Der PateDer Pate

Literatur- und Filmverspielungen gehören seit einiger Zeit zu den marketingtauglichen Zugpferden des Spielemarkts. Vor allem der Kosmos-Verlag hat in den letzten Jahren häufig Namensrechte erworben und mit zumeist überzeugenden Spielideen verknüpft. Man denke nur an Titel wie "In 80 Tagen um die Welt" (nach Jules Vernes), "Der Hexer von Salem" (nach Wolfgang Hohlbein/H.P. Lovecraft), "Die Säulen der Erde" und zuletzt "Die Tore der Welt" (beide nach Ken Follett). Ausgewiesener Fachmann für das Genre ist Michael Rieneck, der bei den genannten Spielen als Autor bzw. Co-Autor verantwortlich zeichnet. Nun legt er mit "Der Pate" eine weitere Adaption beim Stuttgarter Verlag vor: Es geht um nichts Geringeres als um die Verspielung des Film-Klassikers aus dem Jahr 1972, der seinerseits die Verfilmung des gleichnamigen Romans (1969) von Mario Puzo gewesen ist.
In Der Pate - wer hätte es anders vermutet? - verkörpern zwei bis vier Spieler die Familienoberhäupter konkurrierender Mafia-Clans in New York. Ihr Ziel ist es, möglichst viel Geld durch (vor allem illegale) Geschäfte zu scheffeln, dabei jedoch nicht Ansehen und Einfluss zu vernachlässigen. Geschick und Glück sind dabei gleichermaßen vonnöten - Aufstieg und Fall der "ehrenwerten" Familien sind deren natürliche Folge.

ManhattanDer Spielplan zeigt in düsteren Farben Manhattan. Die vier Familien Corleone, Barzini, Stracci und Tattaglia haben die Stadtteile bereits zu Beginn unter sich aufgeteilt und betreiben dort ihre schmutzigen Geschäfte (je drei pro Spielerfarbe): Schutzgelderpressung, Schmuggel, Wettgeschäfte und das lukrative Glücksspiel. Die einzelnen Geschäfte sind durch eine Straße verbunden, auf dem ein Gangsterauto fortbewegt wird. An den Bretträndern finden die Spieler jeweils Leisten, um u. a. die Entwicklung ihrer Clans in Ansehen und Einfluss nachzuhalten. Jeder erhält außerdem ein Würfeltableau seiner Familie, mit deren Hilfe er ihre Aktionen zu steuern versucht.
Das Spiel geht über sieben Runden mit klarem Ablauf. Nach der Ausschüttung von Einkommen aus legalen Geschäften wird zunächst eine Ereigniskarte aufgedeckt. Diese Ereignisse können Vor- oder Nachteile (z. B. die Verhaftung von Familienmitgliedern auf bestimmten Geschäftsfeldern) bringen. Schließlich führen die Spieler reihum ihre Aktionen aus. Dazu würfeln sie die vier unterschiedlich farbigen Würfel und ordnen dabei jeweils einen Würfel einem Feld pro Zeile auf ihrem Tableau zu. Zumeist müssen die Würfel dabei dieselbe Farbe wie das Aktionsfeld haben. Durch ihre Auswahl bewirken die Spieler, dass einzelne illegale Unternehmungen für alle beteiligten Spieler Geld abwerfen, dass sie Ansehen und Einfluss gewinnen, Geschäfte übernehmen, Wetten manipulieren oder Familienmitglieder aus dem Gefängnis "The Tombs" holen. Die einzelnen Aktionen werden sofort im Anschluss der Zuordnung ausgeführt.
Ereigniskarte: AngebotObwohl der Zufall durch die Ereignisse und das Würfelglück keine unerhebliche Rolle spielen, erfordert die Auswahl aus den vier Farben einiges an Überblick und Nachdenken: Auf welche Farbe kann ich früh verzichten und sie auf eine der ersten Zeile platzieren? Welche Geschäfte kann ich übernehmen? Wie kann ich meinen Mitspielern schaden und selbst daraus Vorteile ziehen? Auf dem Spielbrett ist einiges los. In der Regel verdrängt man seine Konkurrenten aus ihren Geschäften und scheut dabei auch nicht vor "Gewalt" zurück: Der Hudson füllt sich während des Spiels unweigerlich mit Spielfiguren, die von anderen dort "versenkt" wurden. Doch aufgepasst: Wer den Konkurrenten mit Gewalt auf den Leib rückt, lädt "Schuld" auf sich (symbolisiert durch Schuldmarker), für die Betroffene bei der "Versammlung der Paten" u. U. empfindlich hohe finanzielle Entschädigung fordern können. Wenn man Pech hat, vergelten die Konkurrenten Gleiches mit Gleichem oder es erwischt einen die FBI-Razzia und man wandert ins Gefängnis. Nur mithilfe der Staatsanwältin (Würfelfeld der letzten Reihe auf dem Tableau) kann man seine Gefolgsleute wieder herausholen. Für die Wiederaufstehung einer Figur aus dem Hudson braucht es da schon die besonderen Fähigkeiten eines "Freundes der Familie", dessen Unterstützung man sich jedoch erst verdienen muss. Vor unliebsamen Überraschungen schützt vorübergehend das Gangsterauto, das vor Beginn einer Runde nach Vorgaben der Ereigniskarte vorgerückt wird.

diverse PlättchenDie Gier nach Reichtum darf nicht blind machen für die Notwendigkeit, dem Beispiel Vito Corleones zu folgen und den Schein des Ehrbaren zu wahren. Dazu bedarf es des politischen Einflusses und des gesellschaftlichen Ansehens. Der Fortschritt in diesen beiden Bereichen ist aus zwei Gründen lukrativ: Zum einen kann man zusätzliche Aktionsplättchen erlangen, die zum Beispiel das Würfelglück manipulieren helfen. Zum anderen wird im Laufe des Spiels durch die Ereigniskarten ermittelt, auf welcher Entwicklungsleiste (Ansehen oder Einfluss) die Spieler das letzte Feld erreicht haben sollten. Nur wer diese Bedingung erfüllt und das meiste Geld gescheffelt hat, hat das Spiel gewonnen.

CorleoneDer Pate spielt sich zügig - wenn die Beteiligten erst einmal genügend Überblick gewonnen haben und sich gut mit den einzelnen Feldern auf Tableau und Spielbrett auskennen. In Vollbesetzung kann es dann allerdings immer noch zu einiger Wartezeit kommen, denn vor allem der erste Würfel will klug eingesetzt sein. Bei einem Spiel zu dritt oder zu zweit stehen die übrigen Farben zu Beginn als Dummys auf dem Brett bereit, um durch Geschäftsübernahmen oder "freundliche" Besuche entfernt zu werden. Ansonsten ist das Spielgefühl gleich, nur die Spielzeit verkürzt sich erfreulicherweise.
Im Verlauf einer Partie können sich Zufall und Planungserfolg die Waage halten, sie müssen es aber nicht. Erfahrene "Paten" setzen daher auf die Vorteile, die die Aktionsplättchen der Entwicklungsleisten und die "Freunde der Familie" bringen. Auch erworbene Schuldmarker sollten zur rechten Zeit in große Geldsummen umgesetzt werden. Allerdings kann es durchaus vorkommen, dass sich die Geschäftsfelder auf dem Spielplan radikal leeren und dass kein Mitspieler dauerhaft seine Position halten kann. Da es am Spielende noch 3.000 Dollar für jedes Geschäft gibt, entscheidet hier oft das Glück, wer am Ende noch einmal das große Geld macht.

Ereigniskarte: VertragUnter dem Strich bietet das Spiel gute Unterhaltung mit bewährten Mechanismen, wobei es im Genre der Literaturverspielungen sicher nicht zur ersten Garde gehört. Von Ferne fühlt man sich erinnert an die kniffelartigen Würfeleien von Nichtlustig, einem Spiel desselben Autors, der Ereigniskartenmechanismus ist offensichtlich dem Hexer von Salem entlehnt. Macht nichts, denn es macht Spaß, seine Gegner im Hudson zu versenken und einmal ganz ungestraft dem Glücksspiel zu frönen.
Am meisten Freude beschert Der Pate ohne Zweifel den Liebhabern des Films. Hier ist die redaktionelle Arbeit des Verlags ausdrücklich zu loben. Wer das Werk des Regisseurs Coppola kennt, wird vieles im Spiel wiederentdecken - von den kultigen Filmzitaten auf den Ereigniskärtchen bis hin zu Anspielungen auf Details der Filmhandlung. Das düstere Ambiente ist zwar kaum familientauglich und nur mit einem guten Maß schwarzen Humors zu goutieren, doch ist es längst nicht so schmutzig wie das Drogengeschäft, aus dem sich die Corleones im Film auch bewusst heraushalten wollen. Deshalb sollte man über die vorhandenen Glückselemente nicht die Nase rümpfen, denn auch dies ist eine Reminiszenz an den Film von 1972, der bekanntlich mit Michael Corleones Aufbruch in das Glücksspielparadies Las Vegas endet. (thb)

Steckbrief
Der Pate
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Michael Rieneck Kosmos 2 - 4 Spieler ab 12 Jahre 60 - 70 Minuten Franz Vohwinkel