Digimon sucht hier nach ihrem Digiritter und spielt dabei!

Das Internet ist heute ein wichtiges Medium, zu dem immer mehr Menschen Zugang haben. Auf der einen Seite wird es für Informationen genutzt, für - wissenschaftlich nicht immer anerkannte - Recherchen bis hin zu Telefonbuch- und Fahrplanauskünften. Auf der anderen Seite bietet das Internet vielfältige Unterhaltung, so z. B. durch Spiele oder durch Chat. Das Internet ist aber nicht nur ein Quell der Freude, sondern hat auch seine negative Seiten. Für Schlagzeilen sorgen hier Kinderpornographie und Dialer, zwei Phänomene, die das Internet zeitweise stark in Verruf gebracht haben und die positiven Seiten zumindest in der Presse überlagerten.

Als Eltern hat man bzgl. des Internets eine besondere Verantwortung. Aufgrund der wachsenden Bedeutung des Internets ist es eine Pflicht, seine Kinder an dieses Medium heranzuführen. Dies gilt sowohl für die Informations- als auch für die Unterhaltungsseite. Es gibt viele Tipps, wie Eltern ihre Kinder an das Medium heranführen können. Dennoch müssen Eltern "ihren" Weg finden, wie sie ihren Kindern das Internet nahe bringen. Ich möchte hier ein persönliches Beispiel zeigen, wie unsere Tochter Katharina ein besonderes Vergnügen im Internet zuteil wurde.

Katharina alias Digimon in DragontownWir sind, dies erkennt man schon an unserer Website, eine spielbegeisterte Familie; wir, das sind Brigitte und Wolfgang als Eltern von Alexander (14), Katharina (12) und Raphael (4). Mit dem Hobby "Gesellschaftsspiele" muss man eine bestimmte Site im kennen: Die Brettspielwelt, kurz BSW. Hier kann man kostenlos über 35 Gesellschaftsspiele von Klassikern wie Doppelkopf und Go bis zum modernen Spiel wie Carcassonne und Paris Paris spielen. Dabei spielt man nicht etwa gegen Rechner, sondern gegen andere Menschen, die irgendwo auf der Welt sind und ebenfalls gerne spielen. Angefangen wurde noch mit Modem und einem Internet Provider, bei dem die Online-Zeit verrechnet wurde. So wurde auf flottes Spiel wert gelegt und die weiteren kommunikativen Möglichkeiten, vor allem die des Chats während des Spiels nicht genutzt. Dies änderte sich mit DSL. Nun gab es keinen Zwang mehr, die Online-Zeit extrem kurz zu halten.

Katharina, in der BSW nennt sie sich Digimon, hatte auch schon mit Modem das ein oder andere Spiel dort absolviert. Nun aber konnte sie vor allem dem Chat nutzen. Während es bei offenen Chat-Kanälen (icq, Yahoo, MSN) immer wieder eine Tendenz zu anzüglichen Chats gibt, ist dies in der BSW kein zentrales Thema. Die Menschen, die sich hier treffen, haben eben eine Gemeinsamkeit: sie spielen gerne und so sind neben persönlichen Dingen vor allen Spiel- und Strategietipps Gegenstand des Chats. Verbessernd kommt hinzu, dass jeder, der häufig spielt, sich registriert. Dabei kann das Geburtsdatum angegeben werden. Dies ist nun für alle anderen Spieler sichtbar und führt dazu, dass im Chat auf die Minderjährigkeit Rücksicht genommen wird.

Durch die Möglichkeit, sich neben dem Spiel mit den Mitspielern zu unterhalten, lernen sich die Spieler näher kennen. So findet man nach und nach Spielpartner, mit denen man sich immer besser versteht. Um einfacher mit solchen Spielern zusammenzutreffen, kann man sich zu Freundesgruppen zusammenschließen, die in der BSW Städte genannt werden. So erging es auch unserer Tochter Katharina. Sie traf mit einer Spielerin zusammen, die sich in der BSW Gabinski nannte. Beiden spielten häufiger zusammen und irgendwann fragte Gabinski Katharina, ob sie eine Stadt suche. Nachdem Katharina dies positiv beantwortete, schrieb Gabinski an ihre Stadt das Anliegen von Katharina, in die Stadt namens Dragontown einziehen zu wollen. Dies ist kein einfacher Vorgang, denn damit die Freundeskreise auch Freundeskreise sind und bleiben, erfordert eine sogenannte Einbürgerung gewisse Zustimmung, im Falle der Stadt Dragontown die Zustimmung die Hälfte der "Bewohner". Alsbald hatte Katharina die Zustimmung und einen virtuellen Freundeskreis.

Dies wäre nur der normale Ablauf auf irgendeiner Site im Internet, die Interaktionen zwischen den Usern erlaubt. Hier aber geschah nun etwas anderes. Die Kombination aus Interesse am Gesellschaftsspiel und der Tatsache, virtuelle Freunde gefunden haben, ließen bei Katharina das Interesse an der Brettspielwelt steigen und sie verdrängte sogar die Animé-Seiten von Platz 1 ihrer meist besuchten Sites. Durch die Gemeinschaft der Spieler allgemein und der "ihrer Stadt" im speziellen fasste Katharina nach und nach immer mehr Mut. Spielte sie zunächst überwiegend mit Personen, die sie bereits kannte, legte sich dies mit der Zeit. Ein erster Schritt bestand für sie darin, nach und nach die Mitbewohner ihrer Stadt kennen zu lernen. Später dann lernte (und lernt noch immer) weitere Spieler kennen. Inzwischen ist es soweit, dass sie die Mitspieler ihrer Eltern fragt, ob sie mit ihr spielen.

Stadtansicht von Dragontown mit Wohngebäude von "Digimon"Als Eltern steht man solchen Aktivitäten mit gemischten Gefühlen gegenüber. Bedenken gegen das Gesellschaftsspiel an sich gibt es nun bei uns nicht und da wir selber in der Brettspielwelt spielen, auch nicht gegen die Site. Dennoch ist ein gewissen Maß an Unwohlsein vorhanden gewesen. Dies beruhte einerseits darauf, dass Katharina dort viel auf sich allein gestellt ist, eine elterliche Betreuung wie sie sonst für das Internet angeraten wird, nicht möglich ist, denn die Spiele muss sie bestreiten, sie gewinnen oder verlieren. Dadurch ist aber auch die Kommunikation während des Spiels außerhalb unseres Einflussbereichs. Eine andere Sache ist die Zeitmenge, die in solche Aktivitäten fließen. Spielt man am Tisch, so ist die Zeit begrenzt. Der Mitspielerkreis ist klein und irgendwann löst sich die Spielrunde auf. Dies ist in der Brettspielwelt anders: Hier kann man 24 Stunden am Tag Mitspieler finden; und wie bei jedem Hobby wird die Zeit dafür bei anderen Aktivitäten abgezogen. Als Eltern muss man darauf achten, dass weder die schulischen Leistungen noch der Freundeskreis außerhalb des Internets unter einem solchen Hobby leiden.
Für beide Fälle - die von uns nicht zu begleitende Kommunikation und die Zeitmenge - fanden wir Lösungen. Wir kennen viele der Bewohner von Dragontown und wir haben mit einigen von ihnen die Situation besprochen. Beim Chatten halfen sie Katharina, indem sie andere darauf hinwiesen, dass eine Minderjährige beim Spiel anwesend ist. Dies macht Katharina nun meistens selbst. Was die Zeit angeht, so haben wir auch hier Unterstützung. Sie bezieht sich nicht auf die Gesamtmenge, sondern auf die Online-Zeit in den Abendstunden. Da wir nicht direkt sehen können, wann ein Spiel begonnen wurde, ist es nicht möglich, eine feste Endzeit zu setzen. Um es abends nicht zu spät werden zu lassen, muss man eine Regelung finden, die von der Startzeit unter Berücksichtigung der Spieldauer ausgeht. Dabei achten nicht nur wir darauf, sondern viele von Katharinas Mitbewohnern.

Inzwischen sind diese Maßnahmen nur noch bedingt nötig, denn Katharinas Selbstbewusstsein wuchs mit der Erfahrung in der Brettspielwelt und sie lernte sich dort frei zu bewegen und zu spielen. Auch das erste Treffen mit Personen, die sie bisher nur über das Internet kannte, hat bereits stattgefunden. Was wir aber nie für möglich gehalten haben, ist der Effekt auf das Leben außerhalb der Brettspielwelt, denn das gewonnene Selbstvertrauen schlägt sich auch hier nieder, sowohl was Verabredungen, Meinungen als auch die Durchsetzung eigener Interessen angeht. Trotz dieser positiven Aspekte gilt natürlich auch weiterhin, dass wir als Eltern den Brettspielwelt-Konsum regulieren müssen, denn zu groß könnte die Versuchung sein, zu viel Zeit in der Brettspielwelt zu verbringen.
Dies alles ist mehr als zwei Monate her. Ihr Bruder und ein Freund von ihm folgten ihr nach Dragontown. Wie viele Spieler unterstützt Katharina ein Spiel in der Brettspielwelt besonders. Bei ihr ist es das Spiel "Geister" von Alex Randolph; dies freut uns persönlich ganz besonders, da wir Alex persönlich kennen und wissen, welche Verdienste er um das Gesellschaftsspiel hat.

Wer nur denkt, das Internet ist für Jugendliche ungeeignet, der sieht nur einen vordergründigen Aspekt. Mit dem richtigen Umgang und der richtigen Site besteht weder die Gefahr, auf jugendgefährdende Inhalte zu stoßen noch Mehrkosten, z. B. durch Dialer oder kostenpflichtige Inhalte, zu bekommen. Es gilt, interaktive Seiten mit dem Jugendlichen interessierende Inhalte zu finden und ihn bei den Aktivitäten zu unterstützen oder einengend zu wirken. Dieser Artikel nun befindet sich auf einer Site, die sich mit Gesellschaftsspielen beschäftigt, und so ist die geeignete Site eine mit Gesellschaftsspielen. Der Inhalt kann auch auf andere Interessen zugeschnitten sein. Eltern sollten mal suchen,ob sie nicht Sites finden, mit denen sie ihren Kindern ohne Bedenken das Internet näher bringen können. (wd)