Romeo und JuliaRomeo und Julia

Romeo und Julia ist vielleicht die bekannteste Tragödie. Shakespeares Drama endet mit dem Tod der Hauptprotagonisten, deren Liebe nicht stattfinden durfte, weil die beiden Familien, aus denen sie stammen, verfeindet sind. Heute sind wir mehrere Jahrhunderte weiter. Die Filmgeschichte lehrt und, dass Dramen Oscars gewinnen, während das Publikum ein Happyend wünscht. Jetzt besteht die große Chance das Ende für das größte Liebespar der Literatur umzugestalten.

In diesem kooperativen Spiel übernimmt ein Spieler die Rolle Romeos, einer die Rolle Julias. Das Ziel ist, die Liebe in Verona, dem Ort an dem Romeo und Julia leben, siegen zu lassen. Die Liebe steigt, wenn sich die Liebenden treffen. Allerdings verbreitet sich auch der Hass in Verona, und zwar immer dann, wenn sich Mitglieder der verfeindeten Familien begegnen. Zwei weitere Protagonisten sind Pater Lorenzo und die Allegorie des Hasses. Die Allegorie fördert den Hass, egal auf wen sie trifft – außer: Pater Lorenzo sorgt für Ruhe. In seiner Gegenwart steigt der Hass nie.
Neun Auftritte warten auf unsere Protagonisten, je drei leichte, mittelschwerer und schwere. Der Grad wird durch Startaufstellung, die Startbotschaften – dazu gleich mehr – und die Ereignisse bestimmt, vor allem durch das eine dauerhafte. Das Spiel geht über drei Akte zu je vier Szenen, also zwölft Runden. Und wie im Theater schauen wir uns die Szenen an.

Romeo und Julia kannten kein Handy, sie konnten sich nicht einmal mündlich verabreden. Sie mussten sich Botschaften schicken. Mit einer Nachricht teilt man dem Partner mit, wo man sich mit ihm treffen möchte. Auch ohne Botschaft kann ich ihm mitteilen, ob ich lieber den Verstand nutzen möchte. Dann steigt zwar nicht die Liebe, aber es gib neue Botschaften.
Nachdem die Verabredung steht oder auch nicht, entscheiden Romeo und Julia getrennt per verdeckter Karte, wohin sie gehen und wen sie als Begleitung auserwählt haben. Sie begeben sich mit dem auserkorenen Begleiter an den gewählten Ort. Jeder Ort mit Ausnahme von Julias Balkon erlaubt es, Protagonisten an einen anderen Ort zu bewegen.
Gab es keine Verabredung, erhalten Romeo und Julia eine Botschaft, sonst steigt die Liebe, wenn sie sich getroffen haben. Auf Julias Balkon ist es besonders schön, denn dort steigt die Liebe doppelt. Bevor allerdings die Liebe steigt, verbreitet sich der Hass. Das Spiel ist entschieden, wenn die Liebe oder der Hass auf dem Höhepunkt angekommen sind. Ansonsten tritt ein Ereignis ein, das die Situation in Verona verändert.

"Wie soll das gehen?", war die Frage, die mir nach dem Regellesen durch den Kopf schoss. "Wenn Romeo und Julia je einen Begleiter mitbringen, führt jedes Treffen doch zu einem Anstieg des Hasses." So wäre es, wenn es nicht Pater Lorenzo gäbe und die Orte in Verona weitere Bewegungen erlaubten. Wir brauchten das erste Spiel, um zu lernen, wie sich Romeo und Julia gefahrlos treffen können. Eltern und Geschwister können ziemlich lästig sein. Wir redeten in diesem Spiel mehr als das Spiel erlaubt, gewannen klar und irregulär und eröffneten uns ein Spiel mit großer Spieltiefe und ungewöhnlichem Ablauf.
Wir wiederholten den ersten Auftritt. Dabei beschränkten wir uns auf die erlaubte Kommunikation. Brav wurden Botschaften gesendet und der Ausblick von Julias Balkon genossen. Wir wurden pfiffiger, erfreuten uns an der Güte des Paters mit der wir den Verwandten und vor allem der Allegorie des Hasses eine lange Nase zeigten.
In den weiteren Spielen stiegen die Anforderungen. Waren in der ersten Partie die Bewegungen, die wir durch die Orte ausführen durften, optional, mussten sie nun ausgeführt werden. Nach und nach verschwanden auch die guten Ereignisse aus dem Ereigniskartenstapel, wurden erst durch einmalige, chaotisierenden ersetzt und später sogar gegen dauerhaft negativ wirkende. Der Anspruch stieg ständig, nie viel, so blieb das Spiel zu meistern, wobei wir erst bei den mittelschweren Auftritten sind.

Das Spiel stellt die Spieler in jedem Zug vor ein Rätsel. Kann ich meine Julia, meinen Romeo in diesem Zug treffen? Sieht ein Spieler eine Lösung, stellt sich die Frage, ob der andere überhaupt zu dem Ort gelangen kann. Die wenigen Hinweise, gespielte Karten und gesendete Nachrichten, sind wichtige Informationen. Selbst wenn alles stimmt, kann es Missverständnisse geben und die nützen nur dem Hass.

Während des Spiels sind wir gefangen von der Darbietung. Das Spiel fängt uns mit dem Thema ein. Die Umsetzung ist perfekt: Die Spieleschachtel ist eine Schatulle, öffnet sich wie ein Vorhang und erzeugt Spannung auf das, was kommen wird. Die Orte in Verona sind mit wunderbaren Illustrationen versehen, die während des Spiels wie eine Kulisse im Hintergrund bleiben und nicht von der Handlung ablenken. Die Protagonisten befinden sich mit ihrem Konterfei auf Holzscheiben, die durch ihre Farbe die Familienzugehörigkeit oder die Neutralität der Figur zeigen. Selbst die Ortsnamen sind in diesen Farben gehalten und unterstützen so die Spieler. Weil Romeo und Julia aufgestellte Figuren sind, sind sie als Hauptprotagonisten leicht aufzufinden. Ein Dank an den Kulissenbauer, der uns so jederzeit den Überblick behalten lässt.

Romeo und Julia ist ein kooperatives Spiel, das die Spieler immer wieder vor kleine Rätsel stellt. Nicht immer gibt es eine Lösung; dafür dürfen wir das Rätsel umbauen, möchten es lösbar machen. Hier lohnt ein Theaterbesuch. Der Blick auf Romeo und Julia, wenn sie auf ihrem Balkon stehen, ist allein das Geld wert. Ich empfehle einen Logenplatz, weil er dem Schauspiel angemessen ist. (wd)

Steckbrief
Romeo und Julia
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Julien Prothière, Jean-Philippe Sahut Huch! 2 Spieler ab 14 Jahre ca. 30 Minuten David Cochard