ungestört und in Frieden nach Herzenslust mit mir Reden und Gestikulieren kann. Die anderen Wanderer halten mich für verrückt...

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10.September (Frage von d'Epenoux): The game industry in France is growing very quicky, and I was just wondering if you intended to come to the French Toy fair which happens in January 2003 near Paris?
Die Spielindustrie in Frankreich wächst schnell. Beabsichtigst du zur französisichen Spielemesse zu kommen, die im Januar 2003 in der Nähe von Paris stattfindet?
Erweiterung PK (=Pöppelkiste): Wir möchten diese Frage zum Anlass nehmen, um von dir zu erfahren, welche Veranstaltungen du als Spieleautor besuchst. Wonach wählst du sie aus?

I attended the Solon International du Jouet some years ago and got an impression. The French games market is special, it has different products, requires different graphical presentations and operates with different distribution channels. The market is interesting, but I do not understand it. Mainly this is, of course, because I do not understand the French. The French have a different way of life, and from experience they certainly have a different way of doing business. Maybe I should live in France for a while...

I get many invitations to attend game conventions, toy fairs or promotional events. Many of them are exciting and very tempting. But my first priority is to design games. This takes a lot of time - most people would be surprised just how much time goes into my designs. Whenever I say "yes" to spending time on something else, I say "no" to designing games...

I enjoy travelling and meeting people. Nevertheless, I try to minimize my travelling time. It is not only the time I am away, it is also the preparation beforehand and the follow-ups afterwards. In addition, I have a ground level of administrative work (record keeping, communication, contracts, sales, product liaison, promotion) of 20 to 30 hours each week. If I am away for a week, I have 50 hours the following week. As a consequence, what is most important to me suffers: designing games.

I attend the largest Fairs in the different markets and use them intensively to meet many people and to learn about new developments. Every year starts with the London Toy Fair followed by the Nurenberg Toy Fair in early February. Sometimes I attend the Gama Trade Show in Las Vegas in March, then the Game Designer Conference in Göttingen in May, either Origins or GenCon in the USA in summer, then the Essen Spiel in October. In-between there are always smaller events plus individual visits to publishers to discuss specific projects. And then there are a number of game conventions, like BayCon or RamsdenCon, but these are mainly used for playtesting and support the development of my new designs.

So many things to do, and so few turns...

(Übersetzung durch PK): Ich habe die Solon International du Jouet vor einigen Jahren besucht und nahm einige Eindrücke mit. Der französische Spielemarkt ist anders, hat andere Produkte, erfordert andere grafische Ausmachungen und arbeitet mit anderen Vertriebskanälen. Der Markt ist interessant, aber ich verstehe ihn nicht. Hauptsächlich liegt das daran, dass ich die Franzosen nicht verstehe. Sie haben einen anderen "Way of Life" und aus Erfahrung weiß ich, dass sie einen anderen Weg haben, Geschäfte zu tätigen.Vielleicht sollte ich einige Zeit in Frankreich leben...

Ich bekomme Einladungen zu vielen Spieleveranstaltungen, sowohl zu Spielemessen als auch zu Werbeveranstaltungen und viel von diesen sind interessiant und verführerisch. Doch mein Hauptanliegen ist die Entwicklung von Spielen. Dies braucht viel Zeit - und die meisten Leute überrascht es , wie viel Zeit ich in die Entwicklung von Spielen investiere.Jedes Mal, wenn ich "Ja" zu etwas anderem sage, sage ich "Nein" zur Entwicklung von Spielen...

Ich reise gerne und treffe gerne andere Leute. Nichtsdestoweniger versuche ich, meine Reisezeiten zu minimieren. Dies betrifft nicht nur die Zeit, die ich unterwegs bin, sondern auch die Zeit für die Vor- und Nachbereitung. Außerdem habe ich eine Grundlast durch administrativen Aufgaben (Buchführung, Kommunikation, Verträge, Verkäufe, Geschäftsbeziehungen, Werbung) von 20 bis 30 Stunden die Woche. Wenn ich für eine Woche weg bin, habe ich 50 Stunden ich der darauffolgenden Woche. Als Folge leidet das, was am wichtigsten ist: die Entwicklung von Spielen.

Ich besuche die größten Messen in den verschiedenen Märkten und nutze sie intensiv um Leute zu treffen und neue Entwicklungen kennen zu lernen. Jedes Jahr startet mit der London Toy Fair gefolgt von der Spielwarenmesse Nürnberg Anfang Februar. Manchmal besuche im März ich die Gama Trade Show in Las Vegas, dann im Mai das Spieleautorentreffen in Göttingen und im Sommer entweder Origins oder GenCon in den USA, schließlich die Spiel in Essen. Dazwischen liegen kleinere Veranstaltungen und gezielte Besuche bei Verlagen um spezielle Projekte zu besprechen. Und dann gibt es noch einige Spieletreffen wie  BayCon or RamsdenCon, aber diese werden hauptsächlich für Spieletests und Entwicklung meiner neuen Spiel benutzt.

Es gibt so viel zu tun und nur so wenig Spielzüge..

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11.September: Heute vor einem Jahr, waren die Anschläge auf das World Trade Center und auf das Pentagon. Wir hatten an diesem Abend Spieleabend und dein Africa wurde als erstes gespielt. In der Vorbereitung auf das Interview mit Synes Ernst erfuhren wir, dass dies bei ihm zwei Tage später auch der Fall war. Wir möchten diesen Tag zum Anlass nehmen, das Thema Gewalt in Spielen aufzugreifen. Wie stehst du dazu, denn die Palette deiner Spiele reicht von dem sehr friedlichen Africa über das kooperative Der Herr der Ringe bis zu kämpferischen Spielen wie Kampf der Gladiatoren?

Das ist eine gute und wichtige Frage.

Spiele sind ein Spiegel unserer Zeit, ebenso wie Bücher. Neben den märchenhaften oder fantastischen Themen behandeln Spiele natürlich auch Situationen unseres Lebens aus Gegenwart und Vergangenheit. Damit sollen uns angenehme und anregende Stunden mit unseren Freunden vermittelt werden.

Der Kernpunkt ist, wie man mit den Themen umgeht, vor allen mit den kritischen Themen. Eine Verherrlichung von Gewalt (gegen Menschen, Tiere oder Sachen) lehne ich ab. Ich glaube durchaus, dass man als Spieleautor - und als Verlag - die Verantwortung dafür trägt, was man dem Publikum bietet.

Vieles dabei ist subjektiv. Aber ein wesentlicher Faktor ist die Distanz zum Spielgeschehen, die detaillierte Umsetzung, und der Aufforderungscharakter. Schach, beispielsweise, symbolisiert eine Schlacht. Aber es ist ein abstraktes Spiel. Ich glaube kaum, dass sich dadurch ein Spieler zur Gewalt aufgefordert fühlt.

Letztlich muss jeder seinem Gefühl folgen - der Spieleautor, der Verlag und auch der Käufer/Spieler.

Ein Beispiel: Ein amerikanischer Verlag hatte für dieses Jahr die Neuauflage meines Spiels Pirat geplant. Erst in einem späten Stadium sah ich die meines Erachtens brutale Grafik und die thematische Umsetzung als Galactic Warlord. Ich habe mein Veto eingelegt, der Verlag wollte das Thema und die Darstellung jedoch nicht ändern. Ergebnis: Das Spiel erscheint nicht. Und das ist gut so!

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12.September:(von Kathrin Nos): Es gibt viele Spiele mit historischen Themen von Dir. Nach welchen Gesichtspunkten wählst Du historische Themen aus?

Interessante Themen sind ein ganz wesentlicher Träger und Erfolgsfaktor für ein Spiel. Ich bin ständig auf der Suche nach guten Themen, die einerseits spannend und andererseits noch frisch und unverbraucht sind. Natürlich hängen geeignete Themen stark vom Zielpublikum ab. Kinderspiele, beispielsweise, brauchen liebliche, freundliche und einfache Welten.

Über das Spielen habe ich meine Liebe zur Geschichte entdeckt, nachdem mir das Faktenlernen in der Schule zunächst alle Lust verdorben hatte. Die Geschichte bietet eine Fülle von fantastischen Themen, die uns ansprechen, in neue Welten einladen und viele spannende Rollen bieten.

Ein Beispiel: Tutanchamun nahm seinen Ursprung im ägyptischen Museum in München. Ich sah eine alte Landkarte, nichts als Wüste und dann dieser grüne fruchtbare Streifen, der Nil. Alles Leben und die kulturelle Entwicklung spielt sich einlang des Nils ab. Also ganz einfach: Man legt die Plättchen in einer langen Reihe aus und zieht in eine Richtung, so wie der Nil fließt. Man braucht nicht einmal einen Spielplan, den in der Wüste passiert ohnehin nichts. - Ein schönes Beispiel, das auch zeigt, dass man ungezwungen oft am kreativsten ist. Das Spielen tickt immer mit, egal was ich mache...

Geschichtliche Themen haben einen zusätzlichen Vorteil. Es muss nicht viel erklärt werden. Wenn ich Pharao in Ägypten bin, dann kenne ich meine Welt und kann mich aufs Spielen konzentrieren. Das hilft beim Kauf, weil der Käufer sofort versteht welche Spielwelt er bekommt, und es erleichtert den Zugang zum Spiel, weil die Rollen in einem guten Spiel natürlich der geschichtlichen Intuition folgen.

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13.September:(Frage von Kathrin Nos): Wie intensiv beschäftigst Du Dich mit den Hintergründen?

Die Keimzelle eines neuen Spiels kann aus vielen Bereichen kommen: ein interessanter Spielmechanismus, ansprechendes Material, mechanische oder technische Neuerungen oder eben das Thema. Natürlich muss am Ende alles schön zusammengebunden sein. Früher oder später steht damit immer die Themenrecherche an - es sei denn, es handelt sich um ein abstraktes Spiel.

Ich sehe die Themenrecherche nicht als notwendiges Übel sondern ganz im Gegenteil als reiche Quelle der Anregung und Inspiration. Oder anders gesagt, was ich in den Büchern finde, das muss ich mir schon nicht selbst ausdenken. Und das Spannende ist, dass man alle Freiheiten besitzt, die neue Welt so zu gestalten wie man möchte. Der Anfang eines neuen Spiels ist vielleicht das Schönste überhaupt, weil man noch alle Möglichkeiten und keine Probleme hat.

Ein Beispiel: Euphrat & Tigris fing mit dem Thema an. Die ersten Wochen habe ich nur gelesen und mich mit den Eigenheiten der damaligen Zivilisation vertraut gemacht. Ich habe dabei ganz bewusst nicht an mögliche Spielmechanismen gedacht, um mich nicht zu früh auf eine bestimmte Schienen zu bringen. Als ich schließlich ans Spielsystem ging, hatte ich alle Details parat und konnte immer dann wenn ich eine neue Spielfunktion brauchte aus dem Vollen schöpfen.

Eines ist besonders wichtig. Man kann ein Spiel nicht in eine Richtung zwingen. Ein Spiel muss sich entwickeln - fast wie ein Mensch. So geschieht es dann, dass aus einem Kartenspiel mit Spielplan nach und nach ein Plättchenspiel zum freien Auslegen wird (Ra) oder dass man ein gutes Spielsystem findet zu dem das ursprüngliche Thema nicht mehr so recht passt. Die Suche nach passenden Themen zu guten Spielsystemen ist spannend und ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine neues Spiel - mitunter auch weil der Verlag ein anderes Thema wünscht. Aber über den Einfluß des Verlags morgen mehr...

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14. September: Unter anderem waren Die Kaufleute von Amsterdam eine Auftragsarbeit, mit der Vorgabe, die holländische Versteigerungsuhr zu verwenden? Welche Unterschiede gibt es bei der Entwicklung eines Spiels als Auftragsarbeit gegenüber der Entwicklung von anderen Spielen?

Ja, das waren noch Zeiten, als ich ausschließlich freie Spiele entwickelte. Ich konnte tun und lassen was ich wollte, mich immer auf die interessantesten Projekte konzentrieren und andere Entwicklungen, die nicht so gut liefen auch liegen lassen, um sie mit etwas Distanz neu anzugehen. Das war ein sehr effektives Auswahlverfahren, um erfolgversprechende Spiele nach vorn zu bringen. Wenn ein Spiel fertig war, habe ich mir den passenden Verlag herausgesucht und ihm das Spiel angeboten. Meine Arbeit war getan...

Heute ist das anders. Viele meiner Projekte sind bereits bei einem Verlag platziert, bevor ich richtig angefangen habe. Dann steht der Verkaufspreis fest, das Material ist vorgegeben, ich muss mich an einer bestimmten Zielgruppe ausrichten und das Thema orientiert sich meist an einer Lizenz. Und natürlich gibt es einen Termin. Viele Freiheiten sind dahin. Es beginnt die Herausforderung eine künstlerisch kreative Arbeit von hoher Qualität termingerecht abzuliefern.

Die Kaufleute von Amsterdam waren eine Ausnahme, weil wirklich nur die Versteigerungsuhr vorgegeben war, nicht einmal das Thema - aber Amsterdam lag natürlich auf der Hand. Ich wusste sofort, dass die Versteigerungsuhr gute Interaktion liefert und dass ich damit ein spannendes historisches Handelsspiel kreieren kann, also habe ich ja gesagt...

Ich habe ein paar Grundsätze: Keine unrealistischen Projekte zusagen, egal wie spannend sie sind. Immer mehr Zeit einplanen als man denkt - man braucht sie! Nicht zu viele Projekte gleichzeitig anfangen. Und grundsätzlich keine Kompromisse an der Qualität.

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15. September: Viele Spiele, die du entwickelst sind Auftragsarbeiten. Wie kommst du an Auftragsarbeiten? Wie läuft eine Auftragsarbeit ab?

Warum Auftragsarbeiten? Nur so lassen sich wirklich große Projekte, starke Lizenzen oder elektronische Entwicklungen anpacken. Ich kann mich nicht einfach hinsetzen und ein Herr der Ringe Spiel entwickeln, ohne dass die Lizenz gesichert ist. Und mit der Lizenz sind hohe Garantiezahlungen verbunden, Termine und Verpflichtungen. Da brauche ich von Anfang an einen Verlag um sicherzustellen, das das Spiel erscheint.

In den meisten Fällen sichert sich der Verlag die Lizenz und sucht sich dann einen geeigneten Spieleautor. Natürlich wendet sich der Verlag an erfahrene Leute, wo er weiß was er bekommt. Wenn man den Ruf hat, gute Spiele zu machen, zuverlässig ist und dann auch noch Englisch spricht, ist man im Spiel, insbesondere wenn man schon erfolgreiche Lizenzen entwickelt hat.

Die Belohnung ist, dass man mit fantastischen Lizenzen arbeiten kann, von denen ich früher nur geträumt habe: Der Herr der Ringe, Star Wars, Elektronisches Monopoly, Micky Maus und Donald Duck, Die Sendung mit der Maus, Die Simpsons, Benjamin Blümchen...

Das macht fantastisch Spaß!

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16. September: (Fage von Kathrin Nos): Du bist auch Autor von einer Reihe von Kinderspielen. Wie unterscheidet sich die Entwicklung von Kinderspielen von denen für Erwachsenen- und Familienspiele? Mit wem testet Du Deine Kinderspiele?
Erweiterung PK: und wie testet du Erwachsenen- und Familienspiele?

Spieletests haben eine fundamentale Bedeutung im Entwicklungsprozess eines neuen Spiels. Spielspaß, und darum geht es letztlich, lässt sich nicht theoretisch entwickeln und prüfen. Spielspaß muss praktisch erfahren und erlebt werden - und trotz all der Erfahrung, die ich in den vielen Jahren gesammelt habe, erlebe ich dabei immer wieder Überraschungen. Das macht die Sache spannend.

Spieletests erfordern viel Aufwand an Zeit und Personen. Um erfolgreich zu sein, muss dieser Prozess gut organisiert werden. Und das hat viele Aspekte:

Es ist wichtig, Spiele mit dem Zielpublikum zu testen um ihre Angemessenheit zu garantieren: Kinderspiele mit Kindern, Spiele für den breiten Markt mit Gelegenheitsspielern, und anspruchsvollere Strategiespiele mit Spieleprofis.

Ich spiele vier bis sechs mal die Woche. Am Dienstag Abend und am Mittwoch Abend habe ich zwei feste regelmäßige Spielrunden - das sind die Spieleprofis. Am Donnerstag gehe ich in den Kindergarten - dort werden natürlich Kinderspiele ausprobiert, aber nicht nur dort. Der Donnerstag Abend ist für Einzelbesprechungen mit meinen engsten Testspielern reserviert, die eigenständige Aufgaben übernehmen (Themenrecherchen, Bau eines Prototyps, Test von Spielvarianten...). Am Freitag Abend und/oder am Samstag Nachmittag spiele ich mit Gelegenheitsspielern, um die Spiele auch in diesem Umfeld zu sehen. Den Sonntag halte ich meist frei, um aufwendige Projekte, die viel Konzentration erfordern, voranzubringen - da klingelt kein Telefon. Aber wenn ich in einer testintensiven Phase bin, wird auch am Sonntag gespielt.

Ich weiß bei jedem Test genau, welche Fragen ich habe und was ich besonders beobachten möchte. Ich habe meine Notizblätter neben mir, dort vermerke ich während des Spiels alle Ideen und Erkenntnisse. Nach dem Spiel wird dann diskutiert, oft dauert das länger als das Spiel selbst.

Die Testspieler sind eine wichtige kreative Quelle für mich, und sie sind ein entscheidender Prüfstein, weil sie gewollter weise sehr kritisch sind. Bei den Diskussionen nehme ich eine Moderatorenrolle ein - eigene Ideen kann ich entwickeln wenn ich wieder alleine bin. Ich stelle Fragen und dann höre ich zu. So lerne ich am meisten über das Spiel, und die Testspieler fühlen sich ernst genommen, weil sie sich einbringen können. Ich glaube ich bin ein richtiger Blutsauger...

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17. September (Frage von Jörg Junkersfeld): Manche ihrer Spiele, wie z. B. Modern Art oder Der Herr der Ringe, wurden (meines Erachtens) perfekt umgesetzt, bei manchen (z.B. Vampir) passen Spielmechanismus und Umsetzung nicht gut zueinander. Wie viel Mitspracherecht haben sie bei der Gestaltung eines Spiels?

Das Mitspracherecht bei der Gestaltung eines neuen Spiels im Verlag läuft eher informell. Im Wesentlichen hängt es davon ab, wie man mit den einzelnen Redakteuren zurechtkommt, aber natürlich auch vom Stil der Verlagshäuser. Man trägt selbst viel dazu bei, wenn man Änderungen gegenüber aufgeschlossen ist und konstruktive Beiträge liefert.

Ich akzeptiere, dass der Verlag in vielen Dingen die letztendliche Entscheidung haben muss, denn der Verlag investiert und trägt das wirtschaftliche Risiko. Das betrifft insbesondere auch den Titel und die grafische Präsentation. Natürlich ist es mir sehr wichtig, dass "mein" Spiel gut gestaltet wird und dass es am Ende das zum Ausdruck bringt, was ich wollte. Schließlich steht mein Name auf dem Spiel - und das ist wörtlich und im übertragenen Sinne zu sehen.

Man kann Verlage und Redakteure nicht ändern, man muss sie nehmen wie sie sind. Aber man kann entscheiden, mit wem man zusammenarbeitet. Und das mache ich sehr differenziert, wenn ich mir überlege wem ich welches Spiel gebe. Denn mein wichtigstes Ziel ist, gute Spiele zu veröffentlichen, die gefallen und gespielt werden. Ein erfahrener Redakteur und Verlag kann viel zum Erfolg eines Spiels beitragen und dann macht die Zusammenarbeit auch richtig Spaß.

Wenn ein Spiel einmal nicht so gut ankommt, dann liegt es manchmal am Verlag, manchmal an mir, manchmal an beiden, und manchmal einfach daran, dass man es nicht allen Recht machen kann...

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18. September:  (Frage von Kathrin Nos): Bei Samurai beispielsweise kann man der Spielregel entnehmen, dass durch Kooperation mit einem Japan-Experten viel Wert auf die Ausstattung und die Ästhetik gelegt wurde. Wie ist dies bei anderen Spielen von Dir?

Meine Theorie eines erfolgreichen Spiels hat zwei Stufen:

Die Initialkäufe werden weitgehend durch die Vertriebsstärke des Verlags und die Präsentation des Produkts bestimmt - mit einer bekannten Lizenz versehen zählt das Spiel bereits als "vorverkauft". Da spielt der Inhalt zunächst kaum eine Rolle.

Aber wirklich erfolgreich wird ein Spiel erst wenn auch der Inhalt stimmt. Das heißt, wenn das Spiel gespielt wird, viel gespielt wird. Keiner liest gerne Spielregeln auf dem Papier. Die meisten Leute lernen Spiele durch das Spielen mit Freunden und Bekannten kennen. Wenn es Spaß macht, dann kaufen die Leute das Spiel selbst und spielen es mit ihren Freunden und Bekannten. So kommt die Lavine ins Rollen.

Während die erste Stufe im Wesentlichen vom Verlag bestimmt wird, liegt der Ausgang der zweiten Stufe vorwiegend in meinen Händen. Aber der Erfolg hat viele Väter. Entscheidend ist, dass das Spiel eine harmonische Einheit bildet, wo alles zusammen passt: Spielgrafik und Spielthema, Spielmaterial und Spielablauf, Spieldauer und Spielpublikum, Spielanspruch und Spielspaß, Schachtelgröße und Preis.

Im Nachhinein kann jeder erklären, warum bestimmte Spiele erfolgreich sind und andere nicht -ob die Erklärungen stimmen sei dahingestellt. Nur im Voraus will es nicht so recht klappen - oder hat schon jemals jemand eine korrekte Marketingprognose gesehen?

In Hollywood wissen die Studios meist nicht, wie erfolgreich ein neuer Film wird. Dass stellt sich in den ersten Tagen in den Kinos heraus. Bei neuen Spielen ist das oft nicht anders...

Alles was man tun kann ist, sein Bestes geben.

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19.September: (Frage von Jörg Junkersfeld): Wie eng und ab wann arbeiten sie bei der Entwicklung eines Spiels mit den Redakteuren der Spieleverlage zusammen?

Auf diese Frage gibt es viele Antworten:

Wenn ich ein Spiel frei entwickle, dann beginnt die Zusammenarbeit erst, wenn das Spiel fertig ist und ich es einem Verlag anbiete. - Ich spreche grundsätzlich nicht über Spiele, die gerade in Entwicklung sind. Die Redakteure leiten daraus erfahrungsgemäß sofort die Erwartung oder sogar den Anspruch ab, dass ihnen das Spiel zuerst gezeigt wird, auch wenn im Laufe der Entwicklung noch gar nicht klar ist, wohin das Spiel passt.

...aber die Zusammenarbeit beginnt natürlich viel früher. Ich bin mit den verschiedenen Redakteuren schon vorab in Kontakt, um zu wissen was sie aktuell suchen, und wann sie neue Dinge sehen wollen. - Redakteure sind keineswegs immer gleich offen für neue Spiele. Oft haben sie mit dem bereits verabschiedeten Programm alle Hände voll zu tun, und dann liegt das Spiel bei ihnen Monate lang im Schrank. Da liegt es in meinem Schrank besser.

...aber die Zusammenarbeit beginnt natürlich viel früher, wenn es um eine Auftragsarbeit geht. Hier werden die Rahmendaten des Spiel von Anfang an abgesteckt. Der Kontakt muss dann im Laufe der Entwicklung viel enger sein, um sicher zu stellen, dass der Verlag auch bekommt, was er sich vorstellt. (Siehe Fragen 8 und 9.)

...aber im Grunde genommen beginnt die Zusammmmenarbeit noch viel früher, denn man baut mit den Redakteuren ja langfristige Beziehungen auf, man lernt sich kennen und weiß was man voneinander erwarten kann. - Das ist der Grund, warum ich grundsätzlich ohne Agenten arbeite. Ich brauche den direkten Kontakt zu den Verlagen, um den Markt zu kennen. So kann ich die besten Spiele entwickeln, sie optimal platzieren, und bei den interessantesten Projekten mit von der Partie sein....

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20.September: (Frage von Cedric): Hi Reiner, I'm a big fan of your games (like everybody here I guess). Sorry, my German is awful, so let's speak English. One of the things that fascinate me the most is their balance, so I was wondering if you are using any kind of mathematical tools (algorithmic, probability, etc...) in order to get the perfect balance. More generally, how do you use mathematics when designing games? Eine der Dinge, die mich am meisten faszinieren, ist die Ausgewogenheit der Spiele. Benutzen Sie mathematische Methoden wie die Wahrscheinlichkeitsrechnung, um diese Ausgewogenheit zu erreichen? Inwieweit wenden sie Mathematik an, wenn sie Spiele erfinden?

I am trained as a mathematician and a scientist. One of the main qualities of mathematicians is analytical thinking. Once it is in you, it stays with you. Of course, this also influences my games. Not because I deliberately focus on the game system, but because it is my natural way how I see and structure the world. And my understanding of the world is reflected in my games. I do not think of probability and statistics, it just happens subconsciously and naturally - and maybe I therefore have a stronger sense to detect imbalences.

I believe it is important that a game has a stable and balanced game system that offers many different strategies but does not allow the players to beat the system through extreme strategies. I want players to play within the theme, therefore the game system must rewards thematic play. In this respect the scoring system is of vital importance. Players attempt to maximise their scores, hence the scoring system must be aligned with thematically motivated actions and, of course, these actions must also be challenging and fun.

 Very rarely do I use formal statistical tools to analyse my designs. I have applied complete path analysis for some games in my book "Dice Games Properly Explained", where I solved many dice game by describing comprehensive optimal strategies. I also used a Monte Carlo simulation to analyse the average distribution of event tiles in my new expansion "Lord of the Rings - Sauron" when played with the additional 23 Dark Events. But that was simply to determine the optimal tile composition - according to my taste. Statistical analysis is never a substitute for play testing. Game balance is subjective and needs to be tested carefully, and fun and justice is even more subjective...

(Übersetzung durch PK):Ich bin als Mathematiker und Naturwissenschaftler ausgebildet. Eine der Haupteigenschaften der Mathematiker ist das analytische Denken. Natürlich beeinflusst dies auch meine Spiele. Dies geschieht nicht, weil ich mich bewusst auf das Spielsystem konzentriere, sondern weil es meine natürliche Art ist, die Welt zu sehen und zu strukturieren. Mein Weltverständnis spiegelt sich in meinen Spielen wieder. Ich denke nicht über Wahrscheinlichkeit und Statistik nach, es geschieht unbewusst und instinktiv - daher habe ich möglicherweise ein besseres Gefühl dafür, ein Ungleichgewicht zu entdecken.

Ich glaube, es ist wichtig, dass ein Spiel ein stabiles und ausbalanciertes Spielsystem besitzt, das viele verschiedene Strategien anbietet, es den Spielern aber nicht erlaubt es durch Extremstrategien auszutricksen. Ich möchte, dass die Spieler innerhalb des Themas spielen, daher muss das Spielsystem thematisches Spiel belohnen. In dieser Hinsicht ist das Wertungssystem von größter Wichtigkeit. Spieler versuchen ihre Ergebnisse zu maximieren, folglich muss sich das Wertungssystem nach thematisch orientierten Handlungen ausrichten und diese Handlungen müssen herausfordernd und spaßig sein.

Sehr selten benutze ich statistisches Handwerkszeug, um meine Entwicklungen zu analysieren. Ich habe die komplette Pfadanalyse auf einige Spiele in meinem Buch "Dice Games Properly Explained" angewandt. Dort löste ich viele Würfelspiele durch die Beschreibung verständlicher optimaler Strategien. Ich benutzte eine Monte Carlo Simulation, um die durchschnittliche Verteilung der Ereigniskärtchen in meiner neuen Erweiterung " Der Herr der Ringe - Sauron" wenn man sie mit den zusätzlichen 23 Dunklen Ereignissen spielt, zu analysieren. Doch es war nur um die optimale Plättchen-Zusammensetzung zu bestimmen - nach meinem Geschmack. Eine statistische Analyse ist niemals ein Ersatz für einen Spieletest. Spielgleichgewicht ist subjektiv und muss sorgfältig getestet werden, aber Spaß und Gerechtigkeit sind noch viel subjektiver...

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21.September: Mitunter wird gesagt, Spiele von dir seien "mechanisch". Wie steht du zu dieser Äußerung?

In Extremen gesprochen gibt es zwei Typen von Menschen, solche die Redundanz erzeugen und solche die Redundanz verringern. (Für beide gibt es auch Schimpfwörter.)

Zum ersten Typ gehören die Geschichtenerzähler, Romanautoren und ein Teil der Spieleautoren. Es werden neue Welten ersonnen mit vielen Details, für jede Spielfunktion gibt es eigene Regeln. Das bringt sehr thematische Spiele, die mit viel Spielmaterial aus dem Thema heraus leben, die aber durch die Fülle der Details oft aufwendige Regeln haben.

Zum zweiten Typ gehören die Wissenschaftler, viele Sachbuchautoren und ein anderer Teil der Spieleautoren. Hier werden die Dinge auf wenige Prinzipien zurückgeführt, die Spielfunktionen folgt einheitlichen Regeln. Das bringt einfache Spiele mit kurzen Regeln und viel Tiefgang, die aber durch die Dominanz des Spielprinzips mitunter mechanisch wirken.

Ich liebe einfache Spielmechanismen und klare Spielprinzipien, die - so zum Beispiel Go - mit wenig Regeln ein spannendes und abwechslungsreiches Spiel bieten. Ich versuche meine Welt einfach zu halten und das wirklich Wichtige zu genießen, im Leben wie im Spiel. So bin ich - und so bleibe ich.

Die Welt ist nicht Schwarz-Weiß, aber jeder Künstler, jeder Spieleautor hat seine eigene Handschrift und steht irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Unterschiedliche Autoren schaffen unterschiedliche Spiele - und das ist gut so.

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22. September: (Frage von Richard Heli): Hallo, Many thanks for your many wonderful games over the past decade. I wonder if you think of game design as an art or a science? Have you ever considered teaching a course on game design? Vielen Dank für die vielen wunderbaren Spiele der letzten Jahre. Halten Sie die Entwichlung von Spiele für Kunst und/oder Wissenschaft?

I have a very clear position here: Game design is an art - not a science.

Yes, you can design games with a scientific approach. Yes, you can use checklists how to design a good game - in the same way as you can draw a picture or compose a piece of music mechanically. And yes, this can help a beginner to reach a certain level of results. But you are not going to get a masterpiece.

One of my continuous efforts is not to follow old paths but to find new approaches to game design and to explore new entry points. I believe that starting at the same point or using the same method usually leads to the same places and does not really create innovation. The more you apply a fixed system, the more creativity you lose.

I am frequently asked the question: "Please, give me advice how to design good games?" My answer: "Do the opposite of what I say." Which is the best advice I can give. I feel the more experience I have, the harder it gets in some respect to design another good game, as so many paths have been used before...

And yes, I have given courses on Game Design, for example at the MIT (Massachsetts Institute of Technology in Boston), and - surprise, surprise - one of my acetates reads: Game design is an art - not a science.

(Übersetzung durch PK): Ich habe hier eine sehr deutliche Position: Spielentwicklung ist eine Kunst - keine Wissenschaft.

Ja, man kann Spiele mit wissenschaftlichen Ansätzen entwickeln. Ja, man kann Checklisten für den Entwurf eines guten Spiels benutzen - in derselben Art und Weise wie man mechanisch ein Bild malen oder ein Musikstück komponieren kann. Und ja, dies kann Anfängern helfen, mit ihren Ergebnissen ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Aber man erreicht so kein Meisterstück.

Eine meiner fortwährenden Bemühumgen besteht darin, nicht den alten Wegen zu folgen, sondern neue Ansätze für die Entwicklung von Spielen zu finden und neue Einstiegspunkte zu erforschen. Ich glaube, dass die Verwendung des selben Ausgangspunkts oder die Benutzung der selben Methoden im Normalfall  zum selben Ergebnis führt und nicht wirklich innovativ ist. Je mehr du ein bekanntes System verwendest, desto mehr verlierst du deine Kreativität.

Ich werde häufiger gefragt: "Bitte, geben Sie mir einen Rat, wie ich gute Spiele entwickle?" Meine Antwort: "Tun Sie das Gegenteil von dem, was ich sage." Das ist der beste Rat, den ich geben kann. Ich fühle, wie es schwerer wird ein weiteres gutes Spiel zu entwickeln je erfahrener ich bin, da so viele Pfade bereits beschritten wurden....

Und ja, ich habe Kurse in Spielentwicklung gegeben, zum Beispiel an der MIT (Massachusetts Institute of Technology in Boston) und - Überraschung - in einer meiner Bescheinigungen steht: Spielentwicklung ist eine Kunst - keine Wissenschaft.

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23. September: In mancher Hinsicht werden Spiele mit Büchern verglichen, in manchen Bereichen, z. B. der Mehrwertsteuer, sind sie nicht gleich gestellt. In wie weit sind Spiele ein Kulturgut und inwieweit und in welcher Form sollte Spiel als Kulturgut gefördert werden?

Ob und in welchem Umfang Spiele Kulturgut sind ist nicht eine Frage der Definition sondern eine Frage der Beobachtung. Welche Rolle spielen die Spiele in unserem Leben?

Ich glaube, miteinander spielen ist eine der wertvollsten Freizeitbeschäftigungen überhaupt.

Spiele bringen Menschen zusammen, unabhängig von Alter, sozialer Schicht, Nationalität, Religion.

Spiele bringen Sicherheit, weil sie uns eine überschaubare Welt mit klaren Regeln bieten. (Aber der Spielreiz von Sammelkartenspielen besteht gerade in der Auseinandersetzung mit den sich ständig erweiternden Regeln.)

Spiele erweitern unseren Horizont, weil sie uns in fremde Welten entführen.

Spiele stimulieren zum aktiven Handeln, auf dem Spielplan und zwischen den Spielern.

Spiele lehren uns (indirekt) soziales Verhalten und dessen Konsequenzen. (Damit kommt auch Verantwortung ins Spiel, siehe Frage 5.)

Spiele konkurrieren mit anderen Freizeitangeboten wie Lesen, Reisen, Sport, Fernsehen und Kino um die verfügbaren Mittel und die verfügbare Zeit der Menschen. In Deutschland wird in der breiten Bevölkerung gespielt. Spielen ist Kulturgut. In den USA sind Spiele auf eher kleine Bevölkerungssegmente konzentriert, insofern ist Spielen dort als Ausdruck der Kultur weniger dominant. (Siehe Frage 2.)

Spiele sind auch ein Spiegel der jeweiligen Kultur. Schach, so wie wir es heute spielen folgt westlicher Philosophie - ich schlage mit meinem Springer den gegnerischen Läufer direkt vom Brett. Go verläuft indirekt, Stein für Stein zieht sich das Netz zusammen bis der Gegner schließlich unter dem Druck vieler kleiner Aktionen zerbricht - fernöstliche Strategie.

Die Kommerzionalisierung des Spiels ist keine Voraussetzung für das Gedeihen und die Beliebtheit des Spielens. Zur Förderung des Kulturguts Spiel trägt letztlich alles bei was Spiele im Bewusstsein der Menschen verstärkt und sie zum Spielen bringt.

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24. September: Du warst Vorsitzender der SAZ (Spiele-Autoren-Zunft). Welche Ziele hast du mit und für sie und den anderen Spielautoren erreicht? Was muss deiner Meinung nach noch erreicht werden.

Die Spiele-Autoren-Zunft hat drei übergreifende Ziele:

  1. Die Förderung des Spiels als Kulturgut.
  2. Die Förderung des Gedankenaustauschs unter den Spieleautoren und in der Spielebranche.
  3. Die Förderung der Interessen der Spieleautoren.

Eines meiner Hauptziele war die Stärkung der SAZ durch eine größere Mitgliederbasis, strukturierte Mitgliederinformationen und eine effiziente Organisation unserer Geschäftsstelle in Stuttgart. Wir haben die nun regelmäßig erscheinende SAZ-News (in deutsch und english) gegründet und eine Sammlung von Informationsblättern (SAZ-Forum) und gedruckte Broschüren für die Mitglieder und das breite Publikum koordiniert. Innerhalb meiner zweijährigen Amtszeit konnten wir die Mitgliederzahl um rund 30% auf 300 erhöhen. Ein besonderes Anliegen war mir die Internationalisierung der SAZ. Die Anzahl unserer ausländischen Mitglieder hat sich ausgehend von 25 fast verdreifacht.

Messeauftritte und die inzwischen zur Tradition gewordene SAZ Party auf der Nürnberger Spielwarenmesse binden jedes Jahr viele Resourcen der SAZ. Es ist wichtig, dass die Leistung der Spieleautoren in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Auch das ist ein Beitrag zum Kulturgut Spiel. Menschen machen Geschichte, und hinter jedem Spiel, wie hinter jedem Buch auch, steckt eine Geschichte. Das sieht man an unserem neuen Standkonzept "Menschen & Köpfe".

Nähere Informationen über die SAZ gibt es im Internet unter www.S-A-Z.de oder von der SAZ-Geschäftsstelle, Heinestraße 169, D-70597 Stuttgart.

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25. September: Wie hast du persönlich von der SAZ, sowohl als Mitglied als auch als Vorsitzender, profitiert?

Die SAZ lebt vom Austausch der Mitglieder untereinander. Über die SAZ bin ich mit vielen interessanten Menschen in Kontakt gekommen. Für jede Frage oder jedes Problem das man hat, findet sich ein kompetenter und hilfsbereiter Ansprechpartner. Als Mitglied erhält man ja alle Kontaktadressen des Vereins.

Wer sich mehr engagieren möchte, für den gibt es viele interessante Aufgaben in die man sich einbringen kann oder auch Fachgruppen, die sich beispielsweise mit Vertragsrecht oder Urheberrecht beschäftigen.

Ich bedauere es, dass nur eine geringe Anzahl SAZ-Mitglieder aktiv ist und sich bei manchen Mitgliedern eine Konsumentenhaltung bemerkbar macht: ich zahle meinem Mitgliedsbeitrag, folglich will ich auch etwas dafür haben, also macht mal. Ja, wir zahlen alle unseren Mitgliedsbeitrag, aber nur wenige machen etwas. Ich glaube, dass die Aktivierung der Mitglieder zum wesentlichsten Erfolgsfaktor für die SAZ der Zukunft wird. Ich hoffe, meine Nachfolger sind hier erfolgreicher als ich es war.

Um das entscheidende Wort aus der Frage noch aufzugreifen, man "profitiert" in der Spiele-Autoren-Zunft so viel wie man bereit ist sich zu engagieren und sich einzubringen, wie überall im Leben...

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26.September: Deine Spiele wurden oft mit Preisen ausgezeichnet, jedoch noch nie mit dem Titel "Spiel des Jahres". Wie stehst du zu den verschiedenen Spielepreisen?

Preise sind ein wichtiger Beitrag zur Förderung des Spiels als Kulturgut, denn Spielepreise werden vom breiten Publikum wahrgenommen. Es spielt dabei eigentlich gar keine Rolle, wer den Preis gewinnt und welches Spiel gewählt wird, solange das ausgezeichnete Spiel für das Zielpublikum geeignet ist. Dieses Kriterium ist allerdings extrem wichtig, denn mit einem passenden Spiel kann man viele neue Freunde des Spielens finden, mit einem unpassenden Spiel kann man umgekehrt viel Schaden anrichten. Jeder Preis leistet so auf seine Art seinen Beitrag zur Verbreitung des Spielgedankens.

Aus persönlicher Sicht halte ich es für wichtig, sich nicht wie ein Fähnchen nach dem Wind der Kritiker auszurichten und auf die Spielepreise zu schielen. Man muss tun, was man selbst für richtig hält. Dann macht man die besten Spiele und der Erfolg stellt sich ganz natürlich ein.

Selbstverständlich macht es glücklich, Preise zu gewinnen, aber letztlich verstauben sie auch nur im Regal. Wer sein Glück von äußerer Anerkennung abhängig macht, der begibt sich aus meiner Sicht in eine gefährliche Abhängigkeit. Das gilt für die Welt der Spiele ebenso wie im "richtigen" Leben...

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27. September: (Frage von Michael Templin): Mich hat das kooperative Spielprinzip in HdR von Ihnen sehr fasziniert. Stimmt es, dass eine zweite Erweiterung zum Herrn der Ringe erscheinen soll?

Ja, die Sauron Erweiterung ist gerade in englischer Sprache erschienen und wird ab Oktober auch in deutsch erhältlich sein. Diese Erweiterung ist für drei bis sechs Spieler, wobei ein Spieler die Rolle Saurons übernimmt und gegen die Gemeinschaft des Rings spielt. Sauron hört alles mit und setzt seine Kräfte da ein, wo es die Hobbits am meisten trifft. Selbst eine harmlose Bemerkung wie "ich habe keine Sternkarte" kann dann böse Folgen haben, denn Sauron nutzt jede Schwäche erbarmungslos aus. Eine neue Figur, der Schwarze Reiter, jagt den Hobbits auf der Finsternisanzeige entgegen. Das Abenteuer geht weiter...

Außerdem enthält die Sauron Erweiterung 23 Dark Events - neue Ereigniskärtchen allesamt mit negativen Konsequenzen. Diese kann man im Grundspiel oder auch mit jeder Erweiterung verwenden. Dann darf man zwar jedes Kärtchen, das man aus der neuen Sauronbeutel zieht, ablehnen. Doch wer weiß, vielleicht ist das Ersatzkärtchen, das man dafür bekommt noch schrecklicher, und dann hat man keine Wahl.

Ich wünsche viel Spaß!

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28. September: Ruhetag. Wir spielten die Erweiterung "Sauron" zu Der Herr der Ringe" bei der Neuheitenvorstellung von Kosmos in Roßdorf


29.September: (Frage von Kathrin Nos): Es sind mittlerweile einige Spiele von dir zum Thema Herr der Ringe erschienen. (Kleine neugierige Frage zwischendrin: Wie oft hast Du das Buch gelesen?) Wie ist Deine Faszination für diese Welt von Tolkien (ohne die Du - vermute ich zumindest - nicht eine solche Fülle von Ideen zum Thema hättest) zustande gekommen?

Meine Faszination für die Welt von Tolkien fing damit an, dass ich in Deutschland mit ihr nicht in Berührung kam. Seitdem ich in England bin, habe ich unter meinen Freunden viele Tolkienfans. Mein erster Versuch am Buch scheiterte kläglich. “Spiele über einer Stunde sind unspielbar – Bücher über 200 Seiten sind unlesbar...” Auch eine 20-stündiges BBC Hörspielproduktion in 20-Minuten-Stückchen auf der Fahrt zur Arbeit angehört, brachte ich verwirrt von den vielen Details nicht zu Ende. Wie schon gesagt, ich versuche Redundanz zu verringern, Tolkien ist ein Vertreter der anderen Seite (siehe Frage vom 21. September) ...

... wohl nicht gerade die erwartete Einleitung zur Faszination Tolkiens. Erst nach der Vereinbarung, Tolkien-Spiele zu machen, ging es zur Sache - aber top-down. Ich sprach mit vielen Freunden, ließ mir die Handlung im Herrn der Ringe erzählen und die Charaktere beschreiben. Insbesondere ging es mir darum, zu erfahren was die Tolkienfans von heute interessiert und begeistert - was ja nicht so direkt im Buch steht. Dann durchleuchteten wir in die Details bedeutender Kapitel. Erst danach ging es auf die einzelnen Seiten und Abschnitte des Buchs. Diesen Prozeß habe ich für die einzelnen Szenarien des Basisspiels und die weiteren Spiele mehrmals durchlaufen - natürlich unterstützt durch viel Sekundärliteratur.

Wie isst man einen Elefanten? Man macht kleine Stückchen draus und verspreist ein Häppchen nach dem anderen...

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen. Tolkiens Leistung ist immens. Er ist schlichtweg der Vater aller Fantasie mit ihren Gestalten und den archetypischen menschlichen Herausforderungen. Tolkien fasziniert mich sehr, aber wahrscheinlich auf einer anderen Ebene als die Romanleser. Was Tolkien als englische Mythologie geschaffen hat, findet man in vielen neuen Filmen und Romanen mehr oder weniger bewußt aufgegriffen. Viele stehen in Tolkiens Schuld, ich auch.

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30.September (Frage von Kathrin Nos): Auch beim Herr der Ringe Spiel, dessen dritte Erweiterung (Sauron) nun in Essen herauskommt, ist die schöne Ausstattung mit Illustrationen von John Howe ein Bestandteil, der zur Atmosphäre des Spiels beiträgt. Wie ist dieser Kontakt zustande gekommen?

Die Grafiken der Tolkien-Spiele sind von besonderer Bedeutung. Nicht nur weil die Tolkiensche Fantasiewelt voll von Bildbeschreibungen ist, sondern auch weil jeder Leser seine eigene Bilderwelt entwickelt, der man gerecht werden muss. Dies war eine noch größere Herausforderungen für die neuen Herr der Ringe Filme. John Howe wurde vom Lizenzgeber vorgeschlagen. Er ist ein fantastischer Grafiker, bekannt für seine Tolkien Interpretationen und er war auch ein Art Director der Filme.

Eines meiner wesentlichen Ziele bei der Entwicklung des Basisspiels war, John viel Raum für seine Bilder geben wollte. Daher die Abenteuerspielpläne - und natürlich auch die vielen illustrierten Karten. John ist - wie viele herausragenden Künstler - ein angenehmer aber eigenwilliger Charakter: man bekommt von ihm nicht immer das was man in Auftrag gibt, aber man bekommt immer etwas Fantastisches. Er war immer spannend.

Und die Zusammenarbeit mit John hat in der Zwischenzeit auch noch andere Früchte getragen. Mal seh'n ob wir Tolkien nicht ein wenig Konkurrenz machen können. Dazu aber erst auf der Nürnberger Spielwarenmesse 2003 mehr...

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1. Oktober: (Frage von Marc M.): Bezüglich der Erweiterung der Feinde besteht eine gewisse Unklarheit bei der Regelauslegung: Das Regelwerk spricht wortwörtlich davon, dass nach jedem Spielzug eines Spielers nicht mehr als 7 Feinde ausliegen dürfen. Bisher ging ich davon aus, dass diese "7-Feindes-Grenze" nur beim Beenden eines Abenteuers gilt, man also nach dem normalen Spielzug freilich mehr als 7 Feinde auslegen darf. Das würde insofern Sinn machen, da ab 4-5 Spielern die Wahrscheinlichkeit eines neuen Feindes stark steigt, während die Hobbits so sehr mit der Heilung, den Lebensplättchen und der allgemeinen Versorgung beschäftigt sind, dass kaum Zeit bleibt, einen Feind zu besiegen. Ausserdem reicht es selten mit dem Timing, dass der aktive Spieler mit dem vordersten Feind nichts mehr anfangen kann (mit dem zweiten jedoch sehr wohl, der nun dummerweise in die Ferne gerückt wurde).

Die Regel ist so wörtlich gemein wie sie aufgeschrieben ist. Das 7-Feinde-Grenze gilt für jeden einzelnen Spielzug. Und zwar genau aus den in der Frage genannten Gründen, weil der angesprochene "Sinn" des Spielens - wie des richtigen Lebens - ja nicht darin liegt, es einfach zu haben, sondern an den zunehmenden Herausforderungen zu wachsen. Es hat doch wohl keiner erwartet, dass es einfacher wird...

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2.Oktober: Man findet unter der http://www.knizia.de viele Erklärungen zu diesem, aber auch zu anderen Spielen; einige davon haben wir übersetzt. Wie bist du auf die Idee gekommen, FAQs zu deinen Spielen im Netz anzubieten?

Leider habe ich keine Zeit fürs Internet - oder positiv ausgedrückt: ich habe mich entschieden die Zeit, die ich im Internet verbringen könnte, auf das Spieleentwickeln umzulenken. Es gibt so viele interessante und wertvolle Dinge, aber leider bedeuted ein "Ja" zu einer Sache zwangsläufig - auch wenn wir das oft nicht wahr haben wollen - ein "Nein" zu vielen anderen Sachen.

So bin ich auf gute Freunde um mich herum angewiesen, die aus Begeisterung und eigenem Antrieb andere Dinge übernehmen, zum Beispiel Chris Lawson mit den Frequently Asked Questions im Internet, oder Kevin Jacklin mit unseren Regelübersetzungen im Internet. Beide sind über meine Webseite www.knizia.de zu erreichen.

So viel zu tun und so viele neue Ideen...

Life is great!

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3. Oktober: Vielen Dank für dieses ausführliche Interview. Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern sagen möchstet? Oder möchtest du, nachdem du so viele Fragen beantwortest hast, uns eine Frage stellen? Dann tu es bitte.

Carpe Diem!

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