Interview by Email

Wir danken Franz-Benno Delonge für seine Bereitschaft, an diesem Interview teilzunehmen.

Folgende Fragen haben wir Franz-Benno Delonge gestellt.

 1 Als Spieleautor bist du bekannt, jedoch kaum als Person. Bitte stell dich doch einmal unseren Lesern vor
 2 Du bist Richter und musst sicher dabei auch Entscheidungen fällen, die für die Betroffenen hart sind. Nun bist du auch Spielautor, der Menschen über seine Spiele Freude bringt. Wie passt das zusammen? Wie sehen deine Kollegen dein Engagement im Spielsektor?
 3 Wie siehst du Spielregeln? Sollten sie wie Gesetzte unumstößlich sein, oder sind es für dich nur Verhaltensrichtlinien?
 4 Gelegentlich gibt es bei Spielregeln Unklarheiten. Wer ist bei Regelunklarheiten aus deiner Sicht der Entscheidungsträger? Verlag oder Autor? Warum?
 5 Heute wurde das Spiel Niagara zum Spiel des Jahres gekürt. Wie findest du diese Entscheidung?
 6 In wie weit interessiert du dich für Kinderspiele? Wie stehst du zum Kinderspiel des Jahres? (a) allgemein, das der Preis jetzt eine zweiter Hauptpreis ist? (b) zur speziellen diesjährigen Entscheidung der Jury dieses Jahr?
 7 Es gibt viele Spielepreise. Da sind landesspezifische Preise, z. B. Spiel der Spiele, Preise für bestimmte Arten von Spielen, z. B. Kartenspiele und sogar von Einzelpersonen, z. B. der Portner. Welchen Stellenwert haben solche Preise?
 8 Beim Oscar werden verschiedenste Kategorien ausgezeichnet. Sowohl beim Spiel des Jahres als auch beim Deutschen Spielepreis gibt es nur zwei Kategorien: Kinderspiele und anderes. Welche Vorteile und welche Nachteile hat dies aus deiner Sicht?
 9 Frage von Hans-Peter: Wenn Du ein Spiel entwickelst. Was ist zuerst da? Die Idee zu einem Thema oder die Idee zu einem Mechanismus?
10 Viele deiner Spiele wie TransAmerica, Hellas, Fjorde und Manila haben einen geografischen Bezug. Ist dies schon in der Entwicklung so gewesen? Hast du einen besonderen Bezug zur Geographie?
11 Gerade Landkartenspiele basieren oft aus Sechsecken, manchmal wie TransAmerica auch auf Dreiecken. Sind diese Formen prädestiniert dafür und warum?
12 TransAmerica hat einen sehr ausgewogenen Spielplan, bei dem keine besonders schlechten Städte vorkommen. TransEuropa scheint uns nicht so ausgewogen. Da waren bei vielen Spielen Städte wie Dublin, Madrid oder Charkiv Niederlagenbringer. Wie hast du die Pläne ausgetestet? In welchem Verhältnis stehen Geographie und Spielmechanik?
13 TransAmerica gibt es in der BSW. Was hältst du von solchen Umsetzungen und dem Spielen von Brettspielen am Computer oder per Internet?
14 Bei TransAmerica zu zweit oder Manila kommt es gelegentlich zu einer destruktiven Spielweise. Beim TransAmerica ist das Verbinden der beiden Netze oft ein Nachteil. Einige Spieler bauen die Schienen einfach weg um das Verbinden der beiden Netze zu verhindern. Bei Manila benutzen hinten liegende Spieler die Lotsen und Piraten nur dazu, die Schiffe nicht in den Hafen kommen zu lassen, um den Sieg eines anderen Spielers zu verhindern oder auch nur zu verzögern. Wie siehst du diese Spielweise?
15 Was denken Sie über das Spiel "Zug um Zug"? Ist das eine Kopie von Ihrer Spielidee oder ein komplett eigenständiges Spiel?
16 Seit einiger Zeit habe ich persönlich den Eindruck, dass wirklich neue Spielideen bzw. -mechanismen kaum mehr auf den Markt kommen. Es scheint eher so, dass bekannte Mechanismen etwas modifiziert und neu kombiniert werden. Das wäre ja auch "logisch", da es meiner Meinung nach nicht unbegrenzt Ideen gibt. Und es stört zumindest mich nicht wirklich, da trotzdem weiterhin sehr gute Spiele designt werden. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Teilen Sie meine Sicht? Wenn ja, wie sehen Sie dann die Zukunft des Brettspiels? Zum Beispiel in einer noch stärkeren Themenorientierung?
17 Was macht für dich ein gutes Spiel aus? Welche Art von Spielen spielst du persönlich gerne?
18 TA spielen wir am liebsten in großer Runde, Fjorde ist ein 2- Personenspiel. Wie stehst du zu den unterschiedlich großen Spielerunden? Was ist dir am liebsten und wofür entwickelst du am liebsten?
19 Wie siehst du das Berechnen von Spielen, bei Fjorde kann man fröhlich drauf losbauen, oder jeden einzelnen Zug genau überdenken. Welches ist die Spielweise, für die du deine spiele konzipierst? Wie stehst du zu Analysen, wie wir sie zu Diamant durchgeführt haben?
20 Können wir für Essen auf einen neuen "Delonge" hoffen? Magst du uns schon etwas verraten?
21 Wir haben dir viele Fragen gestellt. Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen? Oder möchtest du uns eine Frage stellen? Dann tu es bitte.

Als Spieleautor bist du bekannt, jedoch kaum als Person. Bitte stell dich doch einmal unseren Lesern vor

"Ich bin 48 Jahre alt und lebe als Richter in München, wo ich auch geboren wurde und seither immer gelebt habe. Daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern; u.a. deshalb, weil ich sonst keine 1860-Spiele mehr sehen könnte.

Zum Spielen bin ich schon als kleines Kind gekommen, weil ich in den Ferien immer bei meiner Oma auf dem Land war, die mit zwei ebenfalls verwitweten Schwestern zusammenlebte und begeisterte Spielerin war. Sie hatte alles, was es damals gab, und hat mir der Reihe nach Mensch-Ärgere-Dich nicht, Mühle, Halma, Memory und Monopoly gezeigt. Daneben wurde mir aber auch ein umfassender Kartenspielgrundkurs erteilt, beginnend mit Neunerln, endend mit Schafkopfen, das ich schon mit zehn Jahren ganz passabel spielen konnte. Klar, den drei alten Damen fehlte der vierteMann.
Ich habe dann in den Sechziger Jahren das Ravensburger-Standardprogramm durchgespielt; Malefiz, Wild Life, Contact fallen mir da ein. Mit 14 oder 15 fing ich an, mir eigene Spiele auszudenken, die ich dann hingabevoll mit meinen jüngeren Brüdern ausprobiert habe. Und zu Weihnachten mußte unter den Geschenken immer zumindest ein neues Spiel sein.
Nach einer etwas weniger spielintensiven Phase, in der mich eigentlich nur "Hase und Igel" ab und zu an den Tisch brachte, hat es mich dann ab Mitte der Achtziger Jahre wieder so richtig begeistert. "Adel verpflichtet", "Bluff", "Manhattan", "Ave Caesar", und dann natürlich die Siedler - spätestens ab da gab es wieder regelmäßige Spieleabende mit meinen Freunden.
Und seit 1991 verschickte ich auch wieder Eigenerfindungen an Verlage. Mit zunächst nicht meßbarem Erfolg, aber 1998 durfte ich dann endlich den ersten Vertrag unterschreiben ("Big City"). Und TransAmerica (was eigentlich das allererste Spiel war, das ich seit 1991 an Verlage geschickt hatte!) fand dann nach zehn Jahren auch noch einen Verleger und wurde mein bisher erfolgreichstes Spiel.

Ich bin verheiratet und habe eine fünfjährige Tochter, die anscheinend meine Spielbegeisterung geerbt hat.

Das Spieleerfinden macht mir weiterhin viel Freude, und es wird hoffentlich noch das eine oder andere Spiel erscheinen. Gelegentlich gibt es aber auch frustrierende Phasen, zum Beispiel dann, wenn man meint, ein eigenes neues Spiel könne vielleicht "Spiel des Jahres" werden, und dann wird es nicht einmal auf die Empfehlungsliste gesetzt.
In solchen Phasen konzentriere ich mich dann auf meine anderen Interessen: Fußball, Sommerabende im Garten, das Sammeln von Bierflaschen-Etiketten und das Verfassen politisch-philosophischer Bücher, die niefertig werden. (Tatsächlich erschienen ist aber mein eher satirisches Wörterbuch der berufsspezifischen Politikersprache unter dem Titel "Rückhaltlose Aufklärung".)

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Du bist Richter und musst sicher dabei auch Entscheidungen fällen, die für die Betroffenen hart sind. Nun bist du auch Spielautor, der Menschen über seine Spiele Freude bringt. Wie passt das zusammen? Wie sehen deine Kollegen dein Engagement im Spielsektor?

Da sehe ich eigentlich überhaupt keinen Gegensatz. Sowenig es stimmt, dass Richter immer nur streng und todernst sein müssen, sowenig stimmt es, dass beim Spielen immer nur Frieden und Heiterkeit herrscht. Ich sehe zwischen Juristerei und Brettspielen sogar einige auffällige Gemeinsamkeiten: Beides beschäftigt sich eher beobachtend und nachvollziehend mit Sachverhalten, die sich zunächst im "richtigen Leben" real ereignen, bevor sie dann zum Gegenstand eines Brettspiels bzw. eines Prozesses werden (wo dann mit oft etwas gekünstelter Regelhaftigkeit versucht wird, der chaotischen Realität eine scheinbar rationale Struktur zu geben).

Natürlich stimmt es, dass meine Urteile immer nur einer Seite gefallen können, während die andere Seite oft frustriert ist. Aber auch am Spieltisch kann nur einer gewinnen; ich bin kein Freund von kooperativen Spielen, wo am Schluss alle zufrieden (oder wenigstens gleich unzufrieden) sind. Und deshalb ist es auch beim Spielen wichtig, dass man Pleiten und Niederlagen in Würde erträgt, ohne den anderen die Laune zu verderben oder gleich die ganzen Regeln in Frage zu stellen.

Von meinen Kollegen habe ich über meine allgemein bekannte "Zusatzätigkeit" bisher nur Positives gehört. Mancher kommt sogar und bittet mich, ein Spiel zu signieren, das er verschenken möchte. Und an höherer Stelle wird es offenbar auch nicht ungern gesehen, dass ein Richter mal etwas macht, was dem Klischee vom weltfremden, staubtrockenen Juristen zuwiderläuft. (Natürlich setzt das voraus, dass man seine Arbeit ordentlich erledigt. Sonst wären die kritischenBemerkungen sicherlich sofort da.)

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Wie siehst du Spielregeln? Sollten sie wie Gesetzte unumstößlich sein, oder sind es für dich nur Verhaltensrichtlinien?

Spielregeln sind dadurch definiert, dass sich jeder Spieler an sie halten muss. Was nur eine "Empfehlung" ist, ist keine Regel. Und was keine Regeln hat, ist kein Spiel.
Natürlich spricht nichts dagegen, dass sich erfahrene Spieler ihre eigenen Hausregeln machen, wenn sie mit irgendetwas nicht einverstanden sind. Probleme entstehen aber dann, wenn man mal mit anderen Leuten spielen will als den normalen Mitspielern...
Deshalb spiele ich normalerweise alles ohne solche Regeländerungen. Es gibt genug Spiele, die im "Originalzustand" perfekt sind. Die anderen spiele ich dann im Zweifel lieber gar nicht, anstatt an ihnen herumzudoktern.

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Gelegentlich gibt es bei Spielregeln Unklarheiten. Wer ist bei Regelunklarheiten aus deiner Sicht der Entscheidungsträger? Verlag oder Autor? Warum?

Wenn es eine Regelunklarheit gibt, dann hat nach meiner Auffassung der Autor das letzte Wort, so wie es ja auch schon in der Entwicklungsphase eines Spiels gilt. Wenn Verlag und Autor vor dem Erscheinen eines Spiels gemeinsam an der Optimierung arbeiten, dann gibt in reinen Regelfragen im Zweifel auch das Wort des Autors den Ausschlag - so wie in allen Fragen der äußeren Gestaltung (einschließlich des Spieltitels) der Verlag das letzte Wort hat.
Letztlich ist das Regelwerk eines Spiels die eigentliche geistige Leistung des Autors, und alle Abänderungen können ihm vom Verlag nur empfohlen, aber nicht aufgedrängt werden. Das sehe ich genau wie bei einem Buch: Der Verlag kann die Veröffentlichung insgesamt ablehnen, aber er kann keine eigenen Kapitel dazuschreiben. Dass der Lektor dem Autor freundlich nahe legen kann, das eine oder andere Kapitel zu kürzen oder zu überarbeiten, das steht auf einem anderen Blatt." nach oben         zur Frage in der Tabelle

Heute wurde das Spiel Niagara zum Spiel des Jahres gekürt. Wie findest du diese Entscheidung?

Mit "Niagara" als Spiel des Jahres bin ich sehr einverstanden, so wie ich es mit den "80 Tagen" auch gewesen wäre; die anderen drei Kandidaten hätten mich erstaunt.

Generell hatte ich bisher keine großen Schwierigkeiten mit den Entscheidungen der Jury, im Gegensatz zu vielen "Hard-Core-Spielern", denen oft die großen abendfüllenden Werke auf den Listen gefehlt haben.
Aber die spiele ich selber auch nicht so gerne. Und der Preis "Spiel des Jahres" mit seiner großen Öffentlichkeitswirkung ist ja ganz dezidiert dazu da, neue Mitspieler an den Spieltisch zu bringen. Deshalb vertritt die Jury wohl die Auffassung, daß der Preisträger grundsätzlich mit höchtens 90 Minuten Spieldauer und höchstens 8 Seiten Spielregel auskommen sollte; dem stimme ich aus tiefster Seele zu. Ein ambitioniertes "Spielerspiel" muß wohl die Qualität von "Puerto Rico" haben, um überhaupt näher in Betracht gezogen zu werden.

Aber gerade weil ich bisher dachte, diese Kriterien der Jury einigermaßen nachvollziehen zu können, bin ich immer noch leicht angefressen darüber, daß es dieses Jahr mein "Manila" nicht einmal auf die Empfehungsliste geschafft hat. Ich halte "Manila" für mein bestes Spiel, auch besser als "TransAmerica", und zwar gerade nach den Kriterien "leichter Zugang/großer Spielspaß". Und ich weiß, daß ich mit dieser Einschätzung nicht allein stehe. Deshalb hat meine grundsätzlich positive Einstellung zum SdJ aktuell ein paar Kratzer bekommen.

So groß die Verdienste der Jury und dieses Preises auch sind: Prinzipiell ist es kein idealer Zustand, daß der kommerzielle Erfolg eines Spiels derart weitgehend von der Entscheidung einer so kleinen Gruppe abhängt, egal wie kompetent und erfahren diese Jury auch sein mag. Denn unter in etwa gleich guten Spielen sind es dann doch immer die subjektiven Unwägbarkeiten, die den Ausschlag geben. Und jeder von uns kennt das Phänomen: Was in der einen Runde supergut ankommt, floppt in der anderen, ohne daß das immer objektivierbare Gründe hätte.

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In wie weit interessiert du dich für Kinderspiele? Wie stehst du zum Kinderspiel des Jahres? (a) allgemein, das der Preis jetzt eine zweiter Hauptpreis ist? (b) zur speziellen diesjährigen Entscheidung der Jury dieses Jahr?

Mit Kinderspielen ist das so eine Sache: Obwohl ich eine fünfjährige Tochter habe, habe ich da keinen rechten Zugang. Ich habe selber noch nie ein echtes "Kinderspiel" gemacht. Denn mein wesentlicher Antrieb, mir ein neues Spiel auszudenken, ist immer, daß ich das Endprodukt, das mir vorschwebt, ganz dringend selber spielen möchte.
Deshalb kann und will ich die Entscheidung der Kinderspiel-Jury nicht kommentieren. Aber ich werde mir das "Kleine Gespenst" sicherlich kaufen und mit meiner Tochter spielen, und ich gratuliere Kai Haferkamp ganz herzlich. Immerhin ein Juristenkollege...

Generell finde ich es sehr richtig, daß die Jury hier einen separaten Hauptpreis eingerichtet hat.

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Es gibt viele Spielepreise. Da sind landesspezifische Preise, z. B. Spiel der Spiele, Preise für bestimmte Arten von Spielen, z. B. Kartenspiele und sogar von Einzelpersonen, z. B. der Portner. Welchen Stellenwert haben solche Preise?

Von allen anderen Spielepreisen ist natürlich zuvörderst der "Portner" zu nennen, der sich dadurch auszeichnet, daß es der einzige Preis ist, den jemals ein Spiel von mir gewonnen hat.

Ansonsten sehe ich die meisten anderen Preise so, daß sie ganz bewußt in irgendeiner Weise ein Gegengewicht zum "Spiel des Jahres" setzen wollen.
Der "Deutsche Spielepreis" sieht sich dezidiert als Alternativpreis für Vielspieler, was grundsätzlich seinen Sinn hat. Aber der Kreis der Abstimmenden scheint mir dieses Jahr kaum mehr kontrollierbar, weil nicht nur die Stimmkarten zählen, sondern auch übers Internet abgestimmt werden kann; da ist viel Raum für Manipulationen.
Das "Spiel der Spiele" hat in bewußter Abgrenzung zum SdJ eine sehr weitgefächerte Kategorisierung vorgenommen, was ich prinzipiell eine gute Sache finde.

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Beim Oscar werden verschiedenste Kategorien ausgezeichnet. Sowohl beim Spiel des Jahres als auch beim Deutschen Spielepreis gibt es nur zwei Kategorien: Kinderspiele und anderes. Welche Vorteile und welche Nachteile hat dies aus deiner Sicht?

Klar ist, daß die SdJ-Jury die enorme Markt- und Medienwirkung ihres Preises nicht "verwässern" will; gerade um sich vor den anderen Auszeichnungen, die es gibt, weiterhin so massiv abzuheben. Da könnte natürlich jede weitere Unterteilung schädlich sein.
Aber generell finde ich, daß es eigene Kategorien für all diejenigen Spiele geben sollte, die keine echte Chance auf den Hauptpreis haben. Das trifft nicht nur für Kinderspiele zu, sondern sicherlich auch für Kartenspiele. Und deshalb würde ich eine solche Sonderkategorie sowohl beim SdJ begrüßen als auch beim DSP.

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Frage von Hans-Peter: Wenn Du ein Spiel entwickelst. Was ist zuerst da? Die Idee zu einem Thema oder die Idee zu einem Mechanismus?

Bei mir muß unbedingt zuerst das Thema dasein, das mich reizt. Jeder kennt ja die Allegorie von den "Geschichtenerzählern" und den "Uhrmachern"; ich bin auf jeden Fall einer von der ersten Sorte. Alle Spielregeln entwickeln sich bei mir erst einmal aus der Logik des Themas; nur ganz selten kommt es vor, daß mir eine bestimmte Regel rein "spieltechnisch" einfällt.
Mein persönlicher Spielegeschmack ist da sogar sehr rigide: Normalerweise finde ich, daß Spiele, die von der Mechanik her entwickelt wurden und dann erst ein Thema aufgeklebt bekommen haben, Spiele "ohne Seele" sind. Sowas gefällt mir nur ganz selten; eine der wenigen Ausnahmen ist z.B. "Lost Cities", das ich sehr gerne spiele.

Reiner Knizia hat - glaube ich - hier im Pöppelkisten-Interview gesagt, daß Spiele, die vom Thema kommen, meistens kompliziertere und schwierigere Regeln haben. Da kann ich überhaupt nicht zustimmen. Gerade Spiele, die vom Thema her kommen,haben oft sehr logische, organische Regeln - das beste Beispiel sind die "Siedler". Gewiß, das Regelheft ist nicht gerade kurz, aber man begreift die Regeln sehr leicht, weil sie der Logik des Themas folgen. Bei vielen anderen Spielen muß man immer wieder die Regeln neu studieren, wenn man das Spiel länger nicht gespielt hat, weil sie so unnatürlich und künstlich sind.

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Viele deiner Spiele wie TransAmerica, Hellas, Fjorde und Manila haben einen geografischen Bezug. Ist dies schon in der Entwicklung so gewesen? Hast du einen besonderen Bezug zur Geographie?

Ja, Geographie hat mich schon als Kind fasziniert. Ich hatte schon als Schulbub eine ganz eigenartige Begeisterung für das Abmalen von Landkarten und habe dann mit etwa 8 Jahren eine eigene Insel "erfunden", die vor allem den Zweck hatte, daß ich dauernd Landkarten von ihr zeichnen konnte.
Bei Spielen mag ich es bis heute sehr gerne, wenn sie eine Landkarte als Spielbrett haben. Noch lieber mag ich es, wenn variable Landschaften jedesmal neu entdeckt werden müssen, wie bei "Hellas" oder "Fjorde".

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Gerade Landkartenspiele basieren oft aus Sechsecken, manchmal wie TransAmerica auch auf Dreiecken. Sind diese Formen prädestiniert dafür und warum?

Wenn man ein Gebiet in gleichartige, symmetrische Felder einteilen will, dann hat man eigentlich nur die Wahl zwischen dem Viereckraster und dem Sechseckraster. Und da hat das Sechseckaster den Vorteil der größeren Variabilität, weil es von jedem Feld aus zwei Nachbarn mehr gibt, und dementsprechend zwei Zugrichtungen mehr zur Auswahl.
Wenn man beim Viereckraster auch Diagonalbewegungen zuläßt, dann hätte man zwar von jedem Feld aus sogar acht Nachbarn und acht mögliche Richtungen. Aber das ist oft unausgewogen, weil man dann durch die Diagonalbewegungen streckenmäßig schneller vorankommt als durch gerade Bewegungen. Deshalb spricht oft mehr für ein Sechseckraster.
Der einzige größere Nachteil ist, daß bei der Verwendung von Sechsecken grundsätzlich jeder Gelegenheitsspieler sofort mit Kennerblick kommentiert: "Ach ja, so ähnlich wie Siedler."

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TransAmerica hat einen sehr ausgewogenen Spielplan, bei dem keine besonders schlechten Städte vorkommen. TransEuropa scheint uns nicht so ausgewogen. Da waren bei vielen Spielen Städte wie Dublin, Madrid oder Charkiv Niederlagenbringer. Wie hast du die Pläne ausgetestet? In welchem Verhältnis stehen Geographie und Spielmechanik?

Das kann ich nicht recht nachvollziehen. Klar, bei TransEuropa gibt es Städte, die nicht so der Hit sind. Aber die gibt es bei TransAmerica auch. Jeder haßt Boston, Seattle, oder San Diego.
Natürlich ist auch der TransEuropa-Plan fleißig getestet worden, von mir und von der Winning-Moves-Redaktion. Aber ich gebe offen zu, daß er nicht wie TransAmerica bei seinem Erscheinen auf eine zehnjährige Erprobungsphase zurückblicken konnte...

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TransAmerica gibt es in der BSW. Was hältst du von solchen Umsetzungen und dem Spielen von Brettspielen am Computer oder per Internet?

Ich freue mich natürlich, daß es TransAmerica in der Brettspielwelt gibt. Die haben ja eine strenge Auswahl dort, und insofern ist das eine Anerkennung. "Manila" könnte ich mir dort allerdings rein vom Spielgefühl her genauso gut vorstellen. Aber nachdem mir die beiden Chefs der Brettspielwelt in Nürnberg erklärt haben, daß ihnen das Spiel nicht gefällt, wird daraus wohl nichts werden. Tja, das Spiel kommt offenbar gerade bei den wichtigen Leuten nicht so gut an...
Ich selber spiele hinwiederum gar nicht gern am Computer. Für mich muß ein Spieleabend am Tisch stattfinden, mit Menschen aus Fleisch und Blut, Bier, Knabberware, und vielen dummen Sprüchen aller Beteiligter. Und zum Glück habe ich einen ziemlich großen Kreis potentieller Mitspieler, sodaß ich eigentlich immer von heute auf morgen eine lustige Runde zusammenkriege.
Aber sicherlich kann man in der Brettspielwelt oder anderen ähnlichen Einrichtungen bestimmte Spiele extrem gut üben und Strategien eintrainieren. Ob ich wohl deshalb gegen echte Spieleprofis dauernd verliere...?

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Bei TransAmerica zu zweit oder Manila kommt es gelegentlich zu einer destruktiven Spielweise. Beim TransAmerica ist das Verbinden der beiden Netze oft ein Nachteil. Einige Spieler bauen die Schienen einfach weg um das Verbinden der beiden Netze zu verhindern. Bei Manila benutzen hinten liegende Spieler die Lotsen und Piraten nur dazu, die Schiffe nicht in den Hafen kommen zu lassen, um den Sieg eines anderen Spielers zu verhindern oder auch nur zu verzögern. Wie siehst du diese Spielweise?

Abstrakt gefragt, finde ich destruktive Spieltaktiken natürlich nicht gut.
Aber konkret muß ich sagen, daß ich in beiden Spielen die in der Frage beschriebenen Spielweisen so extrem noch nie erlebt habe.

Bei TransAmerica wird letztlich früher oder später immer derjenige verbinden, der die Verbindung dringender braucht. Und bei Manila können die Lotsen und Piraten ja nur in bestimmten Fällen das Spielende wirklich hinauszögern. Wenn man hinten liegt, halte ich das hier aber für eine legitime Spielweise. Ob das Spiel nun eine Seefahrt länger oder kürzer dauert, ist doch nicht so entscheidend.

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Frage von Marcus Bosch: Was denken Sie über das Spiel "Zug um Zug"? Ist das eine Kopie von Ihrer Spielidee oder ein komplett eigenständiges Spiel?

"Zug um Zug" und "TransAmerica" haben aus meiner Sicht nur zwei Dinge miteinander gemein: Beides sind Eisenbahnspiele, und beide haben verhältnismäßig einfache Regeln. "Kopiert" ist da gar nichts.
Ich könnte mir höchstens vorstellen, daß sich Alan Moon durch den Erfolg von "TransAmerica" dazu hat inspirieren lassen, aus der Grundidee seiner eigenen Verbindungsspiele ("Airlines", "Union Pacific") auch ein einfacheres Spiel zu entwickeln. Und das Ergebnis finde ich großartig - Zug um Zug ist immer noch eines meiner absoluten Lieblingsspiele, gerade jetzt die Europa-Version.

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Frage von Karl-Heinz Oberwinkler: Seit einiger Zeit habe ich persönlich den Eindruck, dass wirklich neue Spielideen bzw. -mechanismen kaum mehr auf den Markt kommen. Es scheint eher so, dass bekannte Mechanismen etwas modifiziert und neu kombiniert werden. Das wäre ja auch "logisch", da es meiner Meinung nach nicht unbegrenzt Ideen gibt. Und es stört zumindest mich nicht wirklich, da trotzdem weiterhin sehr gute Spiele designt werden.
Wie stehen Sie zu diesem Thema? Teilen Sie meine Sicht? Wenn ja, wie sehen Sie dann die Zukunft des Brettspiels? Zum Beispiel in einer noch stärkeren Themenorientierung?

Da ist sicherlich etwas dran. Ich kann mir momentan auch nicht recht vorstellen, wie innerhalb der unverrückbaren Grenzen des Mediums "Brettspiel" noch sensationelle Innovationen möglich sein sollen. Es wird wohl in den nächsten Jahren darum gehen, aus zum größten Teil bereits bekannten Komponenten neue Dinge zusammenzusetzen, die dann in ihrer Mischung doch wieder Neuigkeitswert haben - "Zug um Zug" ist ein gutes Beispiel. Kein einzelnes Element ist wirklich neu, aber im Ganzen ergibt es doch ein völlig neues Spielgefühl.
Insgesamt mache ich mir schon manchmal Sorgen, daß wir eine etwas altmodische Kulturform pflegen, die gegen Computerspiele auf lange Sicht immer weiter zurückfallen wird.
Man kann es vielleicht mit dem Verhältnis zwischen Theater und Film vergleichen: Theater ist die althergebrachte, klassische Kulturform, die aber ihre Grenzen bereits bis ins Letzte ausgereizt hat und immer mehr zu einem Refugium für leicht verschrobene Zeitgenossen wird - während der Film einfach die besseren Mittel hat, unmittelbar und schnell alle Sinne anzusprechen, und deshalb um Klassen cooler ist. Wer ein breites Publikum ansprechen und richtig Kohle machen will, der muß heutzutage sicherlich Filme drehen. Trotzdem gibt es immer noch ein paar Leute, die Theaterstücke schreiben, und die davon überzeugt sind, sich in diesem Medium am besten verwirklichen zu können.
Ins Kino geht eben absolut jeder, vom Professor bis zum Volltrottel. Ins Theater geht nur eine kleine, meistens feine, manchmal aber auch ein bißchen seltsame Minderheit.

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Was macht für dich ein gutes Spiel aus? Welche Art von Spielen spielst du persönlich gerne?

Ich fange andersrum an und sage, was ich nicht so gerne mag:

Alle Spiele, bei denen keines dieser Kriterien zutrifft, würde ich grundsätzlich gerne ausprobieren.
Der Rest beantwortet sich dann beim Spielen: Erzeugt es Spannung oder nicht? Weckt es meinen Spieler-Ehrgeiz, ohne in Denksport auszuarten? Und: Was halten meine bevorzugten Mitspieler davon? Nach all diesen Kriterien kann ich meine Lieblingsspiele der letzten Jahre schnell aufzählen: Attika, Zug um Zug, In 80 Tagen um die Welt, Niagara.

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TA spielen wir am liebsten in großer Runde, Fjorde ist ein 2- Personenspiel. Wie stehst du zu den unterschiedlich großen Spielerunden? Was ist dir am liebsten und wofür entwickelst du am liebsten?

Im Prinzip gibt es abhängig von der Spielerzahl zwei grundsätzlich verschiedene Spielearten: Spiele für zwei, und Spiele für viele. Beide folgen ganz unterschiedlichen Gesetzen; deshalb gibt es nur wenig Spiele, die sowohl zu zweit als auch zu vielt gleich gut funktionieren.
Ich spiele beide Arten sehr gerne, und ich denke mir auch beide Arten gerne aus.
Wenn ich aber bei mir zum Spieleabend einlade (was etwa alle zehn Tage der Fall ist), dann ist das normalerweise ein Vierer-Abend. Da meine Frau nicht so oft mitspielt und auf reine Zweierspiele eher gar keine Lust hat, entfällt bei mir der typischste Anlaß für Zweierspiele. Aber wenn am Sonntagnachmittag mein Schwager zu Besuch kommt, dann geht oft was zusammen...

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Wie siehst du das Berechnen von Spielen, bei Fjorde kann man fröhlich drauf losbauen, oder jeden einzelnen Zug genau überdenken. Welches ist die Spielweise, für die du deine spiele konzipierst? Wie stehst du zu Analysen, wie wir sie zu Diamant durchgeführt haben?

Das genaue Durchrechnen von Spielen gefällt mir eher weniger, was vor allem zwei Gründe hat: Erstens stehe ich persönlich mit der Mathematik sowieso auf Kriegsfuß und wäre zu solchen Kunststücken gar nicht imstande, selbst wenn ich es wollte.
Und zweitens fürchte ich, daß man mit solchen Berechnungen letztlich nichts anderes erreicht als eine ziemlich gründliche Zerstörung des Spielreizes - in diesem Sinne habe ich mich ja auch schon im Spielbox-Forum geäußert. Wenn ich mich zum Beispiel frisch in eine Frau verliebt hätte - was würde ich dann wohl von einer nobelpreisverdächtigen neuen chemischen Formel halten, die mir genau erklärt, welche hormonellen Prozesse da gerade in meinem Hirn ablaufen? Andererseits meine ich, daß ein richtig gutes Spiel ohnehin niemals in diesem Sinne "durchgerechnet" werden kann.
Wenn also jemand so ein Rechenmodell präsentiert und nachweisen kann, daß er auf dieser Basis zuverlässig gewinnt, dann hat er - so schade das im Einzelfall sein mag - eine massive Schwäche des betreffenden Spieles aufgedeckt.

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Können wir für Essen auf einen neuen "Delonge" hoffen? Magst du uns schon etwas verraten?

Wenn sich nichts ganz Unvorhergesehenes tut, dann gibt es in Essen dieses Jahr nichts Neues von mir. Das ist auch gut so, denn in Nürnberg waren es heuer gleich drei Neuheiten auf einmal, was eigentlich schon mehr ist, als ich mir wünsche. Meine Idealvorstellung wäre, daß jedes Jahr ein Spiel in Nürnberg und ein Spiel in Essen erscheint, sodaß man zu jeder Veranstaltung mit einer gewissen Spannung und Vorfreude hinfährt. Aber man hat da ja nicht immer so viel Einfluß, wie man gern hätte...
Für 2006 tut sich aber schon was. Ich habe drei Spiele fertig: Ein "kleines", ein "mittleres" und ein "großes". Für das kleine gibt es schon einen festen Vertrag; es wird in Essen 06 erscheinen. Die beiden größeren sind bei zwei verschiedenen Verlagen, wo sie m.E. jeweils optimal hinpassen würden, im akuten Entscheidungsstadium. Da heißt es derzeit: Abwarten und Tee trinken.
Außerdem gibt es noch ein Spiel, das - für mich zum ersten Mal - im "Teamwork" mit einem anderen Autoren entstanden ist. Von diesem Spiel halte ich auch sehr viel, aber es hatte bisher Pech: Bei drei verschiedenen Verlagen ist es jeweils kurz vor der Ziellinie gescheitert, und zwar teilweise aus ganz unglücklichen Gründen, die gar nichts mit dem Spiel zu tun hatten. Wir überlegen gerade, wo wir diesem Unglückswurm die vierte Chance geben. Aber das Spiel muß wohl richtig gut sein, denn von allen meinen Spielen haben "TransAmerica"und "Manila" mit klarem Abstand die meisten Absagen gesammelt, bevor sie endlich erschienen sind...

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Wir haben dir viele Fragen gestellt. Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen? Oder möchtest du uns eine Frage stellen? Dann tu es bitte.

Das Interview hat großen Spaß gemacht. Am besten haben mir die Fragen gefallen, mit denen ein wenig "über den Tellerrand hinausgeschaut" wurde.

Ich finde es ja schade, daß bei uns außerhalb der "Szene" kaum jemand weiß, daß Brettspiele zu den wenigen Bereichen gehören, wo Deutschland noch weltweit eine führende Stellung hat. Da ist es schon deprimierend, wenn zum Beispiel eine bekannte süddeutsche Zeitung über jede noch so obskure Hinterhoftheaterpremiere berichtet, aber ihre kleine Brettspielkolumne streicht - das zeigt uns allen, wie extrem "uncool" wir wirken.
Im übrigen wird es mit dieser deutschen Marktführerschaft wohl sowieso bald vorbei sein. Bei uns geht der Brettspielabsatz kontinuierlich zurück; dafür steigt er in den anderen Ländern, die in den letzten Jahren die "German games" entdeckt haben. Aber in all diesen Ländern hat man sich das Gute an der deutschen Spielekultur ziemlich genau abgeschaut und mit den eigenen Traditionen gemixt. Amerikaner und Franzosen machen sich ihre "German games" zunehmend selber, und die Ergebnisse sind oft frischer und besser als unsere Eigenproduktionen, die sich immer öfter nur noch selber zitieren...