Interview by Email

Dr Bernward Thole Wir danken Bernward Thole für seine Bereitschaft, bei diesem Interview mitzumachen

Hier die Fragen, die wir und einige Leser Bernward Thole gestellt haben
die Antworten erhält man nach Klick auf die Nummer.

 1 Herr Thole, viele Leser wissen über Sie nur, dass Sie der Jury "Spiel des Jahres" angehören und vielleicht bringen sie Sie in Zusammenhang mit dem Marburger Spielearchiv. Stellen Sie bitte sich und ihre Spielleidenschaft einmal vor.
 2 Sie sind Journalist. Wo kann der Leser der Pöppelkiste Rezension zu Spielen von ihnen finden?
 3 Was hat Sie zum Spiel gebracht? Und später zum Spiel des Jahres?
 4 Wie begann Ihre Sammelleidenschaft für Spiele?
 5 Sie engagieren sich in vielerlei Hinsicht für Spiele, journalistisch, als Mitglied der Jury "Spiel des Jahres", mit dem Marburger Spielearchiv. Wie schaffen sie das zeitlich?
 6 Wie kam es zu der Idee, ein Spiele-Archiv zu gründen?
 7 Welche Bedeutung hat das Archiv a) für Journalisten? b) für Verlage und deren Redakteure, c) für Spieler, d) allgemein für die Wissenschaft.
 8 Wir wissen, daß sie auch heute noch gerne über Flohmärkte gehen und nach alten Spiele für sich und das Spiele-Archiv Ausschau halten. Wie merkt man sich all die Spiele, die schon im Spiele-Archiv sind? Sind sie als Sammler auf Vollständigkeit der Sammlung bedacht?
 9 Im Deutschen Spiele-Archiv gibt es eine Klassifikation für die Spiele. Wie kam es zu dem Ansatz? Ist er aus heutiger Sicht noch optimal?
10 Frage von Markus Böttcher: Wäre es nicht sehr zu begrüßen, wenn es in Deutschland mehrere Spielearchive, verteilt auf Nord-, Mittel- und Süddeutschland geben würde, die im ständigen Kontakt und Austausch untereinander stehen würden?
11 Sid Sacksons große Spielesammlung stand zum Verkauf und wurde auseinander gerissen? Tat Ihnen das weh? Befürchten Sie, so etwas könnte auch mit dem Deutschen Spiele-Archiv in Marburg passieren und wenn ja, welche Maßnahmen treffen sie dagegen?
12 Sie sind Gründungsmitglied der Jury Spiel des Jahres. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, einen Kritikerpreis einzuführen und wie hat sich die Gründung gestaltet? Wie waren damals der Spielemarkt in Deutschland und die Auswahl der Spiele, die für die Prämierung in Frage kamen - auch im Vergleich zu den Veröffentlichungen, die es aktuell gibt? Wie würden Sie die Entwicklung des Spielemarkts seit dem ersten Spiel des Jahres einschätzen? Welchen Einfluss hat der Kritikerpreis Spiel des Jahres darauf gehabt?
13 Frage von Kathrin Nos: Mit dem Spiel "Hase und Igel", das den ersten lorbeerbegrenzten Pöppel erhielt, habt Ihr gleich ein Spiel prämiert, das heute (meiner Meinung nach zu Recht!) als Klassiker gilt. Wie ist die Wahl zustande gekommen? Wie ist der Kritikerpreis damals aufgenommen worden.
14 Frage von Kathrin Nos: Wie hat sich die Durchführung der Wahl zum Spiel des Jahres durch die Jury im Laufe der Jahre geändert?
15 lieber Bernward, ich könnte mir vorstellen, daß mancher Senior sich sehr freuen würde, wenn es Spiele geben würde, die als besonders senior-geeignet ausgezeichnet würden. Könnte das nicht in irgendeine Art ein Tätigkeitsfeld für die Jury Spiel des Jahres sein?
16 Was muß man bei der Lagerung von Spielen beachten? Wo kann man sie ungefährdet lagern? (Kurzfassung der Frage)
17 Sie sind ausgebildeter Journalist und schreiben für eine Zeitung. Wie stehen Sie dem Internet gegenüber, speziell den Spielesites, die ja von "Hobby-Journalisten" betrieben werden?
18 Können Sie sich auf absehbare Zeit vorstellen, daß der Betreiber einer solchen Site in die Jury "Spiel des Jahres" berufen wird? Wenn ja, was wären die Voraussetzungen dafür, wenn nein, warum nicht? (Anmerkung: es geht hier eindeutig nicht um uns, weil wir als Spieleautoren laut Satzung des Vereins nicht mehr zugelassen sind.)
19 Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung durch den Inno-Spatz? Dieser wurde im Rahmen des diesjährigen Spieleautorentreffens in Göttingen vergeben. Anknüpfend an diese Frage eine weitere zum Spieleautorentreffen: Erzählen Sie uns ein wenig, wie Sie an diesem Treffen teilnehmen und welchen Stellenwert Sie ihm beimessen?
Sie sind für Ihre Verdienste um das Spiel mit dem Bundesverdienstkreuz, der höchsten Auszeichnung der Bundesrepublik ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?
20 Was sind aus ihrer Sicht Kriterien für ein gutes Spiel? In welchem Spiel finden Sie diese wieder? Welche Spiele spielen sie gern?
21 Haben Sie sich eigentlich auch mal an eigenen Spielideen versucht, bzw. gibt es irgendwelche Spiele-Schätze, die in Ihren Schubladen schlummern?
22 Wir haben ihnen viele Fragen gestellt. Möchten Sie zum Abschluss unseren Lesern noch etwas mitteilen oder möchten Sie uns eine Frage stellen?


1. September: Herr Thole, viele Leser wissen über Sie nur, dass Sie der Jury "Spiel des Jahres" angehören und vielleicht bringen sie Sie in Zusammenhang mit dem Marburger Spielearchiv. Stellen Sie bitte sich und ihre Spielleidenschaft einmal vor.

Je älter ich werde, desto schwieriger wird es für mich, mich selbst vorzustellen. Wo soll man da anfangen, und - was mindestens ebenso wichtig ist - wo soll man da aufhören? Ich bin mit meinen 66 Lenzen nun schon recht alt geworden. Wie bei meinem Auto finde ich naturgemäß immer mehr Roststellen an der Karrosserie. Aber solange die Maschine noch läuft und alles noch einigermaßen funktioniert, macht das Fahren immer noch ziemlichen Spaß.

Alte Menschen schicken immer ihre Kinder vor. Mache ich jetzt auch: drei eigene und drei Kindeskinder wuchsen mit zu. Was ich an denen mag? Vor allem, daß sie allesamt ebenso gerne Spiele spielen wie ich auch.

Meinen Beruf an der Uni Marburg habe ich inzwischen an den dafür vorgesehenen Nagel gehängt. Mit Germanistik und Latein hatte es dort angefangen, in der Theaterwissenschaft habe ich promoviert und als Akademischer Oberrat wurde ich schließlich in der Medienwissenschaft pensioniert. Da mir bei all dem ein bißchen die Abwechslung fehlte, bin ich parallel dazu auch in die Spiele-Forschung eingestiegen, habe mit und ohne Kollegen eine ganze Reihe von Lehrveranstaltungen an der Universität durchgeführt, zu Geschichte und Theorie des Spiels, zur Museumspädagogik mit Schwerpunkt Spiel. Und ganz nebenbei entstand noch ein weltweit einzigartiges wissenschaftliches Archiv auf, das sich - wie kann es anders sein - mit Spielen befaßt.

Damit wären wir also mehr oder weniger unauffälliger bei meiner Spieleleidenschaft. Die soll ich ja auch noch vorstellen. Also: vom Mutterleib an habe ich eigentlich nie wirklich aufgehört zu spielen. Während der Schulzeit spiele ich - sehr zu deren Leidwesen! - sehr kreativ mit den Lehrern herum und piesackte sie mit meinen Streichen. Als Student las ich später die "Zeit". Vor allem die Spiele-Kolumne von Eugen Oker hatte es mit sehr angetan. Eugen Oker stieg aus, Bernward Thole dachte sich, das kannste auch und schickte zwei Spielerezensionen hin. Sie wurden gedruckt, Eugen Oker - damals der große Spielepapst - las sie, rief mich an und warb mich zur "Frankfurter Rundschau" ab.

Nun ja, mit der Kolumne irgendwie verbunden, kam es dann zur Gründung des Kritikerpreises "Spiel des Jahres". Und da ich es nie wirklich gelernt habe, mich um die Arbeit herum zu drücken, kürte man mit zum 1. Vorsitzenden und Sprecher der Jury. Nach 15 Jahren reichte es mir, und ich trat ins zweite Glied zurück. Die Arbeit ist mir allerdings geblieben, da das Archiv als das Arbeitspferd der Jury die Funktionen einer Geschäftsstelle wahrnimmt.

Wenn ich hier so über meine Spieleleidenschaft nachzudenken beginne, wird mir immer bewußter, daß ich eigentlich nie eine Leidenschaft nur für die Spieleschachteln hatte, wie sie heute so allenthalben in der Szene zu grassieren scheint. Mindestens ebenso wichtig waren und sind mir auch heute noch die Mitspieler. Ja, ich entwickelte im Laufe meines Lebens eine regelrechte "Mitspieler-Leidenschaft", indem ich immer wieder andere Schichten, Menschen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Interessen suchte, um mit ihnen zu spielen und sie so für das Spiel zu begeistern.

Spiel als Brücke zwischen den Generationen und zwischen den unterschiedlichsten Schichten der Bevölkerung ist daher einer der Arbeitsschwerpunkte des von mir geleiteten Deutschen Spiele-Archivs.

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2. September 2003: Sie sind Journalist. Wo kann der Leser der Pöppelkiste Rezension zu Spielen von ihnen finden?

Dreißig lange Jahre habe für die "Frankfurter Rundschau" Spiele rezensiert, zunächst mit Eugen, später gemeinsam mit Tom Werneck, den ich übrigens über einen heute noch leckeren Verriß seiner bei Heyne erschienen Taschenspiele kennenlernte. Das ist schon mit viel, viel Knochenarbeit verbunden, die man aber seine Leser niemals spüren lassen darf. Die lange Lebensdauer gerade dieser Kolumne beweist, das uns das wohl durchaus gelungen ist. Keine andere Kolumne in der Welt hatte eine so lange Laufzeit.

Auch für das "Berliner Tageblatt" habe ich in dieser Zeit regelmäßig Spielerenzensionen geschrieben, und für die Frauenzeitschrift "Brigitte" und für das Freizeitmagazin "Vital" und für den "Bosch-Zünder", die Werkzeitung der Bosch-Gruppe, und für das Wella-Magazin "Clivia" und für viele andere Druckerzeugnisse, die mir jetzt gerade nicht einfallen. Zu erwähnen wären auch noch die rund 17 Jahre Rezensionsarbeit für die "ekz" in Reutlingen, einer Bund-Länder-Einrichtung für die Öffentlichen Bibliotheken. Eine Arbeit für einen, der Bater und Mutter erschlagen hat, aber wichtig für die Verbreitung der Spiele gerade in der Welt der Bücher, wo sie heute viel besser hinpassen als zwischen Rappelchen und Rasselchen und Sandkastenbedarf des Spielwarenhandels.

Als vor drei Jahren die Kolumne in der Rundschau der Neugestaltung des Wochenmagazins zum Opfer fiel, war das für mich der Anlaß, meine Arbeitsschwerpunkte neu zu ordnen und aus einer zunehmend lästiger werdenden Rezensions-Tretmühle auszusteigen. Heute habe ich die Rezensionsarbeit zugunsten anderer Aktivitäten sehr stark eingeschränkt und betreue mit Martin Wehnert, einem langjährigen Archiv-Mitarbeiter, nur noch die wöchentlich erscheinende Kolumne in der Oberhessischen Presse. Andere Tätigkeiten für das Spiel, aber auch für andere seit langem geplante Publikationen haben jetzt unbedingt Vorrang.

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3. September 2003: Frage von Paul Meyer: Was hat Sie zum Spiel gebracht? Und später zum Spiel des Jahres?

In meinem Elternhaus wurde viel gespielt. Vor allem meine Mutter versorgte uns immer wieder mit neuen Spielen. Woher sie die beschaffte, ist mir heute ein Rätsel. Denn während des Kriegs gab es kaum Spiele zu kaufen, in dem kleinen, verschlafenen Städtchen, in dem wir damals wohnten, schon gar nicht.

Als Fahrschüler lernte ich natürlich Skat. Mischte mich alsbald unter die mitfahrenden "Eisenbähner", die mir natürlich gnadenlos mein Taschengeld abnahmen. In ihren Kreisen lernte ich auch Doppelkopf kennen und lieben. Ein tolles Spiel, zu dem ich leider kaum noch Zeit finde!

Während meines Studiums in Marburg und Bonn las ich mit Begeisterung die Spiele-Kolumne von Eugen Oker in der ZEIT, kaufte mir auch das eine oder andere Spiel und fand sowohl in Marburg als auch in Bonn immer wieder Mitspieler.

In Marburg fing ich damals an, Spielerezensionen zu schreiben. Über diese Arbeit lernte ich eine Menge Leute in der schreibenden Zunft, aber auch bei den Autoren und Verlegern kennen. Insbesondere auch über den legendären Journalistentreff im Nürnberger Bocksbeutelkeller. Dort wurde dann auch die Idee geboren, einen Preis der deutschen Spielekritik ins Leben zu rufen. Beim Buch, beim Film, bei der Schallplatte war so etwas ja schon lange etabliert. Nur bei den Spielen gab es so etwas noch nicht.

Also schritten wir zur Tat. Tom Werneck und ich backten eine Vereinssatzung und ein Wahlverfahren. Beides wurde im Kreis der Interessierten diskutiert und beschlossen. Der Verein wurde gegründet und da ich beim Verteilen von Arbeit nie schnell genug in Deckung gehen konnte, wurde ich zum Sprecher der Jury gewählt. Das war ich dann 15 Jahre.

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4. September 2003: Wie begann Ihre Sammelleidenschaft für Spiele?

Eines der ersten Spiele, das ich mir gekauft habe, war "Basar" von Sid Sackson. Erst war es uns zu teuer. 3M-Spiele hatten halt ihren Preis. Also haben meine damalige Freundin und jetzige Frau und ich uns erst einmal eines ausgeliehen und selbst gebastelt. Da das Auge halt immer mitspielt, war das Selbstgebastelte halt nicht so befriedigend. Also haben wir uns ein Richtiges regelrecht vom Munde abgespart.

Dann entdeckte ich in alten Schreibwarenläden das eine oder andere alte Rübchen, das ich billig erwerben konnte. Schreibwarenläden waren damals ein echter Geheimtip, da sie über einen längeren Zeitraum auch Spiele geführt haben, diese dann aber und mehr aufgaben, weil es wahrscheinlich zu viel Arbeit machte.

Nun ja, und dann kam ich über das Schreiben an die ersten Rezensionsexemplare, an immer mehr Rezensionsexemplare. Freunde, Bekannte und Verwandte, die meine Spieleleidenschaft kannten, brachten mir Spiele, die sie nicht mehr mochten. Ich habe in dieser Zeit nicht nur über Spiele publiziert, sondern auch landauf landab eine Menge Spielaktionen veranstaltet - vom Kindergarten über die Jugendarbeit bis hin zu den Alteneinrichtungen, sozusagen von der Wiege bis zur Bahre. Auch darüber kamen wieder Spiele zusammen. Und so entstand unversehens eine Lawine, die uns unter sich zu begraben drohte und vor allem unsere inzwischen breitgefächerte spielpädagogische Arbeit immer mehr einengte.

Der Leiter des Kulturamts der Stadt Marburg, mit dem ich damals ein (heute noch bestehendes!) Kinderkulturfest aus der Wiege hob, hatte ein Einsehen und besorgte uns Räumlichkeiten in einer alten Schule, wo wir gemeinsam mit einem Zirkusarchiv unter einem Dach arbeiteten.

Als Sammler war ich eigentlich immer atypisch und bin es auch heute noch. Wo andere Sammler hermetisch ihre Bestände abschotten, sie allenfalls in einem Museum ausstellen, bin ich erst wirklich glücklich, wenn mit dem von mir zusammengetragenen Material wirklich gearbeitet wird. Meine Sammlung ist über das Deutsche Spiele-Archiv jedermann zugänglich. Dort recherchieren Studenten und Wissenschaftler, holen sich Lehrer und Erzieher Anregungen für ihre Arbeit, können Spiele-Autoren und - Lektoren ihre Ideen und Vorstellungen überprüfen, sich neue Anregungen holen.

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5. September 2003: Sie engagieren sich in vielerlei Hinsicht für Spiele, journalistisch, als Mitglied der Jury "Spiel des Jahres", mit dem Marburger Spielearchiv. Wie schaffen sie das zeitlich?

Für die Ausrede, daß ich keine Zeit für eine bestimmte Hausaufgabe gefunden hätte, hatte einer meiner Lehrer auf der Schule immer den gleichen saublöden Spruch auf Lager: "Der Tag hat ja nun wirklich 24 Stunden. Und wenn Du es da nicht schaffst, kannst Du ja auch noch die Nacht dazu verwenden."

In meinem Erwachsenenleben hatte ich später zum Beruf an der Universität und zu meinem immer umfangreicheren Hobby plötzlich auch noch eine Familie mit einer schwer MS-kranken Frau und drei kleinen Kindern zu versorgen. Da mußte ich dann tatsächlich auch Teile der Nacht dazu nehmen, um meine Arbeiten schaffen zu können. Aber das wird ja tatsächlich ganz allmählich mehr und mehr und immer mehr.

Der Mensch kann sehr viel mehr leisten, als er sich vorstellt. Und die Hauptsache. Wenn ihm die Arbeit Spaß macht und er eine positive Einstellung dazu hat, kann er auch tatsächlich mehr leisten und bewegen. Damit wir uns richtig verstehen: ich beschwere mich nicht, ich lebe und arbeite gerne. Ich hasse allerdings ewig nörgelnde Nichtstuer, die sich damit herausreden, zu wirklichen Taten hätten sie einfach keine Zeit. Eine blöde Ausrede ist das!

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6. September 2003: Wie kam es zu der Idee, ein Spiele-Archiv zu gründen?

Das hängt wohl ein wenig mit meinem Beruf zusammen. Als Wissenschaftler geht man sicherlich mit einem Hobby wie das Spielen und das Spiele-Sammeln ein wenig anders um. Wenn man das so umfassend und intensiv nach allen Seiten hin betreibt wie ich es tue, dann mündet das früher oder später in ein gründlicheres und systematischeres Fahrwasser ein.

In meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter hatte ich bereits mit einer germanistischen Bibliothek und drei Archiven zu tun. Ein theaterwissenschaftliches Bildarchiv mußte ich übernehmen und weiterführen, ein literaturwissenschaftliches unter dem Titel "Bilddokumentation zur Literaturgeschichte" und ein medienwissenschaftliches zur Filmgeschichte selbst aufbauen. Da lag sicherlich der Gedanke nahe, solche eine Materialsammlung auch für das Spiel anzulegen.

Eigentlich war die Gründung eines systematisch angelegten wissenschaftlichen Archivs längst überfällig. Die Kultur- und Sozialgeschichte des Spiels ist immer noch nicht geschrieben. Wir befinden uns da streng genommen in der Phase der Jäger und Sammler. Bei den zahlreichen Lehraufträgen zum Thema Spiel, die ich an der Philipps-Universität wahrgenommen habe, wurde mir immer schmerzlicher bewußt: Ehe da etwas Bündiges entstehen und veröffentlicht werden kann, muß erst einmal eine vernünftige Materialbasis hergestellt werden. Das genau aber wollte ich mit der Gründung eines wissenschaftlichen Archivs endlich einmal angehen.

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7. September 2003: Welche Bedeutung hat das Archiv a) für Journalisten? b) für Verlage und deren Redakteure, c) für Spieler, d) allgemein für die Wissenschaft.

Die Journalisten haben als erste die Informations- und Arbeitsmöglichkeiten, die das Deutsche Spiele-Achiv ihnen bot, erkannt und genutzt. Bei beinahe allen größeren Medienproduktionen wurde und wird vorher hier recherchiert und Material angefordert.

Studierende der unterschiedlichsten Fächer nutzen das Archiv: das reicht von den Archiv- und Bibliothekswissenschaften über Grafik- und Kunststudierende, Studierende der Völkerkunde und der Ethnologie bis hin zu Psychologen und Soziologen. Die Zahl der Seminararbeiten, der Diplom- und Magisterarbeiten, die mit Unterstützung des Archivs angefertigt wurden, zeigt, welch großes Interesse an der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Spiel besteht. Die beiden ersten, großen und einzigen wissenschaftlichen Symposion im deutschsprachigen Raum, vom Deutschen Spiele-Archiv ausgerichtet, fanden internationale Beachtung.

Spieler stehen an Platz 3 unserer Besucherfrequenz. Sie nutzen in erster Linie den Regelservice des Archivs auf der Suche nach Spielregeln. Etwas über 1 200 Spiele-Autoren haben im Archiv ihre Erfindungen in einem Deposit hinterlegt, um die Rechte an ihren Produktionen abzusichern. Spieler kommen aber auch, um sich ganz einfach umzuschauen oder aber in Scharen zu unserer Spielabenden im Archiv.

Erstaunlicher Weise steht das Interesse der an Verlagen Beschäftigten an letzter Stelle der Besucher- und Nutzerskala. Ich will ja nicht boshaft sein, aber vielleicht ist das auch der Grund für so manche Fehlleistungen der letzten Jahre. Etwa im Bereich der Spielregelgestaltung, um nur ein Beispiel mal zu nennen. Viele von ihnen erinnern mich ein wenig an meine wissenschaftlichen Kollegen, die von eigener Fort- und Weiterbildung überhaupt nichts halten. Sie wissen eben alles qua Amt und sowieso. Andere würden ja gerne sich weiter informieren, haben aber nicht die Luft und auch nicht das Geld dazu, etwas in dieser Richtung zu tun. Dabei gibt es doch nichts Spannenderes als Lernen und sich lernend Fortzubewegen!

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8. September: Wir wissen, daß sie auch heute noch gerne über Flohmärkte gehen und nach alten Spiele für sich und das Spiele-Archiv Ausschau halten. Wie merkt man sich all die Spiele, die schon im Spiele-Archiv sind? Sind sie als Sammler auf Vollständigkeit der Sammlung bedacht?

Zunächst einmal muß ich eines klarstellen: alle Spiele, die ich wo auch immer einsammle, gehen in den Fundus des Archivs ein und stehen dort allen Nutzern zur Verfügung. Ich habe in meinen eigenen vier Wänden weit, weit aus mehr CDs und nur ganz wenige Spiele für den Familienbedarf. Ich ziehe also weniger mit der Sammlerbrille über die Märkte als vielmehr mit der des Archivars.

Bei ca. 30 000 Spielen, die heute im Archiv-Fundus stehen, weiß ich natürlich nicht mehr, ob wir tatsächlich den einen oder anderen Exoten schon im Archiv haben oder nicht. Das macht auch nichts. Da kommt das Spiel, das wir schon haben, ganz einfach in die Dubletten-Sammlung. Maximal 2 Exemplare werden im Fundus zur Nutzung im Archiv oder auf Ausstellungen bereit gehalten. Alle weiteren Exemplare werden zum Tauschen gegen andere Spiele bereitgestellt oder gehen als Spenden zu bedürftigen Einrichtungen.

Beim Ausbau des Fundus geht es nicht um Vollständigkeit, sondern darum, die Spielentwicklung nach 1945 (unser Arbeitsschwerpunkt!) in den wesentlichen Linien zu dokumentieren. Der letzte Walt-Disney-Abguß eines Gänse- oder Leiterspiels ist da nur von sehr, sehr begrenztem Interesse.

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9. September: Im Deutschen Spiele-Archiv gibt es eine Klassifikation für die Spiele. Wie kam es zu dem Ansatz? Ist er aus heutiger Sicht noch optimal?

Die von mir entwickelte Klassifikation entstand vor Jahrzehnten, als die VEDES im Rahmen eines Codes versuchte, Spielarten der Spiele zu kennzeichnen und darüber für das Verkaufspersonal eine Verkaufshilfe zu entwickeln. Das Ergebnis war so schrecklich, daß ich mich hinsetzte und einen Gegenentwurf machte. Der erschien zwar in verschiedenen Fachmagazinen, wurde aber nicht wirklich diskutiert oder gar umgesetzt.

Klassifikationen haben mich schon immer und nicht nur bei Spielen interessiert. Ich habe etwa über ein interessantes poetologisches Thema promoviert, bei dem es um Veränderungen und Auflösung von Gattungsgrenzen im Drama ging. Ich habe die Systematik unserer germanistischen Bibliothek überarbeitet und auch eine Systematik für unser Filmarchiv entwickelt.

Die angesprochene Spiele-Klassifikation habe ich insbesondere im Laufe meiner Arbeiten im spielpädagogischen Raum immer weiter verfeinert. Und als wir dann das Archiv aufbauten, wollten wir sie nicht nach Schachtelgröße, nicht nach Verlagen oder Eingang des Spiels (Numerus-currens-Prinzip) den Fundus bereitstellen, sondern nach einem systematischen Ansatz.

Ein solcher systematischer Ansatz ist im jeden Falle für den Nutze nach nahezu allen Richtungen hin enorm praktisch und nützlich. Er muß aber auch - das sei nicht verschwiegen - immer wieder an den Spielproduktionen neu ausgerichtet werden. Zu dieser Arbeit konnte ich zunehmend auch meine Archiv-Mitarbeiter hinzuziehen. Den Bereich der Quizspiele zum Beispiel wurde vor Jahren noch unter "Sonstige Spiele" geführt. Auf Grund des ständig wachsenden Angebots von kommunikativen Spielen verschiedener Art haben wir ihn kürzlich aus den Sonstigen Spielen in eine eigene Klasse der Kommunikativen Spiele überführt.

Die Spiele-Klassifikation hat sich sowohl in der langjährigen Arbeit des Archivs, aber auch bei allen spielpädagogischen Veranstaltungen des Archivs seine Stärke bewiesen. Sie wurde in den zurückliegenden Jahren auch von den Öffentlichen Bibliotheken und den Lehrplänen für Bibliothekare übernommen, weil sie Spiel und Spielende unmittelbar in Beziehung setzt und nicht ausschließlich strukturalistisch ausgerichtet ist.

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10. September: Frage von Markus Böttcher: Wäre es nicht sehr zu begrüßen, wenn es in Deutschland mehrere Spielearchive, verteilt auf Nord-, Mittel- und Süddeutschland geben würde, die im ständigen Kontakt und Austausch untereinander stehen würden?

Zunächst einmal sind mit einem professionell geführten wissenschaftlichen Archiv enorme Personal- und Sachkosten verbunden. Im Interesse des Spiels können wir froh sein, wenn es wirklich gelingt, ein großes Archiv mit Ausstrahlung über die Grenzen hinweg aufzubauen und am Leben zu halten.

Initiativen, lokale Archive aufzubauen, habe ich immer unterstützt. Bekannter Maßen bin ich ja ein strikter Anhänger kooperativer Spiele - sowohl im Leben und beim Spielen, als auch in meiner beruflichen Tätigkeit. Also habe ich allen Leuten, die so etwas planten, volle Unterstützung geben: Planungsunterlagen zur Vorlage bei Behörden, Satzung für die Gründung eines Archiv-Trägervereins, kompletter Satz unserer Spieledatenbank und anderes mehr wurden frei Haus geliefert.

So entstanden das Bayrische Spiele-Archiv in Haar und das Süddeutsche Spiele-Archiv in Salem. Mit beiden steht das Deutsche Spiele-Archiv in engem Arbeitskontakt. Dort finden auch eine Menge von Aktivitäten statt. Nur ein Arbeitsprogramm von der Breite des Marburger Archivs kann dort nicht gefahren werden, weil einfach die Infrastruktur noch nicht so weit ist, und auch die räumlichen und finanziellen Ausstattungen enge Grenzen setzen.

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11. September: Sid Sacksons große Spielesammlung stand zum Verkauf und wurde auseinander gerissen? Tat Ihnen das weh? Befürchten Sie, so etwas könnte auch mit dem Deutschen Spiele-Archiv in Marburg passieren und wenn ja, welche Maßnahmen treffen sie dagegen?

Natürlich tat es mir weh, über eine Reihe von Jahren mit anschauen zu müssen, wie die Situation für Sid und seine Sammlung immer bedrohlicher wurde. Wir haben vor beinahe 20 Jahren schon über eine Kooperation und andere Lösungsmöglichkeiten nachgedacht, sind zu diesem Zweck eigens nach NY geflogen und haben uns seine Sammlung angeschaut. Sie war allerdings in der Gesamtheit ganz enorm von USA her geprägt und für Europa nur von begrenztem Interesse. Die unsachgemäße Lagerung zeitigte überdies Probleme in der Konservierung weiter Teile des Bestands.

Der Unterschied zum Deutschen Spiele-Archiv bestand allerdings darin, daß es sich hier in Marburg nicht mehr um eine private Sammlung, sondern um einen Fundus in breiter, öffentlicher Nutzung handelt. Das Deutsche Spiele-Archiv ist als wissenschaftliches Archiv Mitglied im VdA. Dem Trägerverein wurde die Gemeinnützigkeit zuerkannt. Der nächste Schritt, an dem wir arbeiten, ist die Überführung in eine Stiftung. Da sind schon erhebliche Vorarbeiten geleistet.

Auf einer Fläche von 700 qm umfaßt das Deutsche Spiele-Archiv heute rund 30 000 Spiele, Werbespiele, Puzzles, elektronische Spiele, eine Bibliothek und Zeitschriftensammlung von ca. 12 000 Titeln, umfangreiche Zettelarchive und vieles andere mehr. Ich denke, daß Ganze ist heute schon so katastrophal umfangreiche und so aktiv in alle Richtungen öffentlicher Kulturarbeit eingebunden, daß es sehr schwer sein würde, es so schlicht und einfach aufzulösen, wie in NY geschehen.

Das mit der katastrophalen Größe war ja auch mein erstes Lebensziel. Ob ich das zweite mit der Stiftung noch erlebe? Na, dann schau'n wir doch mal!

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16. September: Frage von Karin Nos: Sie sind Gründungsmitglied der Jury Spiel des Jahres. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, einen Kritikerpreis einzuführen und wie hat sich die Gründung gestaltet? Wie waren damals der Spielemarkt in Deutschland und die Auswahl der Spiele, die für die Prämierung in Frage kamen - auch im Vergleich zu den Veröffentlichungen, die es aktuell gibt? Wie würden Sie die Entwicklung des Spielemarkts seit dem ersten Spiel des Jahres einschätzen? Welchen Einfluss hat der Kritikerpreis Spiel des Jahres darauf gehabt?

Die Idee, einen Kritikerpreis für Spiele zu gründen, kam aus dem Kreis der Fachjournalisten, Spiele-Autoren, Verleger und Verlagsangestellten, die sich seit Mitte der 70er Jahre auf Einladung von Tom Werneck alljährlich zu einer Gesprächsrunde trafen. Man stellte fest, daß es Kulturpreise für beinahe alle Sparten gab, nur für Spiele nicht. Das war der eine Aspekt. Der andere Antrieb war, über den Preis stärker auch die Erwachsenen anzusprechen und zum Spiel zu bringen, die damals noch weitgehend abseits standen. Spiele und Spielen hatten für Erwachsenen den niedrigsten Anerkennungsfaktor, den man sich nur denken kann. Und ein drittes spielte bei unseren Überlegungen eine Rolle: Das gute alte Brettspiel stand Ende der 70er Jahre gewaltig unter Druck. Eine Flut von elektronischen Spielen, die erste große Welle mikrochip-gesteuerter Spiele führte in den Medien zur Prognose, dass Omas und Opas schöne Spielewelt am Ende angekommen sei. Und dass der homo ludens der Zukunft am Bildschirm völlig vereinzelt und hypnotisiert am Bildschirm klebt. Dagegen wollten wir etwas tun und sahen in dem Preis ein geeignetes Instrument.

Die Gründung machte viel Arbeit. Eine verbindliche Organisationsform für die Jury musste gefunden werden. Wir entschieden uns für einen eingetragenen Verein und bastelten eine Satzung. Das Jury-Verfahren wurde entwickelt und einem Probelauf unterzogen. Das Ergebnis erschien 1978 als "Hitliste der deutschen Spielekritik". Und so weiter ... und so weiter ... und so weiter. Vor jedem wirklichen Erfolg steht immer auch viel, viel Arbeit, die kein Mensch sieht, weil sie im Hintergrund abläuft.

Das Spieleangebot war von der Qualität her schon damals enorm. Das legte dann in den 80er und 90er Jahren weiterhin mächtig zu. Da mußte man sich als Spielekritiker regelrecht durch die Titelflut hindurch kämpfen. So mancher Spielekritiker (auch außerhalb der Jury) stöhnte da schon ab und an mächtig vor sich und wünschte sich ein wenig mehr Klasse als Masse.

Die Frage nach dem Einfluß auf die Spielentwicklung im deutschsprachigen Raum kann man nur bündig beantworten, wenn man die zahlreichen Aktivitäten mit einbezieht, die aus dem Kreis der Jury des Kritikerpreises Spiel des Jahres auf den Weg gebracht wurden. Nur einige Beispiele: Den über 18 Jahre (!) laufende Journalistentreff von Tom Werneck habe ich bereits erwähnt. Hier wurde der Grund für die breite Spielekritik in Deutschland gelegt. Die erste professionelle, am Kiosk verkaufte Spielezeitschrift wurde auf den Weg gebracht. In Essen fanden aus Anlaß der Preisverleihung die ersten Spielabende in der Volkshochschule statt, zu denen wir Familien und Spielkreise aus ganz Deutschland eingeladen haben. Bei Rowohlt erscheint der erste Spiele-Ratgeber im Taschenbuchformat. Das erste internationale wissenschaftliche Symposium zur Kulturgeschichte des Spiels findet im Haus der Geschichte statt. Das Deutsche Spiele-Archiv als weltweit einzige Institution, die sich mit der Kultur- und Sozialgeschichte des Spiels beschäftigt und Impulse für die weitere Entwicklung des Spiels vermittelt, wird gegründet. Hier höre ich einfach mal auf und erwähne beispielsweise die Stipendien und die Druckkostenzuschüsse für Publikationen mit keinem Wort.

Summa summarum: ich denke schon, daß wir von der Jury Spiel des Jahres und über unseren Preis schon unseren Beitrag für die Entwicklung des Spiels hierzulande geleistet haben.

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17. September: Frage von Kathrin Nos: Mit dem Spiel "Hase und Igel", das den ersten lorbeerbegrenzten Pöppel erhielt, habt Ihr gleich ein Spiel prämiert, das heute (meiner Meinung nach zu Recht!) als Klassiker gilt. Wie ist die Wahl zustande gekommen? Wie ist der Kritikerpreis damals aufgenommen worden.

Ab und zu erscheinen Spiele, bei denen es in der Jury null "Schlägerei" um den Hauptpreis gibt. "Hase und Igel" war so ein Fall. Aber solche Spiele wachsen halt nicht alle Jahre am Baum. Soll man sagen: Leider? Ich denke, das wäre irgendwie auch nicht gut.
Übrigens war "Hase und Igel" auch schon Spitzenreiter unserer Hitliste, die wir als Ergebnis des Probelaufs im Vorjahr veröffentlichten.
Die Branche fand unser Unternehmen zunächst einmal sehr putzig. Als aber "Hase und Igel" derart einschlugen, war man allgemein irritiert, vor allem in der Chef-Etage des Hauses Ravensburger. Dort hat man nicht damit gerechnet, dass das zum Abschuß bereits freigegebene "Hase und Igel", sondern dass "Shogun" das Rennen machen würde.

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18. September: Frage von Kathrin Nos: Wie hat sich die Durchführung der Wahl zum Spiel des Jahres durch die Jury im Laufe der Jahre geändert?

Natürlich ist immer das Bessere des Guten Feind. Und so haben wir all die Jahr immer wieder unsere Arbeit und vor allem unser Jury-Verfahren auf den Prüfstand gestellt. Zwei wesentliche Neuerungen sind dabei herausgekommen:

Erstens: in Abkehr von dem ausschließlich schriftlichen Abstimmungsverfahren haben wir eine zentrale Klausurtagung zwischengeschaltet, auf der die wesentlichen Entscheidungen fallen. Dort stellen wir fest, bei welchen Spielen wir allgemein Konsens haben und bei welchen wir Details diskutieren müssen. Letzteres geschieht ganz überwiegend über das gemeinsame Durchspielen.

Zweitens wurde aus einer Reihe von Gründen die Wahl des Hauptpreises auf den Vorabend der Preisverleihung gelegt.

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19. September: Frage von Niek Neuwahl: lieber Bernward, ich könnte mir vorstellen, daß mancher Senior sich sehr freuen würde, wenn es Spiele geben würde, die als besonders senior-geeignet ausgezeichnet würden. Könnte das nicht in irgendeine Art ein Tätigkeitsfeld für die Jury Spiel des Jahres sein?

Ich habe beinahe dreißig Jahre lang unzählige Spielveranstaltungen im Bereich von Senioren-Clubs, Altentagesstätten und Altersheimen durchgeführt. Und nun kam mir plötzlich die Erkenntnis, daß ich selbst ja auch bereits ein Senior bin. Und ich spiele diese neue Erkenntnis bei meinen Spielveranstaltungen in diesem Bereich schamlos aus, so nach dem Motto "Wir Senioren spielen doch wohl gerne!".

Mit Sicherheit würde sich mancher Senior freuen, wenn er durch geringfügige Veränderungen an einem Spiel leichteren Zugang bekäme. Kaum einer fühlt sich wirklich als "alter Mensch", kaum einer wünscht sich Spiele für behinderte Alt-Erwachsene.

Aber auf der anderen Seite sollte man auch nie nie sagen. Wenn das Durchschnittsalter unserer Bevölkerung sich weiter nach oben verschoben hat, könnte es auch sein, daß ein Sonderpreis Seniorenspiel oder gar ein solcher Hauptpreis seinen Sinn macht.

Im Augenblick ziehe ich einen anderen, einen intergenerativen Ansatz vor: Spiele und Spielen als Brücke zwischen den Generationen. Das ist auch der Arbeitsschwerpunkt des Archivs im spielpädagogischen Bereich. Ich denke, das bringt uns weiter als so eine Gettoisierung, die in der Segmentierung oft genug nur platteste Werbeaspekte zum Hintergrund haben: Spiele für Girls, Spiele für Boys, Spiele für wen auch immer....lassen eben leichter und gezielter und punktgenau an die Frau oder an den Mann bringen.

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20. September: Frage von Kurt Gyoeroeg: Was muß man bei der Lagerung von Spielen beachten? Wo kann man sie ungefährdet lagern? (Kurzfassung der Frage)

Die Lagerung auf Zeit oder gar die Archivierung von Spielen auf Dauer ist ein noch schwierigeres Thema als die von Büchern. Es handelt sich hier ja sozusagen um Hohlkörper, die in höherem Maße klimatischen Einflüssen ausgesetzt sind. Und: Bei Spielen wurden früher nicht gerade die wertvollsten Rohstoffe eingesetzt. Da tickt auch hier eine viel sicherer zuschlagende Zeitbombe wie in der amerikanischen Kongreßbibliothek, wo man einen schier aussichtlosen Kampf gegen den fortschreitenden Zerfall der Bücher führt.

Papier und Pappe haben halt viele Feinde. Licht wurde ja schon erwähnt. Zu den ebenfalls erwähnten "Gummiringerln" kommen auch Reparaturversuche mit ungeeigneten Klebstoffen und schlimmen Klebebändern. Viele Spiele sind darüber hinaus häufig gespielt worden und man ist dabei nicht gerade sorgsam mit ihnen umgegangen. Dadurch haben sie oft genug eine Menge weiterer Giftstoffe (Fette, Schweiß, Atemluft usw. usw.) aufgenommen, die sich dann im Laufe der Zeit unangenehm bemerkbar machen. Mit so manchem "Patienten" bin ich zu einer Adresse gegangen, die ich hier nicht verrate, und habe mir Schäden durch Pilz-Befall usw. beseitigen lassen.

Ich habe mir früher auch nicht träumen lassen, daß es so viele Krankheiten bei Papier und Pappe gibt. Und noch schlimmer ist es mit den Plastikteilen in Spielen. Wenn die Weichmacher ihre Wirkung verlieren, knackst es einem unter den Händen weg, wenn man so ein noch gar nicht altes Rübchen noch einmal spielen will. Plastikteile bis hin zu elektronischen Datenträger für Spiele lassen sich eigentlich überhaupt nicht auf "ewig" aufheben. Sie haben eine noch schnellere Verfallszeit als Papier und Pappe.

Was bleibt? Spiele bei möglichst gleichbleibendem Raumklima aufbewahren. Licht und Feuchtigkeit fernhalten, sie sind in hohem Maße schädlich. Vor der Lagerung die Spiele behutsam säubern und von Schadstoffen reinigen. Viel mehr kann man da gar nicht machen. Um sie der Nachwelt zu erhalten, könnte man sie allenfalls samt Regeln digitalisieren. Doch das frißt nicht nur unwahrscheinlichen Speicherplatz, es hat halt auch mit dem Spielen so seine Grenzen.

Moral: Freut auch an Euren alten Spielen, indem ihr sie immer mal wieder vorholt und mit Familie und Freunden durchspielt. Da kann man immer wieder einmal alte Dinge neu entdecken und staunen, daß sie immer noch Spaß vermitteln können. Alles andere bringt nur graue Haare!

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21. September 2003:

Sie sind ausgebildeter Journalist und schreiben für eine Zeitung. Wie stehen Sie dem Internet gegenüber, speziell den Spielesites, die ja von "Hobby-Journalisten" betrieben werden?

Ich habe zwar in der ZEIT angefangen zu schreiben und habe beinahe dreißig Jahre lang für die Frankfurter Rundschau geschrieben, bin aber weder ein aus- noch ein eingebildeter Journalist. Ich bin vielmehr sowohl im Printbereich wie auch im Bereich der elektronischen Medien, wo ich hier an der Philipps-Universität Marburg viele Seminare durchgeführt haben, irgendwie totaler Autodidakt.

Aber zu Ihrer Frage: ich stehe dem Internet absolut offen gegenüber, nutze seine Angebote sehr umfassend. Es gibt dort "Hobby-Journalisten", vor deren Engagement ich den Hut ziehe. Es gibt aber auch solche, die so eine ganz merkwürdige Vorstellung von einem ganz speziellen "Spiele-Journalismus" haben. Danach ist das etwas, was vorzugsweise unter der Gürtellinie zu betreiben ist. Es ist geradezu Ehrensache, absolut ohne jegliche Recherche auszukommen. Man betreibt das einfach und ganz locker aus dem Darm heraus. Fairplay ist für diese Vertreter keine Verpflichtung, sondern eher hinderlich bei der Jagd nach billigen Pointen. Darauf kann ich leicht und locker verziehen.

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22. September: Können Sie sich auf absehbare Zeit vorstellen, daß der Betreiber einer solchen Site in die Jury "Spiel des Jahres" berufen wird? Wenn ja, was wären die Voraussetzungen dafür, wenn nein, warum nicht? (Anmerkung: es geht hier eindeutig nicht um uns, weil wir als Spieleautoren laut Satzung des Vereins nicht mehr zugelassen sind.)

Kann ich mit gut vorstellen. Es würden für sie oder ihn die gleichen Voraussetzung gelten wie auch für alle anderen: Kompetentes Urteil, langjähriges Engagement, Unabhängigkeit von den Verlagen und natürlich auch Teamfähigkeit. Der oder die Betreffende sollte von allen Jury-Mitgliedern auch als Kollege im Team akzeptiert werden, sonst ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die Grundlage jeder Juryarbeit, nicht möglich.

Übrigens waren "praktizierende" Spieleautoren bei unserem Kritikerpreis von Anfang an nicht zugelassen. Hat ein Jurymitglied das Bedürfnis, mit einer Spielerfindung an den Markt zu gehen, so muß er für die Zeit, in der sein Spiel im Wettbewerb steht, aus der Jury ausscheiden.

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23. September: Frage von Kathrin Nos: Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung durch den Inno-Spatz? Dieser wurde im Rahmen des diesjährigen Spieleautorentreffens in Göttingen vergeben. Anknüpfend an diese Frage eine weitere zum Spieleautorentreffen: Erzählen Sie uns ein wenig, wie Sie an diesem Treffen teilnehmen und welchen Stellenwert Sie ihm beimessen?

Zusatz Pöppelkiste: Sie sind für Ihre Verdienste um das Spiel mit dem Bundesverdienstkreuz, der höchsten Auszeichnung der Bundesrepublik ausgezeichnet worden. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Ich habe mich schlicht gefreut. Gefreut auch über die Dotierung. Mit den € 500,00 kann ich im Archiv wieder einiges finanzieren. Ich will das Ganze ja in eine Stiftung transferieren, und das kostet im Vorfeld einiges an Anwalts- und Beraterhornoraren.

An den Spieleautorentreffen nehme ich seit Anbeginn teil. Sie sind enorm wichtig für die Entwicklung des Spiels. Ihr Beitrag für die Entwicklung eines eigenen Autorenprofils ist gar nicht hoch genug anzusetzen!

Ich habe nicht das Bundesverdienstkreuz, sondern den Bundesverdienstorden verliehen bekommen und wedele mit diesem Ding ganz wild bei Parteien und anderen potentiellen Unterstützern unserer Stiftungsidee herum. Aber so richtig geholfen und voran gebracht hat es uns noch nicht. Wenn ich das richtig sehe, ist mein Orden im unteren Mittelfeld angesiedelt. Ich habe also noch Steigerungsmöglichkeiten. Das beruhigt und feuert zugleich ganz ungemein an. Man muß nur geil genug auf Orden sein!

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24. September: Was sind aus ihrer Sicht Kriterien für ein gutes Spiel? In welchem Spiel finden Sie diese wieder? Welche Spiele spielen sie gern?

Ein gutes Spiel soll mir und meinen Mitspielern Spaß machen. Tut es das nicht, ist es schlicht ein "Scheißspiel". Es soll bei uns allen die kleinen grauen Zellen in Gang setzen und in Gang halten und auf diese Weise auch einen hohen Wiederholungsreiz ausüben. Ein gutes Spiel ist in sich gerundet, eröffnet eine geschlossene eigene Welt. Und da sind wir schon bei den Spielen, die ich nicht mag.

Ich mag keine Konstrukte, bei denen man überall die eingesetzten altbekannten Module erkennt, bei denen überall die Korsettstangen herausgucken. Das sind oft genug Materialschlachten mit unendlich langen Spielregeln, die nur deshalb so unendlich lang sind, weil das Spiel selbst ein Konstrukt mit lauter mehr oder weniger logischen Festlegungen des Autors ist, daher ohne wirkliches Eigenleben, ohne inneren Spielfluß.

Ich zitiere da gerne Brecht, der in einer Probe einmal festgestellt hat, daß es das Einfache ist, was so überaus schwer zu machen ist.

In jüngster Zeit habe ich das Ideal in dem Spiel Carcassonne wiedergefunden. Das protzt nicht, sondern lebt vom Understatement. Plötzlich merken die Spieler: Hoi, da steckt ja jede Menge taktische Möglichkeiten drin. Es unterhält ganz locker vor sich hin und plötzlich wird es spannend, weil man wieder einmal eine kleine Hinterfotzigkeit eines Mitspielers erkannt hat und hofft, dass das Schlimmste noch zu verhindern ist.

Damit ist die letzte Frage nach meinen derzeitigen Lieblingsspielen schon fast beantwortet. Also "Carcasonne". Aber auch "Alhambra" hat ein solches Potential, bei mir ein Dauerläufer zu werden. Und ich liebe es, "Bluff" mit meiner Tochter Wiebke zu spielen, weil die da inzwischen ein richtig schönes, unerschöpfliches Repertoire an Tricks entwickelt hat. Dann habe ich auch noch eine Haßliebe zu Fadenspielen, weil ich die komplizierten Varianten immer wieder vergesse, sehr zur Freude meiner Kinder. Die haben wenigstens hier eine gewissen Genialität entwickelt und können auch die kompliziertesten Dinge wie die "Blüte Laya" im Handumdrehen herbeizaubern. Und bei den Kartenspielen liebe ich den Oldie "Doppelkopf" und bei den neueren Spielen "Mamma Mia", das ich absolut genial finde.

Mit den Spielen ist es ein bißchen so wie mit der Musik. Da gibt es Melodien, die einem als "Ohrwürmer" eine ganze Zeitlang nicht aus dem Kopf gehen. Und dann ist es wieder eine ganz anderer Song. Und dann wieder kann man bestimmte Musikrichtungen ganz und gar nicht mehr hören. Man behält nicht ein Leben lang immer die gleichen Spiele und Spielarten in seinem Lieblingsrepertoire. Das wechselt vielmehr mit Stimmungen, mit anderen geistigen Interessen, aber auch mit neuen Freunden und Mitspielern, die einem andere Blickwinkel vermitteln.

An dieser Stelle schicke ich noch einen Seufzer hinterher: die Zeit, Lieblingsspiele zu pflegen, fehlt mir seit Jahren schon. Die Neuheiten haben immer Vorrang, wegen der Jury- und der Rezensionsarbeit. Hinzukommen die zahlreichen Aktivitäten des Archivs. Auf den zehn Messen und Spielfesten finde ich ja noch Gelegenheit, gerade die Spiele vorzugsweise auf den Tisch zu legen, die ich mag. Aber da ist halt auch noch der Archivalltag und dieses Jahr obendrein die Organisation der zahlreichen Jubelveranstaltungen für 25 Jahr Spiel des Jahres. Da bleibt viel zu wenig Zeit zum Spielen, finde ich.

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25. September: Frage von Peter Sik: Haben Sie sich eigentlich auch mal an eigenen Spielideen versucht, bzw. gibt es irgendwelche Spiele-Schätze, die in Ihren Schubladen schlummern?

In meinen Schubladen schlummert manches, aber keine Spieleideen. Ich habe da ganz bewußt eine Trennung durchgehalten. Am Anfang meiner Rezensionstätigkeit erlebte ich aus nächster Nähe, wie ein Kollege unter einem Pseudonym Spiele auf den Markt brachte bzw. für Spieleverlage lektorierte und selbige dann unter einem anderen Pseudonym über den grünen Klee lobte. Fand ich nicht so gut! Deshalb habe ich mich als Kritiker auch nie hinter einem Pseudonym versteckt, sondern immer mit offenen Visier gearbeitet.

Aber ich muß trotzdem hier ein Geständnis machen. Einmal in meinem Leben, das ist schon lange her, habe ich tatsächlich ganz nebenbei auch eine eigene Spielidee entwickelt. Da tauchte im Archiv der Vertreter einer Werbeagentur auf. Er suchte einen Autor, der ihm ein Give-Away-Spiel für Aktionen an Berliner Schulen entwickeln sollte, bei denen es um das Sammeln von verbrauchten Batterien ging. Ich gab ihm die gewünschten Adressen. Bei einer Flasche Weißherbst sprachen wir anschließend über das Briefing, das er dem Autor an die Hand geben sollte. Das Ganze ging dann so sehr ins Detail, daß wir bei der zweiten Flasche Weißherbst plötzlich feststellten, daß die Arbeit schon halb gemacht war und die entstandene Spielidee eigentlich nur noch realisiert werden müßte.

Wir fanden den Entwurf gut, wahrscheinlich auch unter dem benebelnden, euphorisierenden Einfluß des Weißherbstes. Meine Kinder waren nüchtern und fanden das Spiel ausgesprochen doof. Jeder würde da für sich allein so hinsammeln, nix und null Interaktion! Die weitere Arbeit am Spielentwurf vermittelte mir dann wenigstens partiell einen für mich wichtigen Einblick in die Schwierigkeiten, ein richtig schönes, rundes Spiel zu gestalten. Ich fand Gott sei Dank eine wirklich gute, originelle Lösung, die auch meine Kinder begeisterte. Aber die verrate ich hier nicht.

Ob das Spiel je produziert wurde, weiß ich nicht. (Anmerkung für Jury-Aufseher: In den Handel gekommen ist dieses Spiel nicht, war auch gar nicht dafür vorgesehen. Ihr könnt also beruhigt sein, ein Verstoß gegen die Satzung ist von mir zu keinem Zeitpunkt begangen worden.)

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26. September: Wir haben ihnen viele Fragen gestellt. Möchten Sie zum Abschluss unseren Lesern noch etwas mitteilen oder möchten Sie uns eine Frage stellen?

Vielleicht habt Ihr an meinen Antworten ein bißchen gemerkt, daß mir das Interview Spaß gemacht hat und ich gerne geantwortet habe. Ein bißchen würde mich schon interessieren, wie Ihr unsere diesjährige Entscheidung für "Alhambra" gefunden habt. Vielleicht schreibt Ihr mir mal Euer Urteil. Auf der Homepage www.spiel-des-jahres.de findet Ihr unsere Mail-Adresse.

Und mitteilen möchte ich Euch noch, daß das Deutsche Spiele-Archiv ein Arbeitsarchiv ist, das jeder an jedem Tag (allerdings nicht an den Wochenenden bzw. Feiertagen) besuchen und zur Arbeit, aber auch zum Vergnügen nutzen kann. Wer von außerhalb anreist, sollte sich vielleicht besser vorher telefonisch anmelden.

Wir können uns zwar über mangelnde Arbeit im Archiv wirklich nicht beklagen, freuen uns aber wirklich über jeden, der uns besucht und uns die tägliche Routine-Arbeit (Beantwortung von Briefen, Daten-Erfassung von Spielen und anderen Archivalien, Organisation von Messen und Jubelveranstaltungen usw. usw. usw.) ein bißchen würzt. Wie alle richtigen Spieler sind auch wir soziale, nämlich auf fröhliche Kommunikation ausgerichtete Wesen. Also, bis dann im Spiele-Archiv!

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Wir danken Bernward Thole herzlich für dieses Interview.


Unsere Meinung zum SdJ folgt hier.

Antwort Brigitte: Die Entscheidung der Jury ist für mich in Ordnung, sie stimmt jedoch nicht mit meinem persönlichen Favoriten überein. Da ich aber sicherlich nicht zur Zielgruppe, die das Spiel des Jahres erreichen will, gehöre, konnte ich dies nicht unbedingt erwarten. Mein Lieblingsspiel ist in diesem Jahr Paris Paris. Ich habe es schon vor der Veröffentlichung kennen gelernt, und war sofort begeistert. Als Mathematikerin hatte ich auch keine Probleme mit dem Verständnis. Dies hatten aber einige Wenigspieler, wie ich erst später feststellte. In Oberhof auf der Spielewoche habe ich sowohl Alhambra, als auch Paris Paris oft erklärt. Schon dort fiel mir auf, das der Zugang zu Alhambra leichter als zu Paris Paris gefunden wurde. Auch die Optik der Spiele kam dieser Gewichtung besser entgegen.
Daher kann ich nur sagen: Es wurde nicht mein Lieblingsspiel ausgezeichnet, jedoch eins, das direkt danach kam. Die Ausstattung und die Grafik ist um Welten besser. Daher freue ich mich , dass ein Spiel, das auch ich sehr gern spiele, den Preis erhalten hat.

Antwort Wolfgang: Die Geschichte über Alhambra als Spiel des Jahres beginnt viel früher als zum Zeitpunkt der Verleihung, genauer kurz vor Silvester und hat überhaupt nichts mit Alhambra zu tun. Sie beginnt mit einer Email zu und später einem Päckchen mit einem Prototyp von "Paris Paris". Das Spiel hat mir sofort gefallen und ist dieses Jahr mein absolutes Lieblingsspiel. Ich habe natürlich gehofft, dass es Spiel des Jahres wird. Es war im Spielekreis beliebt und, für mich schon überraschender, auch in der Brettspielwelt. Schließlich kam es auf die Auswahlliste.
Zwischen der Auswahlliste und der Nominierungsliste lag das Göttinger Spieleautorentreffen 2003. Ein gewisser Bernward Thole bekam den Inno-Spatz und hielt eine Dankesrede, in der er sinngemäß sagte: "die Jury muss bei ihrer Auswahl wieder mehr Gewicht auf Gestaltung und Ästhetik legen." Wenn man wie ich lange das Geschehen in der Spieleszene verfolgt, liest man zwischen den Zeilen und da stand ganz klar "Paris Paris nicht, aber dafür stand da um so mehr: Alhambra!" Es kam die Nominierungsliste und diese nie geschriebene oder gesprochene Aussage bewahrheitete sich.
Zurück zu Alhambra: mein erstes Spiel war eine Katastrophe, ich fand es langweilig, hatte auch Pech und wurde gespielt. Es sollte sich ändern und nach und nach lernte ich Alhambra schätzen, so sehr, dass ich es auf dem Spieletreff in Oberhof zehn Mal spielte und auch danach zu Hause immer wieder. Als ich die Nominierungsliste und die Kandidaten darauf sah, dachte ich sofort: "es muss Alhambra werden; hoffentlich schafft es Queen Games." Meine Befürchtung war, dass Queen Games wieder einmal scheitern würde. Zu Dracheninsel als einem der Konkurrenten möchte ich anmerken, dass sie mich positiv überrascht hat, weil es gar nicht den destruktiven Charakter hat, den ich erwartet habe. Clans als der andere Konkurrent spiele ich auch sehr gern und Winning Moves tut mir sehr leid, bei drei Nominierungen wieder gescheitert zu sein, doch Clans ist sehr taktisch und daher im Sinne des Ziels des Spiel des Jahres für mich ungeeigneter als Alhambra. Fazit: ich bin mit Alhambra zufrieden, auch wenn mein Lieblingsspiel wie schon manches Mal - in den letzten Jahren TransAmerica und Ohne Furcht und Adel - wieder auf der Strecke blieb.