OrbisOrbis

Wolltest du schon einmal Gott sein und deine eigene Welt erschaffen? Das ist mühsam und dauert vermutlich sieben Tage, inklusive eines Ruhetages. Wesentlich schneller geht es mit dem Baukastensystem "Orbis", in dem die Landschaften vorgefertigt sind. Allerdings musst du die Landschaften mit ein bis drei Möchtegerngöttern teilen.

Quellen und VulkanWie bei der Erschaffung einer Welt üblich, starten wir mit dem Nichts. Es gibt fünf vorgefertigte Landschaften (Stadt, Dorf, Wald, Quelle und Vulkan), denen jeweils eine Farbe (weiß, gelb, grün, blau und rot) zugeordnet ist. Damit der Baukasten funktioniert, sind sie in drei Gruppen eingeteilt. Damit wird ungefähr der Zeitpunkt bestimmt, wann eine Landschaft ins Spiel kommt. Eine Landschaft hat neben Gruppe und Farbe noch zwei Merkmale: Kosten und Funktion.
Es stehen immer neun Landschaften zur Verfügung, aus denen ich eine für meine Welt auswähle. Sofort finden sich in der Nachbarschaft ein paar Anhänger ein, die dieser Landschaftsform huldigen und deshalb die gleiche Farbe haben. Wer eine Landschaft wählt, auf der sich Anhänger befinden, nimmt diese einfach an sich. Götter benötigen ein paar Anhänger, denn mit ihnen werden die Landschaften bezahlt. Keine Angst, die meisten Landschaften der Gruppe 1 sind kostenlos.

Wildnis, Wald und Gott der GleichgewichtsNun beginne ich meine Welt. Die erste Landschaft liegt vor mir. Sie ist Bestandteil der Basis, die aus fünf Landschaften bestehen wird. Dort werde ich in den nächsten Zügen weitere beliebige Landschaften platzieren. Sobald zwei Landschaften nebeneinander liegen, darf die darüber liegende Reihe meiner Welt begonnen werden. Ab jetzt ist das Götterleben nicht mehr ganz so einfach, denn die Landschaftsform muss eine der beiden darunter wiederholen. Manchmal werden auch Götter in ihre Schranken gewiesen und finden keine passende Landschaft, dann dürfen sie eine beliebige Landschaft zur Wildnis machen. Die kostet nichts, kann überall hingelegt werden und darüber kann alles gebaut werden. Praktisch, oder? Hätte sie bloß nicht den störenden Minuspunkt.
Wenn die Landschaft angelegt ist, entfaltet sie ihre Wirkung in meiner Welt. In Gruppe 1 bringen die Landschaften überwiegend Anhänger. In Gruppe 2 und 3 sind es Siegpunkte. Schließlich wollen wir uns mit anderen Göttern messen. Jede Landschaftsform hat dafür ihre Bedingung. Man muss sie nicht erfüllen, aber dann kommt aus dem Off der Zeus der Götterwelt und deckt die Siegpunkte zu. Damit sind sie unwiderruflich verloren. Schauen wir uns einfach mal zwei Bedingungen an. Die Quellen möchten immer über eine bestimmte Landschaft gebaut werden, zum Beispiel über eine Stadt. So eine Quelle muss über eine Quelle und über eine Stadt gelegt werden. Dörfer hingegen möchten mit drei Bauern besiedelt werden. Als Gott muss ich daher drei meiner Anhänger abgeben.

Am Ende des Spiels besteht meine kleine Welt aus 14 Landschaften, die pyramidenförmig ausgelegt werden. Darüber lege ich mein Bild, also das Bild der Gottheit meiner Welt. Es gibt zehn Götter von denen immer einer mehr als Spieler mitspielen. Einmal im Spiel wähle ich anstelle einer Landschaft, die Gottheit, die ich verkörpere. Jeder Gott und jede Göttin hat ihre eigene Vorstellung von der Welt. Wird sie erfüllt, gibt es auch hier Siegpunkte, zum Beispiel möchte der Gott der Vielfalt die Errichtung eines Dorfes und eines Tempels und verlangt einen Vulkanausbruch. Bei den Tempeln, die mit Städten errichtet werden, gibt es die Punkte durch einen Vergleich der Menge zwischen den Göttern. Schnell sind alle Punkte zusammengezählt, denn nur die erreichten Punkte liegen noch offen, und der Sieger ist bestimmt.

meine WeltOrbis ist eines jener Spiele, die einfache Regeln und einen schnellen Ablauf haben, aber dennoch den Spielern eine gute Planung abverlangen. Beim Start sind die Entscheidungen noch einfach, vor allem, weil noch keine Fehler gemacht werden können. Mit den ersten Landschaften oberhalb der Basis nimmt es an Fahrt auf. Nun können nicht mehr beliebige Landschaften ausgelegt werden. Gegen Ende sind die Möglichkeiten noch begrenzter, weil es immer weniger Anlegeplätze gibt. Jetzt zeigt sich, wer eine gute Planung hatte. Dazu gehört auch, seine Mitspieler richtig einzuschätzen, denn nur so ist eine Abschätzung möglich, welche Landschaften längerfristig verfügbar bleiben. Mit ein wenig Erfahrung fällt auch die Hemmung, Wildnis auszulegen. In vielen Fällen ist die Flexibilität so wertvoll, dass sie den Minuspunkt locker kompensiert.
Neben den einfachen Regeln besticht Orbis durch eine hohe Ausgewogenheit. In unseren Spielen hat schon jede Mehrheit an Landschaften zum Sieg geführt, große Wälder, viele Quellen, jede Menge Vulkanausbrüche und auch der Bau von Städten mit ihren Tempeln. Das Spielgefühl ist konstruktiv, weil ich etwas aufbaue und alles in meiner Welt erhalten bleibt. Die Interaktion geschieht über die Auslage der Landschaften. Das bietet Einfluss ohne destruktiven Charakter, weil selbst beim Vulkanausbruch nur die Auslage, nicht aber die Welten der Spieler betroffen sind.

Orbis bietet eine gute Spieltiefe. Es ist gradlinig, vielleicht nicht einmal komplex, und hat eine angenehm kurze Spieldauer von rund 15 Minuten pro Spieler. Das klingt wie ein Familienspiel, liegt wegen der angesprochenen Spieltiefe dabei an der oberen Grenze. Für Kenner von Splendor lässt es sich einfach charakterisieren: Es bietet ein ähnliches Spielgefühl, der Anteil an Taktik (kurzzeitiges Planen und Handeln) und Strategie (langfristige Planung mit darauf ausgerichtetem Handeln) sind vertauscht; die Strategie nimmt hier einen deutlichen größeren Raum ein.
Spiele mit einfachen, gradlinigen Regeln, die damit eine große Spieltiefe erzeugen, schätze ich sehr. Allen, die diese Vorliebe teilen, empfehle ich Orbis uneingeschränkt. (wd)

Steckbrief
Orbis
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Tim Armstrong Space Cowboys 2 - 4 Spieler ab 10 Jahre ca. 45 Minuten Davide Tosello