Löwenherz

Darf man von einem Spiel, das 1997 auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres gestanden hat und zudem den Deutschen Spiele Preis gewonnen hat, also von den Spielern sehr gut angenommen wurde, eine Verbesserung, eine Steigerung erwarten? Man darf, insbesondere wenn der Autor Klaus Teuber heißt. Aber, um es gleich vorweg zu nehmen, in diesem Fall müsste man Äpfel mit Birnen, oder weniger drastisch ausgedrückt, herbe, grüne Äpfel mit süßen, roten Äpfeln vergleichen. Nun will ich aber hier das neue Löwenherz besprechen. Um dennoch einen Vergleich bzw. eine Erinnerung für diejenigen zu ermöglichen, die das alte Löwenherz kennen, verpacke ich entsprechende Anmerkungen in Pseudofußnoten.

Burg und RitterNeun Spielplanteile mit insgesamt 144 Feldern bilden eine immer wieder anders zu gestaltende Landschaft mit einer Königsstadt, zehn Dörfern, je vier Gold-, Silber-, Kupfer- und Edelsteinminen, wobei die Gold- und Kupferminen bei künstlichem Licht leider schlecht zu unterscheiden sind. In dieser Landschaft versuchen bis zu vier Fürsten, ihre Macht und ihren Einfluss durch abgegrenzte Gebiete mit eigenen Burgen und einer starken Rittermacht zu mehren. Sinnigerweise werden diese Spielplanteile durch eine Umrandung gegen Verschieben geschützt. Auf der Umrandung befindet sich dann auch gleich eine Punktezählleiste und Raum für das Ablegen von Karten. Die Burgen und Ritter sind 3D-mäig sehr ansprechend gestaltete Plastikutensilien und auch die großen, runden Dukaten und die liebevoll gestalteten Machtkarten bieten etwas für das Auge. Da ist man doch gleich freudiger auf eine Partie eingestellt als bei manchem anderen Spiel.

SpielkarteZunächst muss noch auf den zentralen Begriff eines Gebietes und seines Werts eingegangen werden. Ein Gebiet ist dann gegeben, wenn es vollständig mit Grenzen umgeben ist (der Rand zählt mit) und sich darin eine einzige Burg befindet. Sein Wert ergibt sich aus Anzahl der Waldfelder plus drei Punkte für jedes Dorf plus fünf für die Königsstadt. Minen zählen nichts, aber jede im Besitz befindliche Minenart (nicht Mine!) bringt zu Beginn einer jeden Runde einen Golddukaten. Da Geld, wie wir sehen werden Mangelware ist, ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Catan-Fans können bereits erahnen, wie es zur Startaufstellung der drei Burgen (vier bei drei konkurrierenden Fürsten) kommen kann. Reihum sucht man sich einen Wiesenplatz aus und stellt noch einen Ritter dazu. Alle eigenen Burgen müssen immer einen Abstand von sechs Feldern zueinander haben, sodass man über die gesamte Landschaft verteilt ist. Beim Platzieren sind bereits erste wichtige Entscheidungen notwendig. Wo sind Dörfer und Minen in der Nähe, ist Raum für Ritter (nur auf Wiesen und Wäldern, in Wäldern verursachen sie aber Kosten von einem Dukaten bei der Aufstellung) vorhanden, ist der Platz nah genug am Rand, um mit wenig Aufwand ein Gebiet zu gründen, bieten sich Entfaltungsmöglichkeiten?

SpielsituationDer Spielablauf bei Löwenherz ist einfach. Wer an der Reihe ist, kassiert zunächst Dukaten für seine Minen(arten), und kann dann eine seiner drei Machtkarten einsetzen oder zu Geld machen. Machtkarten bieten Möglichkeiten für fünf verschiedene Aktionen:

  • Ein bis drei Grenzen setzen.
  • Ein oder zwei Ritter setzen.
  • Ein Gebiet um ein oder zwei Felder erweitern, also die Grenzen entsprechend verschieben. In gegnerische Gebiete geht dies nur, wenn die eigene Rittermacht größer als die des Gegners ist. Punktgewinne durch neue Wälder bzw. Dörfer werden sofort festgehalten, ebenso wie eventuelle Verluste bei gegnerischen Gebieten.
  • Ein nicht aufhebbares Bündnis mit einem benachbarten Fürsten schließen, so dass keine gegenseitigen Angriffe mehr erfolgen dürfen.

Einen Überläufer rekrutieren, d.h. der benachbarte Gegner verliert einen Ritter, man selbst gewinnt einen dazu.

SpielkarteWenn eine Machtkarte eingesetzt werden soll, muss der aufgedruckte rote Preis bezahlt werden, in der Spitze bis acht Dukaten. Mit dem Startkapital von sieben Dukaten lassen sich also keine großen Sprünge machen. Daher müssen hin und wieder Machtkarten zum aufgedruckten blauen, in der Regel niedrigeren Preis verkauft werden. Anschließend wird eine verdeckte Karte vom vorsortierten Aufnahmestapel nachgezogen oder eine offene, verkaufte, allerdings nicht die letzte. Ist der Spielablauf als solcher simpel, so sind es die mit den Aktionsmöglichkeiten zu treffenden Entscheidungen sicher nicht. Z.B. beim Setzen der Grenzen. Natürlich bereitet es ein gutes Gefühl, wenn man den Konkurrenten vom Zugang zu einem Dorf oder einer Mine ausschließt. Aber wo ist dann der Nutzen, wenn dessen Gebiet zuerst fertig ist, schließlich hat man ihm dabei geholfen, und man sich gegen eine Erweiterung um das Dorf nicht zur Wehr setzen kann? Wäre es da nicht sinnvoller, sofort ein kleines Gebiet zu haben, auch wenn es zunächst wenig bringt? Wo und wann müssen Ritter eingesetzt werden, um den Nachbarn zu zeigen, wer Herr im Hause ist? Ein Überläufer zur richtigen Zeit eingesetzt, verändert radikal die Machtverhältnisse in einer Region. Schade nur, dass gerade nicht genügend Geld dafür vorhanden ist. Man sollte also immer etwas Geld zur Verfügung haben, das man dann aber vorher nicht investieren konnte. Oh, diese Zwickmühlen! Könnte jetzt ein Bündnis den Vormarsch des Gegners stoppen?

Ich höre schon die Stimmen, die sagen, "Ist ja alles schön und gut, aber ich habe die entsprechenden Karten nicht!" Natürlich ist man abhängig davon, welche Karten man verdeckt nachzieht. Aber da immer wieder Karten von den Konkurrenten verkauft werden müssen, kann man sich durch offenes Nachziehen viele der Aktionsmöglichkeiten sichern. Vielleicht muss man auch mal einen Überläufer auf Vorrat nehmen und praktisch mit nur zwei Karten weiterspielen. Jammern ist zwar immer möglich, aber vielleicht nicht immer berechtigt.

Eine Partie Löwenherz endet meist nach gut einer Stunde, wenn alle Karten aufgebraucht sind. Eher selten endet sie früher, wenn eine bestimmte Punktezahl erreicht wird. Nur in einer meiner Testpartien ist dies passiert, und das auch nur, weil die Gegner des Siegers eklatante Fehler gemacht, um nicht zu sagen geschlafen haben. Wer sich kurz vor Ende einer Partie bereits als Sieger wähnt, kann ganz schnell sein blaues Wunder erleben. Oft werden mit den letzten Zügen noch große Gebiete geschlossen, deren Wertung dann die Punktetabelle durcheinander wirbelt.
SpielkarteÜberhaupt gehört der Stimmungswechsel von zu Tode betrübt nach himmelhoch jauchzend und umgekehrt mit dazu. Deshalb und aufgrund der vielen Aktionsmöglichkeiten und ihren Auswirkungen ist eine Partie Löwenherz nie langweilig. Dazu trägt auch der flüssige Spielablauf bei, es sei denn, ein notorischer Denker ist mit von der Partie. Das alte Löwenherz hat es bis auf die Auswahlliste geschafft. Dieser Platz sollte dem neuen auch sicher sein und mich würde nicht wundern, wenn sogar noch mehr herauskäme. Denn, und jetzt muss ich doch einen direkten Vergleich anstellen, durch den Wegfall der Bewerbungs-, Verhandlungs- und Duellsituation bei den Aktionskarten hat Löwenherz eine Transition zum Familienspiel hin gemacht. Wer also auf harte Verhandlungen, Bluff- und Überrumplungselemente nicht verzichten will, ist mit dem alten Löwenherz besser bedient. Alle anderen können sich ein neues Löwenherz beruhigt zulegen. Auch die Besitzer des alten, denn es ist ein anderes Spiel geworden, obwohl viele Elemente gleichgeblieben sind. Womit der Spruch von den Äpfeln zu Beginn erklärt wäre. (mw)

Steckbrief
Löwenherz
Autoren Verlag Spieler Alter Spieldauer Gestaltung
Klaus Teuber Kosmos 2 - 4 Spieler ab 10 Jahre ca. 60 Minuten Franz Vohwinkel, Andreas Klober